Biographie

Hermann Broch (1886-1951) ist einer der letzten Polyhistoren, ein Intellektueller, der sich  – was kaum jemand im 20. Jahrhundert noch wagt – in den unterschiedlichsten Gebieten der Philosophie, Soziologie, Literatur, Kunstgeschichte, theoretischen Physik, Mathematik und Psychologie umtut. Für den Beruf des Romanciers hat er sich entschieden, weil er im modernen Roman das Medium sieht, in dem er ein Maximum der Ergebnisse aus diesen Wissensgebieten verarbeiten oder synthetisieren kann. Gleichzeitig reflektiert er über die Wirksamkeit von Dichtung und bleibt ein Leben lang ein Autor, der sich über die Relativität und Indirektheit literarischer Wirkung im Klaren bleibt. So wechselt er, je nach Intention, die Medien, versucht sich als Essayist in Gebieten wie Literaturtheorie, Literaturkritik, Politik (Theorie der Demokratie), Jura (Menschenrechte), Massenpsychologie, Kulturkritik, Erkenntnistheorie.

Von der Rezeption her gesehen, sind es vor allem die Romane (besonders Die Schlafwandler und Der Tod des Vergil), die Brochs Ruhm begründet haben. Es ist die Literaturwissenchaft, vornehmlich die Germanistik, die immer wieder von seinen dichterischen Arbeiten fasziniert ist und über die Jahrzehnte hin (die Brochforschung ist ein halbes Jahrhundert alt) in einer erstaunlichen Vielfalt von Disserationen, Büchern, Editionen und Artikeln sein Werk immer wieder neu interpretiert hat. Zur Intensivierung der internationalen Forschung will der IAB beitragen.

Broch wuchs in Wien auf, leitete zwanzig Jahre lang die Textilfabrik seiner Familie, begann 1927 mit dem Leben als freier Schriftsteller, musste als Jude nach dem “Anschluss” von 1938 aus Österreich fliehen. Er emigrierte im gleichen Jahr in die USA, wo er während der ersten Jahre vor allem in New York lebte. 1942 wurde er Untermieter seines Freundes Erich von Kahler in Princeton, eines exilierten Schicksalsgenossen. 1949 siedelte Broch nach einem längeren Krankenhaus-Aufenthalt über nach New Haven, Connecticut, wo er Kontakte zur Fakultät der Yale University hatte, besonders zum dortigen German Department. 1951 erlag er in New Haven einem Herzschlag. Brochs Werk erschien in siebzehn Bänden, herausgegeben von Paul Michael Lützeler, zwischen 1974 und 1981 im Suhrkamp Verlag in Frankfurt am Main. Lützeler schrieb auch die im gleichen Verlag publizierte Broch-Biographie, die auch auf Englisch, Spanisch und Japanisch erschienen ist.