Nov 2011

Erwin Messmer

Fünf Gedichte


   
Das Wissen

Das gute Gewissen
weiss von allem nichts
und das schlechte
will von allem nichts wissen
Niemand ist richtig im Bild

   
Die Nachhilfestunde

Den binomischen Lehrsatz
verstehe ich nicht meint
die Tochter und ich sage
die Vorsokratiker. Hole aus über
die Trennung von Körper und Seele
Aber der Binominalkoeffizient
wirft sie ein und ich sage
der Nominalismus. Erläutere
die Leugnung des Wesens
die Verabsolutierung der Begriffe
Du verstehst mich falsch
insistiert sie es geht um die
Potenz n eines Binoms a und b
in einer Potenzreihe und ich seufze
ja die Potenz. Sie sei keine
Konstante im Leben es gebe zwar
Mittel aber in ihrem Alter
müsste es doch hauptsächlich
um geistige Orientierung gehen
im Chaos einer zerrütteten
Werteskala mitten im Wandel einer
Ja eben diese Werteskala!
unterbricht sie mich
Wenn positive ganze Zahlen
n über eins und n über zwei
Ich hätte noch fünfzehn
Jährchen vor mir und wenn’s
gut gehe zwanzig winke ich ab
und sie möglicherweise das Vierfache
Aber was, frage ich dich, was
wissen wir schon über
die Zahl Unendlich?

   
Exposition

Die Unschuld verloren
den Schlaf nicht gefunden
Der Mann im Fundbüro
verwirft die Hände
Ihm hilft auch keiner

   
Tipp

Nimms ihm nicht übel
dem Gegner
wenn du
mit den schlechteren
Karten antrittst

Denk an Salieri
Er hatte die besseren

   
Über das Glück

Das Glück ist
gängiger als
man meint

Immer wieder
sieht man’s
vorbei gehen

Ist es vorüber
verunglückt
das Glück

Dann liegt
das Glück
im Unglück

Denn keiner
will im Unglück das
Glück liegen sehn

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