Sep 2020

III. (N-)ostalgische Reminiszenzen: Eine Jugend in Ostdeutschland

Eine Jugend in Ostdeutschland –

 

Überleben im Untergrund der Musik

 

Anja Moore, Chesapeake, Virginia

 

 

Alt möcht ich werden
Alt möcht ich werden wie ein alter Baum,
mit Jahresringen, längst nicht mehr zu zählen,
mit Rinden, die sich immer wieder schälen,
mit Wurzeln tief, daß sie kein Spaten sticht.
In dieser Zeit, wo alles neu beginnt,
und wo die Saaten alter Träume reifen,
mag wer da will den Tod begreifen –
ich nicht!

Alt möcht ich werden wie ein alter Baum,
zu dem die sommerfrohen Wandrer fänden,
mit meiner Krone Schutz und Schatten spenden
in dieser Zeit, wo alles neu beginnt.

Aus sagenhaften Zeiten möcht ich ragen,
durch die der Schmerz hinging, ein böser Traum,
in eine Zeit, von der die Menschen sagen:
Wie ist sie schön! O wie wir glücklich sind!

Louis Fürnberg, „Alt wie ein Baum“ (1951)

 

Meine Jugendzeit in den 80er Jahren in der DDR war von einem brennenden Verlangen nach Freiheit geprägt. Damals hatte meine Generation schon eine Vorahnung, dass das alles nicht länger so weitergehen konnte. Der Gedanke an das resignierte und unzufriedene Dasein unserer Eltern war einfach unerträglich. Ihre Existenz stellte einen Vorschatten unserer eigenen Zukunft dar und musste aus reinem Idealismus abgelehnt werden. Ich wusste schon im Alter von vierzehn Jahren, die ich im damals fast schon vierzig Jahre existierenden Arbeiter- und Bauernstaat gelebt hatte, dass unsere einzige Chance, dem sozialistischen Persönlichkeitsideal zu entfliehen, auf die wenigen Jahre unserer Jugend beschränkt sein würde. Die DDR-Erziehung an den Kindergärten und Schulen hatte unsere Sinne gegenüber der marxistisch-leninistischen Propaganda abgestumpft, aber wenn es ums Jenseits der Ostblockgrenze ging, wurden wir hellwach. Dieses Leben im Zwiespalt zwischen Resignation und Rebellion ließ uns etwas schneller erwachsen werden und besonders auf den Dörfern wurden die Diskos zum Brennpunkt unseres (wenn auch nicht unbedingt heldenhaften) Widerstandes. Das letzte Jahrzehnt vor der Wende war von einer größeren Toleranz gegenüber passiv-aggressiven Aufbegehrungen der Jugend geprägt. Es wurde öfter ein Auge zugedrückt, wenn durch unsere Musik- und Modewahl die Gleichförmigkeit und Unterdrückung des Individuums nicht nur kritisiert, sondern sogar herausgefordert wurde. Wir ließen keine Chance ungenutzt, und bevor wir uns vom artigen Kindesalter wieder in die Untertänigkeit und Fügsamkeit der Erwachsenenwelt hineinzwängen ließen, zeigten wir dem Staat erst einmal richtig die Zähne.

Musik spielte in der spannungsgeladenen Vorwendezeit besonders für die Jugend eine wichtige Rolle. Es gab Ostmusik, und es gab Westmusik. Diese geografisch und somit auch politisch getrennten Genres verkörperten stark die Zwiespältigkeit einer Welt, in der sich die Bevölkerung der DDR zurechtfinden musste. Musik war so viel mehr als nur Gesang und Harmonie. Durch ihren weitreichenden Einfluss auf die Öffentlichkeit auch über ostdeutsche Grenzen hinaus wurde Musik zum Aushängeschild des Sozialismus, während der Staat sein Bestes tat, um den Einfluss westlicher Klänge zu dämpfen. Zukünftige Liedermacher und Komponisten wurden sorgfältig vom DDR-Staat geprüft und ausgewählt. Wer ideologisch fit war und sich dem Sozialismus und der Partei verpflichtete, erhielt eine erstklassige Ausbildung und durfte öffentlich auftreten und damit die DDR repräsentieren. Eine der bekanntesten ostdeutschen Bands waren die Puhdys. Ihr Ohrwurm „Alt wie ein Baum“ pulsierte Ende der 70er Jahre wie eine Hymne durch den ostdeutschen Äther. Die immense Popularität dieses Liedes ist wahrscheinlich auf dessen eingängige, von jenseits der Mauer importierte Melodie zurückzuführen. Vergleicht man die ersten Takte mit dem Anfang des Queen Songs „‘39“, kann man deren Ähnlichkeit unmöglich verleugnen. Hatte der Staat wirklich nicht damit gerechnet, dass fetzige Westmusik auch von unseren überzeugtesten Musikern gehört und ihr sogar nachgeeifert werden würde?

Der Text des sozialistischen Liedes war natürlich auch sehr wichtig und sollte unmittelbar die Werte und Sentimente des Sozialismus widerspiegeln. Anhand des Beispiels der Puhdys und ihres großen Hits lässt sich allerdings feststellen, dass man kompromissbereit sein musste, wenn man sich zu den erfolgreichen Bands des Ostens zählen wollte. Das beschränkte oftmals den Gesangsstoff auf neutrale, lyrische Themen, die Raum zur politischen Interpretation ließen.

„Alt wie ein Baum“ greift ein uraltes Thema, den Wunsch nach Unsterblichkeit auf, geht aber noch ein Stückchen weiter und verlangt sehnsüchtig nach einer besseren Zukunft: „Alt wie ein Baum mit einer Krone die weit […] über Felder zeigt.“ Meinten die Felder hier eine Grenze, die es endlich zu überwinden galt? Die Puhdys fanden Inspiration in Louis Fürnbergs Gedicht „Alt möcht ich werden.“ Fürnberg, bekannt für seine Lyrik, wurde in der DDR auch als Verfasser des berühmt-berüchtigten „Lied[es] der Partei“ gefeiert. Zufall? Wenn man ein bisschen tiefer schaut, entpuppen sich die Puhdys als eine Band, die sich am Anfang ihrer Karriere nicht davor scheute, mit dem Status Quo zu brechen, auf Englisch zu singen und das Regime zu kritisieren. Der Staat drohte mit Auftrittsverboten, und die Rockgruppe passte sich an und sang in den 70er-Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Karriere meistens auf Deutsch. Die musikalische Referenz zum geachteten Dichter des Kommunismus war ein wichtiger Schritt in Richtung Wiederversöhnung mit dem Staat, und diese Geste wiederum garantierte das Überleben und den Erfolg der Puhdys innerhalb staatlicher Beschränkungen. Es war gefährlich, sich öffentlich gegen den Sozialismus auszusprechen. Wer sich weigerte, verschwand von der Bildfläche und es wurde keine Mühe gescheut, Staatsfeinde systematisch zu diskreditieren, um sie letztendlich loszuwerden. Am Beispiel von Wolf Biermann kann man diese Methoden nachvollziehen: Verleumdung. Schwarze Liste. Entzug der Bürgerrechte. Ausbürgerung.

Meine Erinnerungen an die DDR-Musik der 80er Jahre hält sich in Grenzen. Natürlich kannten wir die beliebtesten Gruppen wie Karat, die Puhdys und City und deren Hits, da sie immer wieder im Radio zu hören waren. Durch ihre Balladen sprachen sie wehmütig zu uns von fremden Welten, die nur über Hindernisse zu erreichen waren, wie zum Beispiel in Karats frühem Hit „Über sieben Brücken musst du geh’n, sieben dunkle Jahre übersteh’n.“ Später warnte Karat mit ihrem Lied „Der blaue Planet“ vor der Zerstörung unserer Welt. Waren es Sorgen um die Umwelt oder um den Kalten Krieg? Die Nachricht scheint oft mehrdeutig und versteckt. Ost-produzierte Musik allein war aber nicht in der Lage, unseren inneren Drang nach fernen Ländern und echter Freiheit zu stillen, waren die DDR-Musiker und Liedermacher doch selbst gefangen, zensiert und genauso einer hoffnungslosen Zukunft ausgeliefert wie wir.

Die 80er Jahre brachten auch im Osten eine Art selbstgemachten Fortschritt. Geheime Bürgerinitiativen, die aber wegen ihrer immensen Popularität und Partizipation der allgemeinen Bevölkerung in Wirklichkeit gar nicht geheim gehalten werden konnten, trugen dazu bei, dass es auf einmal mehr westliche Kanäle auf dem ostdeutschen Bildschirm gab. Dank einer neuen Antenne am Waldrand etwas außerhalb des Dorfes, der den höchsten Punkt unseres Ortes markierte, konnte man nun endlich auch Westfernsehen ohne die gewöhnlichen Störungen empfangen und dazu noch etliche Privatsender sehen. MTV erschien zum ersten Mal in unseren schwarz-weißen Flimmerkisten und breitete vor uns ein Buffet verbotener Musikstile und deren visueller Verarbeitung durch Musikvideos aus. Wer hörte da schon Balladen und Schlager, die auf sozialistischem Boden gewachsen waren? Wer wollte schon länger Musik, die einen eher beruhigenden und melancholischen Effekt hatte und uns immer wieder ins Koma unseres Daseins einzulullen versuchte? Es gab nicht vieles, worüber wir Kontrolle hatten, aber unsere Ablehnung der erlaubten Musik gab uns in diesem Moment Macht.

Mit dem Aufkommen der Beat-Musik in den 50er Jahren, die von Walter Ulbricht, dem damaligen Parteichef der DDR, stark verpönt wurde, öffnete sich erst zögernd und dann immer weiter die Tür zur Rock ‘n’ Roll Musik zehn Jahre später. Zu meiner Zeit in den 80er Jahren hatten sich diese Klänge weiterentwickelt und fanden jetzt ihren Ausdruck in Punk, New-Wave, Heavy Metal und Gothic Rock. Diese Musik war schräg, sie war laut, sie war auf Englisch, sie war über alles bei der Jugend beliebt, von den Erwachsenen verpönt und vom Staat gefürchtet. Der Widerstand war einfach und bedurfte nur der richtigen Schminke und Klamotten. Ein Outfit und eine Frisur wurden auf einmal zum Aushängeschild des Widerstandes, und oft glaubten wir nicht einmal selbst an einen Gott, dessen Kreuz wir rebellisch um den Hals gehängt zur Schau stellten.

Auf einem Ausflug in die nicht weit von meinem Dorf entfernte Großstadt Chemnitz, die in der Nachkriegszeit nach dem Verfasser des Kommunistischen Manifests in Karl-Marx-Stadt umbenannt wurde, bekam man diese Jugendszenen schon auf den Straßen zu sehen: Schwarze Kleidung, schwarz umrandete Augen im Kontrast zum blass geschminkten Gesicht waren das Markenzeichen der sogenannten „Gruftis“, später als Gothics bekannt. Die Gruftis waren ein einziger modischer Protest: gegen den Staat, gegen die Gleichförmigkeit, gegen das verordnete Jugendbild. Man wollte auffallen. Man wollte provozieren. Man wollte anders sein. Viel später stellte sich heraus, dass sich hier auch eine aktive Untergrundbewegung der Musikszene entwickelt hatte, die erst heimlich in den Wohnzimmern ihre eigene Musik zusammenbastelte und später auch öffentlich in den Kirchen auftrat. Diese Wohnzimmer-Bands schrieben auf einmal Texte, die schonungslos vom Staat Abstand nahmen und sich auf die Gefahr hin, eingesperrt zu werden, ungehemmt gegen das System auflehnten. Aufgrund der immer noch effektiven Überwachungsmethoden der Stasi blieben solche Bands vor uns verborgen und existierten mehr im Untergrund.

Karl-Marx-Stadt, im Volksmund wegen seiner einst industriellen Silhouette auch Ruß-Chamtz genannt, lebte durch die Schilderungen meiner Großeltern in mir weiter. Im Krieg hatte es viele seiner namensgebenden Schornsteine und vorkriegszeitlichen Architektur eingebüßt und war somit zum Aushängeschild des Sozialismus samt Namensänderung geworden: einförmige, langweilige Betonwüste ohne jegliche Kreativität, ohne Charme. Zu tun gab es hier nicht viel und ein seltener Besuch in die Stadt, um im einzigen Kaufhaus Schlange zu stehen und ein Jugendweihekleid zu ergattern, wurde zum deprimierenden Bummel entlang der großzügig ausgelegten und im Winter eiskalten, zugigen Straße der Nationen. Diese schien ironischerweise nie belebt. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich immer meinen Schritt beschleunigte, wenn ich am nicht weit entfernten Karl-Marx-Nischl vorbeieilte. Der riesige Granitblock, der 1971, im Jahr meiner Geburt, errichtet wurde, hatte etwas Imposantes, Furchterregendes an sich, schien aber inmitten dieser leeren, zementierten Welt wie der Hüter des Betons, ein heidnisches Idol, das angebetet werden wollte.

File: Bundesarchiv Bild 183-K1106-0062, Chemnitz, Karl-Marx-Denkmal, Karl-Marx-Allee.jpg

 

Kein Wunder, dass die Jugend hier ihren Widerstand offener zur Schau trug. Die meisten von uns auf den Dörfern gingen brav zur Schule, wo wir den sozialistischen Anforderungen der Autorität gerecht wurden, Omas Kette mit dem Kreuz unterm Pullover versteckten, die Augen weniger stark anmalten und die schwarzen Klamotten zu Hause ließen. Unsere Zeit kam am Abend, wenn wir wie Vampire aus unserem Sarg der Konformität herauskletterten, um uns so richtig auszutoben. Die Vorbereitung auf die örtliche Disko war ein Ritual, das sehr ernst genommen wurde. Wir scheuten keine Mühe und unsere Kreativität war unbegrenzt. Wer nähen konnte, lernte, Opas alte schwarze Hose abzuändern, so dass sie jetzt zum Outfit passte. Schwarzer Stoff, wie alle anderen begehrlichen Produkte, war Mangelware, und wir durchstöberten die vergessenen Kisten auf dem Oberboden nach wiederverwendbaren Materialien, die recycelt und umfunktioniert werden konnten. Es war eine Zeit des ständigen Mangels, die unglaubliche Fähigkeiten und grenzenlose Kreativität in uns erweckte.

Viel gab es im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat für eine rebellierende Jugend nicht zu tun, und dieser Mangel nicht nur an Konsumgütern, sondern auch an Möglichkeiten, so richtig Dampf abzulassen, unterstützte die Gründung der dörflichen Diskos, die zu meiner Zeit wie Pilze aus dem Boden schossen. Auch ohne Handy und Internet wussten wir immer ganz genau, wo in der Umgebung eine Disko stattfand und bereiteten uns dementsprechend vor. Lokale Jugendklubs, die offiziell von der FDJ gesponsert wurden, aber am Ende wenig mit der Förderung des sozialistischen Persönlichkeitsbildes zu tun hatten, organisierten solche Tänze in den Turnhallen und Gasthäusern der Umgebung. Unvorstellbar für heute, wurde ich schon mit vierzehn mit elterlicher Erlaubnis und beschützt von zwei älteren Brüdern in die Diskoszene eingeweiht. Diese Treffpunkte hatten etwas Kultmäßiges und waren so populär, dass man stundenlanges Schlangestehen bei Regen und Kälte gerne in Kauf nahm. Am Ende war es dann des Wartens wert. Die Musik dröhnte und pulsierte meistens auf Englisch und gegen die staatliche Vorschrift, dass auf öffentlichen Veranstaltungen sechzig Prozent der Musik ostdeutschen Ursprungs sein musste, durch den dunklen, mit Menschen vollgestopften, rauchgefüllten Raum. Hier wurden die Jugendlichen zu Disko-Freaks und bewegten sich wie in Trance zur Musik von The Cure und Depeche Mode oder sprangen wie wild zu Billy Idols „Hey, little sister“ aus seinem Song „White Wedding“ über die aus den Fugen platzende Tanzfläche. Später drängten sich die Mädchen auf den stinkenden Toiletten vor die Spiegel, um das hochtoupierte Haar mit Unmengen von Haarspray gegen die Schwerkraft wieder aufzuplustern. Zu dieser Zeit wurden die wöchentlichen Diskobesuche zum Highlight unserer Existenz.

Das Wort Disko bedeutete damals so viel mehr als heute, und das gesamte Konzept ist nicht einfach zu erklären. Für die ostdeutsche Jugend wurde das Nomen zum Synonym für Freiheit und Rebellion, vertiefte in uns das Gefühl der Hoffnung und verstärkte unseren Überlebensdrang. Obwohl Mitte der 80er Jahre niemand ahnen konnte, dass die Mauer noch im gleichen Jahrzehnt fallen würde, behaupte ich gern, dass diese Wende für uns eine natürliche Fortsetzung von dem war, was in unseren Herzen schon lange existiert hatte. Vierzig Jahre der Unterdrückung hinterließen ihre Spuren an jeder vom Kommunismus eingeschränkten und seiner Freiheit beraubten Generation, aber am Ende war es unsere Jugend, eine Jugend, die nie ein anderes Leben gekannt hatte, die ihre Träume zum ersten Mal verwirklichen konnte und durfte. Auf unseren Diskobesuchen wurde eine Hoffnung geboren, und hier lebten wir schon einmal vor, was es hieß, frei zu sein.

Ganz ohne unser Zutun begann mit der Geburt unser Leben auf der Ostseite der deutschen Mauer. Das machte uns aber nicht blind und auch nicht ignorant. Wir mussten die schwere Aufgabe des Überlebens unserer Individualität meistern, und das bedurfte unglaublicher Energie, großen Mutes und noch größeren Einfallsreichtums. Unsere Jugend in der DDR war eine kostbare Zeit, eine Zeit des Aufbegehrens gegen die Eltern und deren Autorität und indirekter gegen das Regime. Es war eine Zeit des Wachwerdens. Unsere Musik dröhnte lauter und aggressiver und anders als das stetige Gesäusel der Propagandamaschine um uns herum. Wir fühlten uns stark und waren uns nicht bewusst, dass man uns nach der Wende um unsere Herkunft belächeln und sogar Mitleid mit uns empfinden würde. Nur wer einen wahren Einblick in das Leben in der ostdeutschen Republik bekommen hat, kann meine Frustration über diese westliche Kurzsichtigkeit nachempfinden.

Unmittelbar nach der Wende habe ich Deutschland den Rücken gekehrt und bin nach Amerika ausgewandert. Ich wusste damals schon, dass ich mich in meiner deutschen Heimat niemals richtig frei fühlen würde. Achtzehn Jahre eines Lebens im Einheitsbrei des Sozialismus hatten ihre Spuren hinterlassen, aber ich war des Kämpfens müde und konnte mir eine Zukunft umgeben von Vorurteilen und erstarrtem Denken nicht mehr vorstellen. Heute höre ich die Puhdys von jenseits des Atlantiks mit neuen Ohren: Sie sind ein Teil meiner Ostalgie geworden und ihre rockige Volksweise „Alt wie ein Baum“ lässt jetzt Gefühle der Dankbarkeit in mir aufsteigen. Die Puhdys und ihr Dichter Louis Fürnberg hatten schon Recht:

Aus sagenhaften Zeiten möcht ich ragen,
durch die der Schmerz hinging, ein böser Traum,
in eine Zeit, von der die Menschen sagen:
Wie ist sie schön! O wie wir glücklich sind!

Unsere Jugend war eine sagenhafte Zeit, die zur Geschichte geworden ist. Unser böser Traum des Sozialismus hat uns aber Flügel gegeben, und ich könnte mir mein jetziges Leben ohne meine Vergangenheit im Warteraum der Zukunft[1] kaum vorstellen. Mein Glück, das musste ich mir selbst schaffen, und es sind die Lehren verbunden mit der Musik dieser Zeit, die mich das nie vergessen lassen.

 

Footnotes:

[1] Graffiti-Parole in einer besetzten Wohnung nach dem Roman Stirb nicht im Warteraum der Zukunft.

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