Oct 2012

Frederick Lubich

“‘In Deutschland. Dort ist es passiert.“  Gespräch mit Auma Obama anlässlich ihrer deutschen Bestseller-Autobiographie Das Leben kommt immer dazwischen. Stationen einer Reise

Frederick Lubich: Frau Obama, Sie sind in Nairobi aufgewachsen, im Alter von neunzehn Jahren als Stipendiatin nach Deutschland gekommen, haben dort studiert, promoviert und längere Zeit im Film- und Fernsehbereich gearbeitet, sind nach sechzehnjährigem Aufenthalt in Deutschland nach England umgezogen und schließlich vor wenigen Jahren wieder in Ihre Heimatstadt Nairobi zurückgekehrt. Erst als junge Frau haben Sie Ihren amerikanischen Bruder Barack Obama kennengelernt, mit dem Sie bald eine ausgesprochen starke geschwisterliche Beziehung knüpften und dessen phänomenale Karriere Sie sowohl aus der Ferne als auch immer wieder aus nächster Nähe begleiten sollten. Im Jahre 2010 veröffentlichte der Lübbe Verlag in Deutschland Ihre Lebensgeschichte Auma Obama. Das Leben kommt immer dazwischen. Ihr Verleger kündigte Ihre Memoiren an mit der Banner Headline „Sister Africa – Ein bewegtes Schicksal zwischen den Kulturen“. Welche Resonanz fand Ihre Lebensgeschichte in Deutschland und gibt es Pläne, sie auch in Ihrer Muttersprache in Kenia herauszubringen?

Auma Obama: Meine Lebensgeschichte wurde in Deutschland erstaunlich warm aufgenommen. Das Interesse war groß und das Buch hat es tatsächlich geschafft, eine kurze Zeit auf der SPIEGEL-Bestsellerliste zu sein. Ein Teil des Interesses (und Neugier um das Buch) galt natürlich meiner Verwandtschaft mit meinem Bruder Barack, der in Deutschland sehr beliebt ist.

Ich würde sehr gerne das Buch ins Kiswahili (unsere Nationalsprache) oder auch ins Luo (meine Muttersprache) übersetzen lassen, aber im Moment ist das nicht vorgesehen. Das Buch ist jetzt erstmals im Mai 2012 auf Englisch erschienen. Glücklicherweise wird Englisch als zweite Nationalsprache in Kenia gesprochen. Das heißt, dass die meisten meiner Landsleute das Buch schon werden lesen können.

Frederick Lubich: Ihre Memoiren gleichen geradezu einem modernen Bildungsroman mit immer neuen Herausforderungen, bitteren Enttäuschungen und glänzenden Höhepunkten. Sie schreiben, dass am Anfang Ihres langen Bildungs- und Selbstverwirklichungsprozesses die deutsche Nachkriegsliteratur eine wesentliche Rolle gespielt hatte. Wie kam es dazu und was faszinierte Sie so an dieser deutschen Literatur?

 Auma Obama: Als Teenager habe ich schon sehr viel gelesen. Alles Mögliche las ich. Über den Literaturunterricht lernte ich aus der deutschen Literatur die Werke von Bertolt Brecht kennen. Bald darauf bekam ich in der Schule die Möglichkeit Deutsch zu lernen. So fing ich an, auch auf Deutsch zu lesen. Die deutsche Nachkriegsliteratur lag mir nahe, weil dort mit einfachen Worten schwierige Situationen dargestellt und starke Emotionen geschildert werden. Die Protagonisten leiden an Not, Hunger, Verlust der Familie und der Heimat. Man erzählt ihre Schicksale in einfachen Worten ohne groß darüber zu philosophieren – roh und direkt. Dieser Stil lag mir damals, da ich persönlich eine schwierige Zeit durchmachte. Meine Eltern hatten sich vor ein paar Jahren scheiden lassen und in mir schmerzte es noch. Ich konnte mich, was Verlust anging, sehr gut mit den Helden der deutschen Nachkriegsliteratur identifizieren.

Frederick Lubich: Wir machen uns ja oft gerne große Vorstellungen vom Anderen und Unbekannten. Auch Sie schwärmten als junges Mädchen von Deutschland als dem „Land meiner Bücherhelden“. Wie sah denn dann die Heimat Ihrer literarischen Idole tatsächlich aus?

Auma Obama: Unterschiedlich. Das Land war natürlich nicht mehr so, wie ich es aus der Literatur kannte. Die durch den Krieg verursachte Zerstörung und die Leiden waren schon längst vorbei. Das wusste ich auch. Sowieso hatte ich mich viel eher auf der Gefühlsebene mit meinen Helden identifiziert als auf der kulturellen Ebene. Das Deutschland, dem ich begegnete, war sehr modern, aber auch sehr fremd.

Frederick Lubich: In Ihrer Autobiografie haben Sie Ihr endgültiges Dissertationsthema nicht erwähnt. Können Sie es uns verraten?

Auma Obama: Ich habe in meiner Dissertation über die Arbeit geschrieben – ein Vergleich zwischen der Arbeitsethik in Deutschland und der in Kenia. Das ganze habe ich am Beispiel der deutschen und kenianischen Literatur festgemacht.

Frederick Lubich: Wie Sie schreiben, hatten Sie in vieler Hinsicht eine schwere Kindheit und Jugend mit immer wieder wechselnden Bezugspersonen und Familienkonstellationen. Es war eine sozial komplizierte Umwelt, die darüber hinaus noch wesentlich dramatischer wurde durch den raschen beruflichen Aufstieg und den noch jäheren Absturz Ihres Vaters, zu dem Sie auf Grund all dieser Komplikationen ein Leben lang ein gespanntes Verhältnis hatten. Empfanden Sie in Folge dieser teilweise schlichtweg traumatischen Familienverhältnisse eine gewisse Wahlverwandtschaft zu Deutschen Ihres Alters, deren Beziehungen zu ihrem eigenen Elternhaus vielleicht auf ähnliche Weise vom kollektiven Trauma der jüngeren deutschen Geschichte belastet waren?

Auma Obama: In diesem Zusammenhang kann ich mein Leben nicht mit dem eines Deutschen vergleichen. Ich glaube, jede Erfahrung, die man in seinem Leben macht, ist einzigartig und gilt nur für die entsprechende Person.

Frederick Lubich: Nach der faschistischen „Banalität des Bösen“, wie die bis heute umstrittene These von Hannah Arendt lautet, ist journalistischen Legenden zufolge eine bundesrepublikanische Generation von sogenannten „Gutmenschen“ herangewachsen. Wie gut sind sie und was waren Ihre Erfahrungen mit ihnen?

Auma Obama: Ich verallgemeinere ungern. In Deutschland habe ich unterschiedliche Menschen kennengelernt. Manche waren gut, andere nicht so gut. Das Schwierigste für mich war die Erfahrung, dass die Menschen nicht an meine schwarze Haut gewohnt waren. Ich wurde sehr viel angestarrt. Und bei manchen mischte sich dabei auch eine gewisse Ablehnung meiner Person. Mit dieser Angst vor dem Fremden, dieser negativen Konnotation des Wortes ‚Ausländer‘, kam ich nur schwer zurecht.

Frederick Lubich: Sie haben längere Zeit in Heidelberg, Bayreuth und Berlin gelebt. Was sind Ihre schönsten und was sind Ihre schlimmsten Erinnerungen an diese Zeit?

Auma Obama: Es gibt keine isolierten, schönen oder schlimmen Erinnerungen an meine Zeit in diesen drei Städten. Heidelberg war für mich ein Paradies des Lernens. Meine Studienzeit dort habe ich sehr genossen. Mein Lieblingsort war der Philosophenweg, hoch am Hang vom Berg. Man hat dort einen tollen Blick auf die Heidelberger Altstadt. Ich habe viele ruhige Stunden dort verbracht. Die Zeit in Bayreuth und Berlin habe ich als viel hektischer und unruhiger empfunden. Da hatte ich schon angefangen darüber nachzudenken, was ich nun im Leben machen wollte. Ich hatte aber keine Antwort auf diese Frage und pendelte zwischen diesen beiden Städten hin und her; zwischen einer akademischen (meine Dissertation) und einer kreativen Laufbahn (die Filmschule). Ich beherrschte auch glücklicherweise schnell die deutsche Sprache und konnte mich gut behaupten. Schnell verschaffte ich mir einen Freundeskreis, in dem ich mich wohlfühlte.

Frederick Lubich: Während Ihres elfjährigen Lebensaufenthaltes in England haben Sie auf Grund anderer Umstände wiederum ganz andere Erfahrungen gemacht. Sie schreiben, um nur ein Beispiel zu nennen, dass Sie in der englischen Alltagsgesellschaft eine ausgeprägte Geschlechtertrennung beobachteten, die Sie so in Deutschland nicht erlebt hatten. Worauf führen Sie diesen gesellschaftlichen Unterschied zurück?

Auma Obama: Ich denke der Unterschied ist kulturell bedingt. So empfand ich es jedenfalls. Die englischen Männer und Frauen schienen mir ziemlich getrennt von einander zu leben, wenn es um Geselligkeit ging. Die Geschlechter schienen sich unter ihresgleichen wohler zu fühlen. Es kann aber auch sein, dass mir das alles so fremd erschien, weil ich bis dahin nur eine Studentenkultur gekannt hatte, wo man zwischen den Geschlechtern keinen Unterschied machte.

Frederick Lubich: Vergleicht man das ehemalige organisatorische Engagement Ihres Bruders in den ärmeren Wohnvierteln von Chicago mit Ihrer beruflichen Selbstverwirklichung in Nairobi im Bereich der organisierten Jugendarbeit, so drängen sich Gemeinsamkeiten geradzu auf. Sie sind Geschwister eines ausgeprägten gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstseins, das Sie allem Anschein nach mit Ihrem gemeinsamen Vater teilen. Sie schreiben, dass er nicht gewillt war, den Mund zu halten, wenn es galt, sich für die Wahrheit und die gerechte Sache einzusetzen. Ist er, der durch einen mysteriösen, nie aufgeklärten Verkehrsunfall früh ums Leben gekommen war, heute Ihr menschlich-moralisches Vorbild?

Auma Obama: Mein Vater war weniger mein Vorbild als die Motivation dafür, immer mein Bestes zu geben und immer dafür zu kämpfen, woran ich glaube. Damals wusste ich noch nicht, in welche Richtung mein Leben führen würde und ob ich die Arbeit machen würde, die ich jetzt mache.

Frederick Lubich: Als Sie Ihren Bruder in Amerika auf seinem Wahlkampf begleiteten, begegneten Sie auch einem jungen Deutschen, der sich ein ganzes Jahr Auszeit genommen hatte, um sich als Wahlhelfer für Ihren Bruder einzusetzen. Wieso war gerade in Deutschland die Begeisterung für Ihren Bruder so groß?

Auma Obama: Die Frage müssen Sie den Deutschen stellen. Ich kann für sie nicht sprechen. Ich freue mich nur, dass sie an meinen Bruder geglaubt haben.

Frederick Lubich: Inzwischen ist Ihr Bruder bereits im dritten Jahr Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Wollen Sie eine Zwischenbilanz ziehen?

Auma Obama: Diese Frage müssen Sie den Amerikanern stellen.

Frederick Lubich: Die Befreiung der Frau und das Glück der Liebe. Schon als freiheitsliebendes Mädchen hatten Sie mehrfach die schmerzliche Erfahrung machen müssen, in einer ausgesprochen patriarchalen Kultur der männlichen Vorherrschaft untergeordnet zu sein und im Scheidungsfall der Eltern dem väterlichen Familienverband zugewiesen zu werden. In Ihrem Erwachsenenleben haben Sie Liebesverhältnisse explizit als Besitzverhältnisse kritisch reflektiert und dennoch immer wieder Ihre ganze emotionale Energie in die Beziehung mit einem geliebten Partner investiert. Sie schreiben: „Rückhaltlos hatte ich mich ihm hingegeben.“ Wie ist eine freie, glückliche und nicht zuletzt gleichberechtigte Liebesbeziehung zwischen den Geschlechtern heute möglich?

Auma Obama: Eine freie, glückliche, gleichberechtigte Liebesbeziehung zwischen den Geschlechtern ist immer möglich. Sie wird immer wieder erlebt. Letztendlich muss man den anderen als Menschen und als ebenwürdigen Partner lieben. Ein guter Freund von mir sagt: Wenn es sich nicht nach Arbeit anfühlt, dann ist es die Liebe.

Frederick Lubich: „Du erwartest zu viel von einem Mann“, hatte Sie Ihre Mutter nach Ihrer zweiten zerbrochenen Liebesbeziehung gewarnt. Hatte sie Recht und gilt das auch für den Mann, der ebenfalls zuviel von der Frau erhofft? Erwarten wir, nachdem wir alle in unserer schönen, neuen Multimediawelt allzuviele melodramatische Liebesfilme voll seliger Augenblicke gesehen haben, letztendlich Unmögliches von unseren Lebenspartnern?

Auma Obama: Vielleicht erwarten wir das Falsche vom Lebenspartner. Mehr und mehr geht es um das Individuum – das Ich-Bezogene. Was will ich? Was macht mich glücklich? Der Andere dient nur dazu, mich glücklich zu machen. So suchen wir unsere Lebenspartner aus. Selten fragen wir uns, was der andere will und ob wir den anderen glücklich machen können. In dem Moment, wo wir das Gefühl haben, der Andere macht mich nicht glücklich, haben wir keine Lust mehr und die Beziehung geht zu Ende. Der Egozentrismus ist ein großes Hindernis für die Liebe.

Frederick Lubich: Willst in die Fremde du wandern, musst mit dem Liebsten du gehen. In dieser Abwandlung eines bekannten Gedichtes von Eichendorff hätten Ihnen wohl Deutschland, England und Amerika als mögliche Wahlheimaten offen gestanden. In welchem Land hätten Sie sich Ihrem Gefühl und Ihrer Erfahrung nach wohl am ehesten selbst verwirklichen können?

Auma Obama: In Deutschland. Dort ist es auch passiert.

Frederick Lubich: Manche von uns Ausgewanderten, die einst der Liebe, der Wander- und Abenteuerlust oder auch nur den besseren Berufsmöglichkeiten in die Ferne gefolgt sind, fühlen sich heute hin- und hergerissen zwischen der Alten Welt und der Neuen Welt. Empfinden Sie manchmal ähnlich gemischte Gefühle zwischen Schwester Afrika und Bruder Amerika oder – um die so realen wie symbolischen Verhältnisse noch weiter zu komplizieren – zwischen Urmutter Afrika und Stiefvater Europa, dem einstigen Kolonialherrn Ihrer Heimat?

Auma Obama: Ich glaube, ich bin inzwischen Weltbürger geworden und fühle mich an vielen Orten zu Hause. Heimat ist für mich dort, wo meine Liebsten sind und die sind überall auf der Welt zerstreut.

Frederick Lubich: Sie haben lange in Deutschland und England gelebt, die Wahrnehmung des Anderen sowohl als Subjekt als auch als Objekt vielfach erfahren, darüber zahlreiche Vorträge und Seminare gehalten und schließlich auch einen Film über dieses Thema gedreht. Hat aus Ihrer heutigen Sicht Multikulturalität in Europa eine wirkliche Chance oder hat es Amerika, wie schon Goethe meinte, auch heute in dieser Hinsicht besser?

Auma Obama: Multikulturalität war nie eine Sache der Wahl. Die gibt es schon immer. Schon seitdem die Menschen Kriege führen, die Welt auf Entdeckungsreisen umsegeln und in neuester Zeit aus Liebe, Wander- und Abenteuerlust oder auch wegen besseren Berufsmöglichkeiten auswandern. In Europa wie auch Amerika gibt es eine Vielfalt von Kulturen und Mischkulturen. Es gibt keine autonome Kultur. Multikulturalität ist eine Tatsache.

Frederick Lubich: Die deutsche neo-expressionistische Malerin Elvira Bach hat sich in den achtziger und neunziger Jahren immer wieder als Afrikanerin porträtiert und dergestalt ihre weibliche Vitalität imaginiert. Können Sie sich mit solchen europäischen Phantasien vom Afrikanisch-Anderen identifizieren?

Auma Obama: Nicht wirklich.

Frederick Lubich: Liest man Ihre Autobiographie aus einer sozial- und kulturkritischen Perspektive, so kristallisiert sie sich immer wieder zu einer postkolonialen und postpatriarchalen Weltanschauung. Wie sehen Sie die Zukunft einer solchen postmodernen Welt?

Auma Obama: Aus meiner Sicht als Afrikanerin hat die Zukunft sehr viel Potenzial und ist voller Möglichkeiten. In jeder Hinsicht ist alles möglich und man darf sich nicht zurückhalten.  Insbesondere Mädchen und Frauen können sich heute viel mehr behaupten und verwirklichen. Ich möchte nicht in einer anderen Zeit leben.

Frederick Lubich:  Die synkretistische Verschmelzung der Weltreligionen ist ein wesentliches Merkmal der New-Age-Philosophie. In Ihrer multikulturellen Familie sind alle drei abrahamitischen Weltreligionen vertreten. Ihre amerikanische Schwiegergmutter ist jüdischer Abstammung, Ihr amerikanischer Bruder ist christlichen Glaubens und Ihr ältester Bruder ist zum Islam übergetreten. Ich bin sicher, Sie und Ihre Großmutter Sarah, die von allen geliebte afrikanische Matriarchin Ihrer weitverstreuten Großfamilie, haben auch noch allerlei Heilsames und Wunderbares aus Ihren eigenen uralten Traditionen beizusteuern. Wie vertragen sich denn all diese Weltreligionen, wenn sich Ihre Familie mal wieder zu einem interkontinentalen Hochzeits- und Familienfest trifft?

Auma Obama: Die Vielfalt in meiner Familie hat dazu geführt, dass wir alle den verschiedenen Religionen sehr tolerant gegenüber stehen. Diese Vielfalt ist für uns auch nichts Besonders. Es geht viel mehr um den Charakter, daran wird man gemessen.

Frederick Lubich: Um noch einmal zum Ausgangspunkt Ihres autobiographischen Bildungsromans, zu Ihren deutschen „Bücherhelden“, zurückzukehren. Wie steht es heute mit dem Interesse an Deutschland, der deutschen Sprache und Kultur und den entsprechenden Studienangeboten in Kenia – und Afrika im Allgemeinen – im Vergleich zu Ihrer Studienzeit?

Auma Obama: Ich kann leider nur spekulieren, dass es in Kenia noch viel Interesse für Deutschland und die deutsche Sprache gibt. In meiner jetzigen Arbeit habe ich weniger mit Studenten und Akademikern zu tun. Wobei ich jetzt wegen meiner Arbeit sehr viel in Deutschland bin. Ich habe Ende letzten Jahres meine Stiftung Sauti Kuu (Kiswahili für “Starke Stimmen“) in Deutschland registriert.

Frederick Lubich: Sprache, vor allem Muttersprache, bedeutet ja immer auch Erinnerung, Zugehörigkeit und kulturelle Identität. Dieser Zusammenhang spiegelt sich auch in vielen Texten der deutsch-amerikanischen Zeitschrift TRANS-LIT2 wider. Ihrer deutschen Autobiographie zufolge sprechen Sie mindestens drei Sprachen fließend. In welcher Sprache würden Sie, wenn Sie die Wahl hätten, am liebsten Ihre Erfahrungen, Gefühle und Gedanken literarisch festhalten und verarbeiten?

Auma Obama: Es kommt darauf an. Für dieses Buch Das Leben kommt immer dazwischen ging es am leichtesten auf Deutsch. Das lag daran, dass ich meine wichtigsten Lebenserfahrungen in Deutschland machte. Meine Leser waren auch in erster Linie die Deutschen. Ich fühlte, dass sie sofort verstehen würden, wovon ich sprach. So habe ich das Buch so geschrieben, als würde ich ihnen meine Geschichte erzählen. Ein anderes Buch hätte ich eventuell auf Englisch geschrieben. Damit will ich sagen, dass die Sprache sich an die Erfahrungen, Gefühle und Gedanken anpassen muss. So wird sie ausgewählt.

Frederick Lubich: Wenn Sie ein oder zwei Gedichtzeilen oder Merksprüche aus der deutschen Literatur und Kultur zitieren wollten, welche würden Sie wählen? Und vielleicht können Sie sie mit einer afrikanischen Lebensweisheit ergänzen?

Auma Obama: Auf Anhieb fällt mir aus der deutschen Literatur nichts Passendes ein. Dafür habe ich aber neulich eine Weisheit vom Dalai Lama gelesen, die für unsere Zeit und die ewige Suche nach der großen Liebe ziemlich zutreffend ist: „Bedenke, dass die beste Beziehung die ist, in der jeder Partner den anderen mehr liebt als braucht.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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