Zwischen Osten und Westen

ein Blog für Geschichten aus dem geteilten Deutschland

Marco, 8. Mai 1945

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Die Erwachsenen vom Kinderheim weinten heute. Sie sagen, der Krieg ist zu Ende. Ich glaube das nicht. Wenn es wirklich vorbei ist, warum bin ich noch hier? Ich will Mama und Papa, und ich will zu Hause. Darf ich jetzt nicht mehr in der Straße betteln? Ich hoffe ja. Manche Kinder auf der Straße sind böse. Manche kämpfen mir und nennen mir böse Namen, während ich für Essen oder was suche. Ich bin von ihnen nicht so schlecht verletzt als andere Kinder. Einmal sah ich einen Junge, der viele Narben hat. Ich denke, sie sind vom Feuer. Aber ich habe ihn nicht vor viele Wochen gesehen. Das ist okay bei mir.

Ich habe eine Freundin, aber manchmal versteckt sie sich vor mir. Ich weiß nicht warum. Ich habe gehört, ihrer Nachname ist jüdisch. Aber es klingt wie die nette Frau von meiner Nachbarschaft in Polen, und Mama sagte, sie war keine Jüdin. Also ich meine, Ruth ist auch keine Jüdin. Ich habe Angst, ihr zu fragen. Vielleicht darf ich jetzt, wenn der Krieg wirklich vorbei ist. Aber das ist unmöglich. Wenn es wahr sei, dann wäre ich nicht hier, und hier wäre nicht so schrecklich.

Ich frage mich, was das Kinderheim mit uns tun werden. Vielleicht sind meine Eltern nicht tot, und die Menschen vom Kinderheim können sie finden. Das wäre ja schön. Aber ich habe angst. Ich kann mich nicht so gut erinnern, mein Leben vor dem Krieg.

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