Dec 2020
VI: In Memoriam David Bathrick
In Memoriam David Bathrick
Janine Ludwig, Dickinson College, Universität Bremen
Im Namen der Internationalen Heiner-Müller-Gesellschaft
und des IfkuD Bremen
Am 30. April 2020 verstarb David Bathrick in Bremen. Seine Freunde und Kollegen trauern um einen großen Wissenschaftler und einen liebenswürdigen und humorvollen Menschen.
David Bathrick war Jacob Gould Schurman Emeritus Professor of Theater, Film & Dance and German Studies an der Cornell University in Ithaca, NY. 1936 geboren, studierte er Geschichte, Theaterwissenschaft und Germanistik an den Universitäten Dartmouth, FU Berlin, LMU und University of Chicago. 1970 schloss er seine Dissertation über den jungen Bertolt Brecht ab und war von 1970-1987 Professor of German an der University of Wisconsin-Madison; seit 1987 Professor of German Studies, Jewish Studies und Theater, Film und Tanz an der Cornell University. Er hielt mehrere Gastprofessoren in den USA (u.a. Harvard University und UCLA) und in Deutschland (FU und Humboldt-Universität). Zudem war er seit 1973 Mitbegründer und -herausgeber der amerikanischen Film- und Kulturzeitschrift New German Critique (NGC) und 1989 einer der Initiatoren des Instituts für kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien (IfkuD) an der Universität Bremen.
David Bathrick war ein langjähriger Weggefährte Heiner Müllers, den er bereits in den 1970er-Jahren in den USA kennengelernt hatte, und gehörte zu den ersten amerikanischen Germanisten überhaupt, die über dessen Werk forschten und publizierten. Er war wesentlich daran beteiligt, die vollständige Sammlung der Müller-Kluge-Interviews auf der Webseite der Cornell University zu publizieren. Obwohl er in letzter Zeit nicht mehr an den Treffen und Veranstaltungen der IHMG teilnehmen konnte, verfolgte er deren Entwicklungen mit großem Interesse.
David lebte seit seiner Emeritierung mit seiner Frau in Bremen. Man konnte ihn dort in seiner Lieblingstrattoria auf einen Plausch treffen. Wo ist die Zeit nur hin? War es nicht erst gestern, dass wir in seinen Stasiakten und FBI-Files gestöbert hatten? Die Stasi hatte ihn ausspioniert, weil er sich 1982 bei seinem Austauschjahr an der Humboldt-Universität mit ostdeutschen Germanisten und Künstlern angefreundet hatte und seitdem immer wieder die DDR besuchte. Auf den ca. 240 Seiten wird er mit Codenamen „Diabolo“ genannt, obwohl er ganz und gar nichts Teuflisches an sich hatte. Man hielt ihn wirklich für einen Spion, da sein Schwiegervater bei der CIA war. Oder aber, falls er wirklich nur ein Neomarxist der New Left war, wäre das fast genauso schlimm. Da war man sich ausnahmsweise mal einig mit dem Klassenfeind, der ihn aus diesem Grund ebenfalls observierte, wie seine FBI-Files belegen.
Was haben wir uns kaputtgelacht über diese grotesken Spekulationen. Es schmerzt, dies in Zukunft nicht mehr tun zu können.
Weitere Nachrufe:
https://www.deutschlandstudien.uni-bremen.de/
https://news.cornell.edu/stories/2007/11/professor-david-bathrick-aka-diablo-retires-germany
https://news.cornell.edu/stories/2020/05/professor-emeritus-david-bathrick-dies-germany-84