Jan 2019
“Plötzlich liegt die Vergangenheit vor uns”
Eine Interview mit Anne Weber zu ihrem Familienbuch Ahnen
Anne Weber was born in Offenbach in 1964 and now lives in Paris, where she works as a writer and translator. She translates German authors into French (Wilhelm Genazino and Sybille Lewitscharoff among others) as well as French authors into German (among them Pierre Michon and Marguerite Duras). She has received numerous prizes for her work, including the 2010 Kranichstein Literature Prize. Weber writes her own books in both German and French.
Anne Weber’s works include: Tal der Herrlichkeiten (2012), August. Ein bürgerliches Puppentrauerspiel (2011), Luft und Liebe (2010), Gold im Mund (2005), and Erste Person (2002).
Das Gespräch über Ahnen (2015) führte Helga Druxes.
Helga Druxes: Kann man sich aus einer Familie auch herausschreiben? Kann man es?
Anne Weber: Nein, kann man natürlich nicht. Man kann höchstens versuchen, sich in einer Art Abwehrreaktion vielleicht zu lösen, und sich ihr zu nähern natürlich auch, aber man kann sich nicht wirklich aus der Familie hinausschreiben, . . . genau so, wie man sich auch nicht aus einem Land herausschreiben kann. Es gibt ja die Versuchung, sich aufzumachen und abzuhauen in andere Gegenden, damit mein’ ich jetzt nicht nur Frankreich –ich bin nach Frankreich gegangen, Sebald ist nach England gegangen. Es gibt ja auch die Versuchung, bei einigen hat es das gegeben, sich eine jüdische Identitiät anzueignen und sich sozusagen auf die andere Seite zu schlagen. Das kann ich auch sehr gut nachvollziehen, obwohl ich es nicht versucht habe und auch nicht machen würde. Aber diese Versuchung gibt es, man möchte ja nicht gerne deutsch sein. Aber damit muß man leben, da kann man sich nicht rausschreiben.
HD: In Ahnen gelingt Ihnen ein Spagat zwischen den Jetztzeit und dem Damals: wir erfahren, was damals war, ohne die heutige Perspektive aufzugeben. Würden Sie diese Entscheidung kommentieren?
AW: Ja, ich glaube tatsächlich, dass das etwas Besonderes ist an dem Buch und es ist mir relativ schnell klargeworden als ich anfing zu schreiben daran, dass ich diese Vergangenheit nicht würde beschreiben können – also die Zeit meines Urgroßvaters erstmal—als etwas Abgeschlossenes, von mir ganz und gar Getrenntes, was dann irgendwann stattgefunden hat, und was ich versuche zu rekonstruieren. Und womöglich wie man es im historischen Roman macht, dass man Leute sprechen läßt und das so wieder auferstehen läßt in der Zeit.
HD: Ja, vielleicht weil es so lange her ist, ist es noch besonders schwierig.
AW: Es ist nicht so sehr, dass es schwierig ist, es ist wirklich, weil meine Haltung zu der Vergangenheit ‘ne andere ist und auch gerade besonders in diesem Buch, weil es auch um meine Familie, nicht nur um die Vergangenheit insgesamt die nationale von mir aus, oder die europäische, sondern die familiäre geht, so wurde mir ziemlich schnell klar, dass ich weniger diese Zeit beschreiben würde und weniger bestimmte Fakten darlegen, die ich auswendig . . . kein geschlossenes Bild dieser Vergangenheit würde herstellen können, sondern meinen Weg zu der Vergangenheit hin. Und dass daraus dann so etwas entstehen würde wie eine Reise in die Vergangenheit; also eine Art Reisejournal, aber nicht an einen Ort (obwohl Orte natürlich besucht werden), aber in eine andere Zeit. Dass man also bei dieser Reise nie ankommt und sagt, jetzt bin ich da, so ist es gewesen, und so haben die gelebt und so haben die gedacht sondern, dass es ‘ne Annäherung ist und das Bild, das entsteht, glaub’ ich, von dieser Vergangenheit ist kein festes rigides, sondern es ist eines, was auch in Bewegung ist, und dann hab’ ich zufällig als ich aber das Buch schon angefangen hatte, von Gustav Landauer dieses Zitat gefunden zur Vergangenheit, das stimmte nun wirklich recht genau überein mit dem, was ich mir auch schon so gedacht hatte. Er sieht also zwei Vergangenheiten an, einmal die Vergangenheit, so wie es war, also was jetzt im nächsten Augenblick schon vorüber ist, und wo wir im Grunde keinen Zugang mehr dazu haben. Das ist diese abgeschlossene Vergangenheit, die es ja auch gegeben hat, aber die uns nicht mehr zugänglich ist. Und dann gibt es eine andere Vergangenheit, die wir erst schaffen, indem wir uns auf sie zubewegen oder indem wir uns mit ihr beschäftigen, und indem wir uns in sie hineinvertiefen. Und das ist im Grunde dann ‘ne Vergangenheit, die nicht mehr hinter uns liegt sondern vor uns. Das gibt dann ein ganz schönes Paradox, dass die Vergangenheit plötzlich etwas ist, was vor uns liegt, was mir sehr gut gefallen hat. Das ist eine veränderbare, das ist nicht ein für allemal so fixiert, ja, das ist etwas Flexibles.
HD: Auch je nachdem, was man noch entdeckt.
AW: Genau, die Vergangenheit am Anfang des Buches, die wahrscheinlich ‘ne andere als die am Ende.
HD: Glauben Sie, dass es aus der Distanz eines anderen Landes leichter fällt, diese Aufgabe auszuführen? Schwer ist diese Aufgabe ja auf jeden Fall. Oder spielt das keine Rolle?
AW: Doch, ich denke unbedingt, dass es leichter fällt. Im Zusammenhang mit der deutschen Vergangenheit dann auch leichter als wenn ich in Deutschland geblieben wäre. . . Ich bin mit 18 aus Deutschland weggegangen und hatte noch nie einen Juden gesehen. Ich hatte auch das Gefühl, es gibt keine mehr. Wir haben sie alle umgebracht. Ich hab’ dann zum ersten Mal in Frankreich Juden überhaupt getroffen. Im Grunde merkt man ja auch, das haben Sie sicher auch gemerkt, man merkt ja eigentlich nur im Ausland, findet man zu einem Bild davon, was man selbst ist, wenn man von den anderen gesehen wird. Wenn man sich immer nur von Deutschen gesehen sieht, also gesehen wird, dann ist es ein ganz und gar ungenügendes Bild, was man von sich hat. Es ist im Grunde, als würde man sich selbständig im Spiegel angucken und davon hätte man auch keinen Eindruck.
HD: Sie haben in Ihrem Buch auch einmal gesagt: “Ich verkehre nur mit Menschen, nicht mit Generationen.” Das macht das Buch sehr persönlich. Sie versuchen nicht, den Urgroßvater in eine bestimmte Generation von Nationalisten einzuordnen. Vor dem ersten Weltkrieg waren viele Deutsche sehr national eingestellt. Man kann es u.a. bei Victor Klemperer nachlesen, der ja so akribisch Tagebuch geführt hat. Aber Sie versuchen eben nicht nur, diese Person in eine bestimmte Schublade oder Kategorie typischer Deutscher einzuordnen. Sondern sich ihm wirklich als Individuum anzunähern. Weil er ja ungewöhnliche Entscheidungen getroffen hat. Seine Neustarts zum Beispiel, völlige Kehrtwenden. “Dieser Beruf sagt mir nicht zu, ich fange noch einmal neu an.”
AW: Unbedingt. Und dieses letzte Werk Deutsche Bauhütte ist schwierig. Sicher, er hat sich ja vorgestellt, daß die ganze deutsche Gesellschaft das so lesen könnte. Er hat das ja leicht schreiben wollen, als eine leichte Lektüre, aber das ist ihm nicht gelungen.
HD: Seine Idee war ja, einzelne sollen einen Wiederaufbau leisten.
AW: Ja, aber nur so ganz kleine Zellen. Auf keinen Fall größere Zusammenhänge, weil er gegen die repräsentative Demokratie war, wollte er die Verantwortung nicht abgeben an andere. Und in größeren Gruppen geht es ja dann irgendwann nicht mehr anders. Aber überhaupt die Idee, dass jemand in diesen Jahren der Empörung, wo ganz Deutschland geschrieen hat nach . . . diese ganzen Reparationszahlungen waren ja sehr hoch und wurden von so gut wie allen als viel zu hoch eingestuft. Als Ungerechtigkeit. Und dass in dieser Stimmung, in dieser Wut, jemand genau das Gegenteil sagt. Er sagt, wir haben uns jetzt dazu verpflichtet, er redet da eigentlich gar nicht viel darüber. Das läßt er ja nebenbei und fordert aber dann etwas, was ganz unabhängig für ihn von den Versailler Verträgen und Reparationszahlungen ist: nämlich auf das eigene Gewissen zu hören, und hat man selbst, also habe ich irgend etwas geleistet, um dieses Unrecht wieder gutzumachen? Aber da spielte sicher auch sein eigenes Schuldbewußtsein ‘ne große Rolle, weil er auch in die Kriegstrompeten geblasen hat am Anfang und sehr nationalistisch und militaristisch gedacht hat am Anfang des Krieges. Ja, aber solche Sachen sind nicht generationstypisch, der Nationalismus, der preußische Militarismus, das sicher schon. Aber das ist ein bisschen auch das, was mein Buch unter Anderem unterscheidet von einem geisteswissenschaftlichen Werk. Als Geisteswissenschaftler ist man ja gezwungen, auch größere Zusammenhänge einzubeziehen und in Tendenzen und Generationen zu denken und das ist ja nicht mein Ziel gewesen.
[Um mein Anliegen zu verstehen] Vielleicht sollte man insistieren auf diese Vorgehensweise, wie ich das vorhin beschreiben habe. Der Anfang des Buches ist ja schon so, dass es immer auch darum geht, wie die Vergangheit in die Gegenwart hineinreicht. Wie sie sich verlängert bis heute. Es gibt einige Bücher, so Vergangenheitsbewältigungs-bücher, bei denen aber, glaub ich, die Vergangenheit als etwas, was man aus der Ferne anschaut und begutachtet, vielleicht hält man sich zurück, zu urteilen. Aber man sieht das so als etwas, was eigentlich mit einem Selbst wenig zu tun hat, was man nicht versteht. Man versucht es vielleicht, es zu verstehen, aber es ist so in die Ferne gerückt und man schaut da so drauf. Ich habe versucht, nicht absichtlich so versucht, sondern es ist einfach aus meiner Erfahrung mit . . . wahrscheinlich auch weil ich im Ausland lebe, als in Frankreich Lebende, immer konfrontiert wurde mit dem Bild des Deutschen und dieser deutschen Vergangenheit, hab’ ich versucht, die Vergangenheit zu beschreiben als etwas, was mich jetzt ständig heute angeht, und nicht als etwas, was es nur noch so aus der Ferne zu analysieren gälte. Und vielleicht kann man ‘ne Parallele ziehen zu heute, das tun ja Historiker auch, aber ansonsten ist das abgeschlossen und in so ‘ner Kapsel, irgendwo weit weg.Es ist die Rede im Buch auch von gewissen Strömungen, es gibt den Ausdruck, den Begriff, der mir jetzt nicht einfällt, Eugenik. Und solche Bewegungen wie Nationalismus sowieso—das sind Sachen, die ich ja erwähne, und die den Urgroßvater durchaus angehen, wovon er betroffen ist. Trotzdem versuche ich, ihn als Individuum zu sehen. Sonst könnte man ja das Buch einer Generation schreiben. Da bräuchte man sich ja überhaupt nicht mehr für einzelne Menschen zu interessieren. Natürlich ist jeder, sind wir auch, in unserer Zeit verhaftet, sind diesen Einflüssen ausgesetzt und können uns nicht dem allen ganz entziehen. Trotzdem sind wir doch völlig verschiedene Individuen. Es muß sich doch jemand auch für diese Individuen interessieren. Wer, wenn nicht ein Schriftsteller?
HD: Was ich eben auch ganz hoffnungsvoll an Ihrem Buch finde, ist, dass Ihr Urgroßvater seine Meinung auch oft geändert hat. Wenn er einmal in seinem Tagebuch aus dem Kontext seines eigenen Unglücks anzweifelt, dass geistig Schwerbehinderte vom Staat unterstützt werden sollten,—eventuell gab es ja auch Probleme mit seiner Frau Emma, die psychischer Art waren, wo er vielleicht da gedacht hat, was macht man denn mit solchen kranken Menschen? Dass er da diese harte Frage stellt. Darauf kann man ihn aber gottseidank nicht für den Rest seines Lebens festnageln. Er hat auch ganz andere Sachen gedacht und gesagt.
AW: Ja.
HD: Wenn er das in sein Tagebuch schreibt, ist es noch etwas anders, als wenn er das in Deutsche Bauhütte geschrieben hätte. Er war ehrlich…
AW: … zu sich selbst. Das ist etwas ganz Wichtiges, was ich mit herausgefunden habe. Es ist eigentlich auch vorher schon bekannt gewesen, aber man macht sich’s nicht so richtig bewußt, dass man so einen Satz oder überhaupt nichts von dem, was je in der Vergangenheit geäußert worden ist, je noch einmal wird lesen können, so wie er gesagt oder geschrieben worden ist. Dass es einfach weg und vorbei ist. Das Verständnis oder die Intention, die man damals hatte, als Leute das gesagt oder geschrieben haben, das ist von uns aus nicht mehr zugänglich. Man kann einfach einen solchen Satz heute nicht mehr lesen, ohne zu denken, dass diese Leute ja ermordet, vergiftet worden sind, und zu zig Tausenden. Das gilt einfach als ‘ne Unmöglichkeit, dass man plötzlich jetzt so tut, als wüsste man das nicht. Man kann und will es nicht ausklammern, aber man kann nicht diesen Satz lesen und denken: na ja, das ist ja klar, wenn der das so gesagt hat, der hätte das dann auch gemacht. Wenn der das so sagt, dann musste es ja so kommen. Er war in einer ganz bestimmten Situation seines Lebens, in der persönlichen Not, Ausweglosigkeit, moralische Not—gesagt hat, weil er’s auch in einer Situation der Betroffenheit, wo er Leute die litten, gesehen hat. Er wollte wahrscheinlich, dass die aufhören zu leiden.
HD: Ja, er war davon auch überfordert.
AW: Also, ich behaupte, das kann ich natürlich nicht beweisen, dass er das so gesagt hat, dass er aber nie derjenige gewesen wäre, der das wirklich gemacht hätte.
HD: Deutsche Bauhütte kommt ja aus einem ganz anderen Impuls. Unter extremem Stress sagen oder denken Leute harsche Dinge. Aber es ist auch gut, wenn sie sich die nicht verbieten, sondern sie herauslassen. Jemand weiß, ich komme hier in Versuchung, etwas zu tun, was mein Gewissen mir verbietet. Und es dann trotzdem nicht tut.
AW: Ja hm. Deswegen tu’ ich ihm ja, ich sag’s ja auch, unrecht, dass ich diesen Satz überhaupt öffentlich mache, ihn dann noch wiederhole.
HD: Sie haben den nun gefunden, es ist auch schwer, ihn dann wieder zu vergessen.
AW: Ich schreibe glaub’ ich, sogar dazu, dass es ungerecht ist, weil es etwas ans Licht rückt und insistiert auf etwas, was ein Satz von zig—der hat ja sehr viel geschrieben, der Mann. Allein die Tatsache, dass ich nie ein antisemitisches Wort drin gefunden habe in diesen Aufzeichnungen. Das ist schon ungewöhnlich.
HD: Mir ist aufgefallen, dass sie ihn als Hiobsfigur einführen, als jemanden, der mit Gott hadert. Sie kommen auch später noch einmal auf diese Idee zurück. Was sagt das über seine Gesellschaft damals aus, wenn er sich so in die Enge getrieben fühlt? Wenn er sich so ernsthaft mit Dingen auseinandersetzt, die ihm sehr wichtig sind in seiner Beziehung zu Gott? Mit seinem Mentor Hesekiel nimmt er das auch sehr Ernst, dass er ihn in seiner Krise bemitleidet.
AW: Ja, das war ja das Schlimmste für ihn, diese Liebkosung, diese freundliche Geste. Sein Stolz, diese Demütigung einer freundlichen Geste—das ist verrückt. Dieses ganz schwierige Verhältnis zu seinem Christentum und zu seinem Glauben, das ist in meiner Sicht, der christliche Glaube bis zum Schluss geblieben. Obwohl er dann unter dem Einfluß von Nietzsche und sicher auch anderen Lektüren diese Abkehr – Abkehr ist es ja nicht, sondern eine Wut dem Christentum gegenüber entwickelt. Die aber bei Nietzsche auch nicht ein wirkliches Nichtglauben, ein Atheismus oder dass man denkt, ‘Gott ist tot’ das heißt jetzt, also der Mann war Atheist, das ist ja Quatsch, der ist ja auch Christ geblieben bis zum Ende seines Lebens. Das war bei dem Florens Christian ja ganz ähnlich: die Unmöglichkeit, diesen Glauben abzulehnen. Vielleicht ist das die letzte Generation, die noch . . . Also der eine Sohn, also mein Großvater, der wurde ja dann auch sehr gläubig. Vielleicht ist es dann mit der übernächsten Generation.
HD: Wer war sehr gläubig—der SD-Mann?
AW: Der wurde es nach dem Krieg.
HD: Warum hat er sich Florens, also ‘der Blühende,’ genannt?]
AW: Er hat das Christentum abgelehnt, von sich geworfen und es ist wie ‘ne Wiederauferstehung. In dem Moment als er aus dem Pfarrberuf scheidet, als er wieder in die Verwaltung zurückgeht und also …
HD: Sie arbeiten ja nicht nur als Autorin, sondern auch als Übersetzerin. Sehen Sie Parallelen zwischen der Analyse einer vergangenen Zeit und der Arbeit des Übersetzens? Gibt es Affinitäten zwischen der Arbeit als Übersetzerin zwischen zwei Kulturen und Sprachen und dabei, eine vergangene Epoche in die Gegenwart herüberzubringen?
AW: Das ist eine sehr schöne Frage. Ich finde, es gibt einen Zusammenhang. Nämlich insofern, dass die Wörter ihren Sinn ändern und man tatsächlich versucht ist, eine Übersetzung anzufertigen. Es sind ja bestimmte Begriffe, die auftauchen. Zum Beispiel der Ernst, der Glaube, andere Begriffe noch. Wenn jemand heute sagt “ich bin gläubig” bedeutet das einfach absolut nicht mehr dasselbe, wie wenn das mein Urgroßvater gesagt hat. Tatsächlich ist das Buch ein Versuch, eine Annäherung. Man könnte vielleicht auch sagen, der Versuch, diese Sprache von früher, die ganze Sicht der Welt in eine heutige Sprache zu übersetzen. Und ich versuche das mithilfe von Bildern. Ich glaube, an einer Stelle frage ich mich, ob es nicht so wäre, als ob in zwei Generationen jemand nicht mehr das Wort Liebe verstehen würde. Also einfach deutlich zu machen, zunächst mal mir selbst deutlich zu machen, wie die Sprache sich verändert und wie dann mit dieser Veränderung der Sprache gewissermaßen der Boden, auf dem wir stehen, ins Schwanken gerät und will gar nicht mehr genau wissen, was gemeint ist, wie wir uns da orientieren können. Eine Unsicherheit kommt rein, wenn man merkt, es verändert sich ja alles, darauf kann ich mich ja gar nicht verlassen. Ich kann nicht jetzt ein Buch wie Deutsche Bauhütte mit meinem heutigen Blick lesen und könnte das eben so verstehen, wie die es verstanden haben. Die Emotionen, die dahinter stehen, die sind schwierig, und eben die Sprache ist nicht mehr dieselbe. Vielleicht sind die Wörter noch dieselben, aber vor allem der Sinn, der mit diesen Wörtern verbunden ist, hat sich geändert und das macht die Sache doch sehr unsicher, und da kann man sich eigentlich nur so vortasten.
Und das versuche ich.
Ich glaube, dass es bleiben wird als eines der Bücher, die sich mit dieser Zeit auseinandersetzen.
For more on Anne Weber’s Ahnen, see Helga Druxes’ article “Transgenerational Holocaust Memory in Anne Weber’s Ahnen and Esther Kinsky’s Am Fluß” in Feminist German Studies 34 (2018).