November 1989. Die Mauer ist gefallen. Und was denke ich daran? Na ja, was noch kann ich sagen? Ich bin jetzt 75 Jahre alt. Ich habe genug Aufstiege und Untergänge und politische Turbulenz für acht Lebzeiten erfahren. Also kann ich nicht beurteilen, ob eine von denen irgendwann richtig war und die andere falsch. Ich hatte mein ganzes Leben auf die Politik gegründet und zwar war ich von der Voraussetzung einer absoluten und extremen politischen Lösung lang besessen. Die Plausibilität einer vermittelten Position war mir bisher unmöglich.
Aber wiedergesagt: jetzt bin ich ein alter Mann. Der brennende Trieb zum Idealismus fuhrte mir in meiner Jugend zur kommunistischen Gedanken. Im Laufe der Zeit schwankte ich aber ab und zu in der Stärke meiner Gesinnungen. Trotzdem wohnte ich aber immer noch in Ostberlin und lebte ich mit meiner ideologischen und begrenzten Weltanschauung, die fast und irgendwann mal für die junge Generation altmodisch geworden ist. Diese Jugend hatte dagegen gekämpft und hatte letztendlich gewonnen.
Dieses Wochenende feierten zwei Millionen Ostberliner das Ereignis in Westberlin. Sie feierten die Tatsache, dass sie in Westberlin feiern dürfen. Das große Straßenfest verpasste ich. Ich bin zu alt und ich habe bessere Erinnerungen immer noch an den Mauerbau als an den nachfolgenden Mauerfall. Schon höre ich unaufhörlich das Klopfen der Hämmer, die an dem Antifasistischer Schutzwall kratzen. Ich bleibe zu Hause.
Die Mauer ist gefallen aber ich will Ostberlin nicht verlassen. Obwohl ich jetzt Renter bin, fühle ich immer noch, dass ich für die Zukunft meines Staates irgendwie verantwortlich bin. Ob es ein „dritter Weg“ gibt, wodurch wir von diesem Unsicherheitszustand befreit werden können, ist noch zu sehen. Nur Zeit wird uns erzählen.