Nov 2021

Identität und Sprache in Georges-Arthur Goldschmidts Werk

von Said El Mtouni

 

I.  Fremd im eigenen Land

Georges-Arthur Goldschmidt wurde 1928 in Reinbek bei Hamburg geboren. Mit neun Jahren verließen er und sein Bruder Erich ihre Heimatstadt, um zuerst nach Florenz und dann nach Frankreich zu gelangen. In Florenz wohnten die beiden bei der jüdischen Familie des Kulturwissenschaftlers Paul Binswanger, die auch von den Rassegesetzen der Nationalsozialisten betroffen waren. Aber mit der Ausweitung der Nürnberger Gesetze auf Italien ab November 1938 wurde der Aufenthalt für alle Juden in Italien gefährlicher. Die Familie Binswanger verließ in Eile Florenz und floh nach Neuseeland. Die Brüder Goldschmidt hingegen konnten mit Unterstützung einer Cousine der berühmten Noémie de Rothschild nach Frankreich geschickt werden.

Eine katholische Internatsschule in den Savoyer Alpen war ihre erste Station in Frankreich. Dort musste Georges-Arthur Goldschmidt sich weiter vor der deutschen Besatzungsmacht verstecken. Das Internat konnte ihm nicht nur Schutz vor den Nationalsozialisten bieten, sondern auch die nötige Schulbildung. 1947 – erst mit zwanzig Jahren und nach dem dritten Versuch – schaffte er es, die Schule mit dem Baccalauréat abzuschließen. Ein Jahr danach begann er ein Philosophiestudium an der Pariser Universität Sorbonne, das er schnell abbrach, um deutsche Literatur auf Lehramt zu studieren. Er wurde danach Lehrer in Paris und französischer Staatsbürger.

Seine Eltern konnte Goldschmidt nie wiedersehen. Die körperlich schwache und psychisch labile Mutter Katharina, genannt Kitty, geborene Horschitz, starb 1942. Der Vater Georges Goldschmidt, ein Jurist, wurde im selben Jahr nach Theresienstadt deportiert. Er überlebte zwar die KZ-Haft, starb jedoch 1947 an deren Folgen. Dank der in deutscher Sprache geschriebenen Erzählung Absonderung[1] und der Übersetzung der französischen Erzählung La Forêt interrompue von Peter Handke gelang Goldschmidt der Durchbruch auf dem deutschen Buchmarkt. Seitdem wird er mit Auszeichnungen überhäuft, u. a. – um nur einige zu erwähnen – mit dem Deutschen Sprachpreis (1991), dem Ludwig-Börne-Preis (1999), dem Prix France Culture (2004), dem Erlanger Literaturpreis für Poesie als Übersetzung (2007), dem Prix de l’Académie de Berlin (2013), dem Sigmund-Freud-Kulturpreis (2015) und mit der Ehrendoktorwürde der Universität Bern (2017).

In Georges-Arthur Goldschmidts erzählerischem Werk handelt es sich immer wieder um dieselben Ereignisse. In seinen Erzählungen Der Spiegeltag (1981),[2] Ein Garten in Deutschland (1986),[3] Der bestrafte Narziss (1990),[4] Die Absonderung (1991), Die Aussetzung (1997),[5] Die Befreiung (2007),[6] Die Faust im Mund (2008),[7] Ein Wiederkommen (2012),[8] Vom Nachexil (2020)[9] oder in seiner Autobiographie Über die Flüsse (2001)[10] setzen sich Aspekte der Kindheit und Pubertät wiederholt neu zusammen. Er macht seine Kindheitstraumata zum Zentrum seines literarischen Schaffens und setzt sich in seinem Werk intensiv damit auseinander. Die gezielte Reduktion der Figuren und Handlungsorte ruft eine beklemmende und dichte Atmosphäre hervor und suggeriert dem Leser durch die permanente Repetition, dass es bei seinem ganzen Œuvre – im romantischen Sinne – nur um ein „einziges Buch“ gehe,[11] das von Emanzipation und Menschwerdung, Selbstbestimmung und Freiheit wie in einem traditionellen Entwicklungsroman handelt.[12] Ein Spielwechsel von Distanz und Nahperspektive, von dissoziierter Chronologie, von Stilisierung, Fiktionalität und sprachlichem Minimalismus prägen Goldschmidts Texte, die mit Selbstreferentialität und einem Netz korrespondierender Referenzen europäischer Literatur und Welt-literatur eine weitere formalästhetische Qualität hinzugewinnen und den hermetischen Kreis des Werks schließen.[13] Genau diese Mikrostrukturen des Goldschmidtʼschen Erzählens erzeugen eine makrostrukturelle Abfolge seines gesamten Werks. Dieses Schaffensverfahren, das Peter Handke in seinem Vorwort für Die Absonderung mit „Umspringebildern“ beschreibt, ist charakteristisch für Georges-Arthur Goldschmidt. Die Literaturwissenschaftlerin Michaela Holdenried bezeichnet dieses Schreibverfahren auch als „Lichtschrift“,[14] wo Bild und Text ineinander verschmelzen. Diese tagtraumhaften Raum- und Zeitsprünge reihen sich weniger zu einer kohärenten Chronologie aneinander, sie kreisen eher konzentrisch den Problemkern der Kinderheimjahre ein und versuchen auf diese Weise, die Geschichte des Kindes dingfest zu machen, auszusprechen, um so den biographischen Bann zu durchbrechen.[15]

Die einzigartige Lebensgeschichte des Kindes und des heranwachsenden Mannes Goldschmidt, die in seinem Werk erzählt wird, handelt vom Ringen eines von seiner Heimat verstoßenen Juden und als Verfolgter in Frankreich unter schwierigen Bedingungen lebenden Menschen, der auf Identitätssuche ist. In diesem Zusammenhang drängt sich folgende Fragen auf: Wie konnte ein Mensch unter diesen Bedingungen am Ende eine balancierte Identität ausbilden? Und welche Rolle spielten dabei die Komponenten Herkunft, Religion und Aufnahme einer neuen Kultur? Anhand des Konzeptes des Dritten Raumes von Homi K. Bhabha und Erving Goffmans Begriff Stigma sollen die Entwicklungen, die Georges-Arthur Goldschmidts Protagonisten in seinem autobiographischen Werk gemacht hat, nachgezeichnet werden.

Als Vertreter der postkolonialen Theorie interessiert sich Homi Bhabha für die Repräsentation anderer Kulturen und Kulturkonflikte auf der Textebene, wie etwa zwischen Ethnien, Rassen und Geschlechtern. Bhabhas Interesse gilt jedoch nicht nur den Themenbereichen Kolonialismus, Rasse, Geschlecht oder Klasse und wie ihre komplexen Überkreuzungen textualisiert werden, sondern ihm geht es auch um die diskursive Natur von sozialen Bewegungen oder Individuen. Daher beschäftigt sich Bhabha auch mit Subjekten, die sich in einem Zustand des Dritten Raumes befinden. Der Dritte Raum ist in der postkolonialen Theorie ein schwungvoller und dynamischer Prozess, der die vitale und gegenseitige Durchdringung zwischen diversen Kulturen benennt, ein Raum, wo divergierende Kräfte einer Einzelkultur und verschiedene Tendenzen unterschiedlicher Kulturen miteinander in einer Austauschbeziehung und reziproken Beeinflussung stehen und verschmelzen, eine Zone, in der das Subjekt an mehreren Kulturen gleichzeitig teilnimmt. Der Dritte Raum, diese konstruktive Zone zwischen den Kulturen, ermöglicht also die Entstehung einer doppelten Alteritätserfahrung, d.h. eine Erfahrung von Selbst und Anderem. In diesem Raum kann das Unangesprochene und Unübersetzbare im Kulturkontakt überhaupt erst formuliert werden.[16]

Die Protagonisten, von denen Goldschmidt in seinen Werken erzählt, sind Figuren, die das Fremde und das Andere personifizieren; sie gehören zu keiner sozialen Personengruppe, brechen jede Charakterisierung und schaffen es schnell, von ganz gewöhnlichen Individuen zu angeblich gefährlichen, befleckten und minderwertigen Personen zu werden. Deshalb werden sie stigmatisiert.

Um die „diskreditierende Wirkung“ dieser Praktiken zu beschreiben, verwendet Ervin Goffman den Begriff Stigma.[17] Stigma kann in drei Formen auftreten: Erstens, wenn eine Person physische Deformationen aufweist. Zweitens, wenn eine Person angebliche Charakterfehler wie Willensschwäche, starre Meinungen oder Unehrenhaftigkeit zeigt, oft sind es Menschen, die unter Sucht leiden, Homosexuelle, Arbeitslose oder gescheiterte Selbstmörder. Und drittens finden wir Menschen, die wegen ihrer Rasse, Nation und Religion stigmatisiert werden.[18] Goldschmidts Hauptfiguren weisen mehrere Merkmale dieser Kategorien auf.

Ein Stigma zu haben, bedeutet den Abschied von der Normalität und ein Leben am Rande der Gesellschaft bis hin zur Aberkennung menschlicher Eigenschaften. Unter dieser Voraussetzung ist das Individuum einer Vielzahl von Diskriminationen ausgeliefert, die seine Lebensqualität beeinträchtigen und am Fundament seiner Person rütteln.[19] Im Falle Goldschmidts waren die Folgen seines abrupten Ausschlusses aus seinem familiären Kreis und sozialen Netzwerk noch schwerer, weil er als Kleinkind die Ereignisse noch nicht einordnen konnte. Damit geriet seine ganze Existenz aus den Fugen und eine gesunde Entwicklung der Psyche des Kindes wurde unmöglich.

 

II.  Die zerstörte Identität

Für Georges-Arthur Goldschmidts Familie waren alle Bedingungen für eine Integration geleistet, aber weil die Gesellschaft die jüdischen Gemeinden unter ständigem Druck setzte und ihnen keinen freien Raum für Selbstentscheidungen ließ, versuchte seine Familie sogar, sich in ihrer Umgebung aufzulösen. Sie passten sich immer der Meinung der Mehrheit an. Das ging soweit, dass sie zum „modernistischen Lager“ wechselten und eine „nationalliberale“ Einstellung übernahmen , was heißt, auch wenn sie Sympathie für die Sozialdemokratie und die Arbeiterbewegung hatten, durften sie diese Zuneigung nicht öffentlich ausdrücken, denn sie fürchteten die Kritik der Konservativen (Fl, S. 29).[20]

All diese Anstrengungen konnten die Familie Goldschmidt trotzdem nicht zu vollen Mitbürgern machen und vor Repressalien schützen. 1942 wurde z. B. der Vater – ein Paradebeispiel für den monarchistisch-nationalistischen Groß- und Bildungsbürger – nach Theresienstadt deportiert und „zwangspensioniert […], seiner Herkunft wegen durch das Gesetz vom 7. April 1933, genannt Wiederherstellung des Beamtentums, welches die Juden und Halbjuden (sic!) aus den Staatsdiensten ausschloss“ [Herv. i. O.] (Fl, S. 77). Der Vater konnte in der Shoah nicht das totale Verbrechen sehen, sondern nur einen Fehler, den man übersehen müsse. Das alles „zeugt von dieser bis ins Absurde gehenden Zugehörigkeit.“[21] Die Verwurzelung der Familie Goldschmidt in Deutschland reicht über mehrere Generationen hinweg, sogar bis hin zur Übernahme der protestantischen Glaubensrichtung (Fl, S. 398 ff.).

Trotz all der Anpassungsschritte, die seine Vorfahren unternommen hatten, wird die Familie in ihrer Heimat und in ihrer engen Umgebung als „unerwünscht“ wahrgenommen. Genau dort, zwischen dem, was man ist – Deutsch, Protestant jüdischer Abstammung –, und dem was die anderen in einem sehen – und zwar den Juden –, entstand eine Leerstelle. Das Wort „Jude“ verband er mit Angst, mit Unerwünscht- und Ausgeschlossensein. Diese Exklusionserfahrung, die das Kind aus Altersgründen nicht verstehen kann, wirkt auf es unerträglich, denn es kann sie nicht einordnen und verarbeiten.

Als die Eltern die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder in Gefahr sahen, entschieden sie sich, die Kinder, solange es noch ging, aus dem Land rauszuschmuggeln. Ein dunkles Gefühl kam in Georges-Arthur Goldschmidt auf:„daß der Abschied bevorstand, endgültig und unwiederbringlich“ (Fl, S. 129). Die Kinder wurden zuvor sehr verwöhnt und die Zeit wurde intensiv erlebt (Fl, S. 137 ff.). Am 18. Mai 1938 nahm er zusammen mit seinem Bruder Erich, begleitet von einer Frau, die nicht namentlich erwähnt wird, den Zug über München nach Florenz (Fl, S. 137).

Als neunjähriger Junge erfährt er mit dem Abschied von Familie und Heimat sein erstes traumatisches Erlebnis. Die Trennung von den Eltern, die von ihnen gut gemeint, von dem Knaben aber als Liebesentzug und Absonderung empfunden wird, erschüttert das Kind in seinen Grundfesten und hinterlässt dauerhaft tiefe Spuren in ihm. Es sieht sich abgeschnitten von seiner gesamten kindlichen Lebens- und Erfahrungswelt, von der räumlichen Vertrautheit des Elternhauses, auch von der Atmosphäre, der Natur, der Sprache und der Kultur. Heimweh und Trennungsschmerz sind deshalb seine affektive Grunderfahrung.[22] Das Kind muss sich nicht nur allein in der neuen, fremden Umgebung zurechtfinden, sondern auch ständig äußere Gefahren meistern. Die Adoleszenz überspitzt seine prekäre Lage zusätzlich. Die Phase vom Kind zum Jugendlichen muss er allein und ohne Unterstützung durchlaufen.[23]

Aber das Unheimliche, bei dem er dachte, es in Deutschland hinter sich gelassen zu haben, erreicht ihn auch in seinem ersten Exil mit der Geltung der Nürnberger Gesetze für Italien ab November 1938. So wird Florenz zu einem Übergang zwischen Deutschland und Frankreich. Die Familie Binswanger verließ Italien nach Neuseeland und die Brüder Goldschmidt hingegen wurden mit Unterstützung der Cousine Noémie de Rothschild nach Frankreich geschickt. Die zweite Flucht erzeugt eine weitere traumatische Situation der Angst und Hilflosigkeit. Das Kind zweifelt an seinem menschlichen Wert und ist einer totalen Abhängigkeit gegenüber den Erwachsenen unterworfen. Es reagiert mit psychischen Störungen und Hemmungen, von denen es ständig beherrscht wird. Dieser Zustand bedroht die Integrität und die Konstanz des Ichs. Das unerträgliche Anwachsen innerer Spannungen und äußerlicher Gefahren drängen das Subjekt zu verschiedenen Abwehrmechanismen: Verdrängen, Lügen, Phantasien, Sturheit und Aggressionen vor allem gegen sich selbst. Der Junge glaubt, in der Aufgabe des Körpers eine Läuterung zu erreichen. Strafe steht deswegen an der Tagesordnung. Wenn keiner sich an ihm vergeht, dann übernimmt er selbst die Initiative und straft sich selbst.

 

III.  Strafe und Strafbedürfnis

Der erste Ort, an dem sich die Brüder Goldschmidt in Frankreich aufhielten, war eine katholische Internatsschule in den Savoyer Alpen, 150 Meter oberhalb von Megève.[24] Der Alltag im Florimontan war von körperlicher Arbeit, von Hunger, von Angst und von Strafen geprägt. Das Kind gehörte wie die anderen deutschen Verfolgten in Frankreich zu den sogenannten Doppelverfolgten, weil sie in Frankreich zur weiteren Flucht oder zur Illegalität gezwungen wurden.[25] Seine psychische und biologische Hilflosigkeit, bedingt u. a. durch sein Alter und seine religiöse Zugehörigkeit, reproduziert in ihm Angst. Ein Grundgefühl, das in ihm stets vorherrscht. Als Savoyen im November 1942 von den Nazis besetzt wird, wird es für ihn hier auch fast ebenso gefährlich wie in der deutschen Heimat. Die jüdische Identität anzuerkennen oder als Jude erkannt zu werden, heißt für ihn Erniedrigung, Missbrauch oder Tod. Diese Tatsache wird ihm am Beispiel einer jüdischen Gruppe, die im Dorf provisorisch auf ihre Deportation wartet, vor Augen geführt (Fl, S. 200-201). Das Gefühl der Scham übermannt ihn. Das Schamgefühl entsteht nach Goffman daraus, dass das Individuum eines seiner eigenen Wesensmerkmale als etwas Schändliches versteht und als etwas, von dem es sich gerne trennen würde.[26] Der Erzähler in Die Befreiung beschreibt dieses Gefühl hinterher:

Er war noch am Leben, und so viele andere waren umgekommen, die Scham stieg in ihm auf und hob ihn unter den Achseln in die Höhe wie ein Kran, der einen riesigen, bauchigen schweren Ballon hievte, auf dem man lesen könnte: ICH BIN EIN LEBENSSCHMAROTZER. (Die Befreiung, S. 31)

So wird sein Kindheitsstadium als verfehlte Entwicklungsphase durchlebt, aber die Erfahrungen und Erlebnisse dieser Zeit werden als Introspektion und Reflexion auf seinem Körper und in seiner Seele eingebrannt. Dem Kind bleiben fundamentale Bedürfnisse,  wie Liebe, Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit, und deren Erfüllung verwehrt. Aus diesem Verlust, verbunden mit Schamgefühl, erwächst ein Gefühl der Minderwertigkeit.[27] Als Antwort darauf unterzieht er sich schweren Prügelstrafen und sexuellem Missbrauch. Als von seiner Heimat verstoßenes Kind macht er sich zu einem Hassobjekt in seiner neuen Umgebung.

Das traumatisierte Kind geht soweit, dass es ein Strafbedürfnis verspürt, als Überlebensstrategie und Selbsterhaltungstrieb. Die Verhaltensweise der Selbstbestrafung weist in der Psychologie darauf hin, dass der Zwangskranke aus sich selbst seinen eigenen Henker macht. Das Strafbedürfnis entsteht, wenn ein Konflikt zwischen einem äußerst fordernden Über-Ich und dem Ich entflammt. Bei bestimmten Subjekten, wie der bei Goldschmidts Protagonisten, findet der Bestrafte in seiner Passion eine Art Befriedigung.[28] Er sagt seinen Peinigern und Folterern dadurch, dass er selbst über seinen Körper verfügt, aber vor allem, dass die Entscheidungskraft in seiner Hand liegt:

Durch eine Art infantiler Herausforderungslust klagte ich mich endlich verschiedener Vergehen an, die ich gar nicht begangen hatte, vor lauter Hass und Verzweiflung kam ich der Anklage zuvor. War ich zu hundert Linien verurteilt, setzte ich fünfundzwanzig dazu, nur um zu verwirren, um zu zeigen: Gegen mich könnt ihr nichts. (Fl, S. 180)

Das Trauma der Flucht, die Ausgrenzung und das Leben ohne die Eltern machten aus Georges-Arthur Goldschmidt ein labiles und verwirrtes Kind, denn diese Erfahrungen der Ausgrenzung, verbunden mit Beschämung, haben sich in das kindliche Erleben eingeschrieben. Sein autobiographisches Werk legt davon ein beredtes Zeugnis ab. Das Resultat ist verstörend: Verneinung der eigenen Individualität und Selbstablehnung infiltrierten das Ich und erzeugten Selbsthass bei dem Jungen, da ihm „ein gesundes seelisches Gleichgewicht und psychosomatisches Wohlbefinden“ fehlten.[29] Er stürzte in eine tiefe Verzweiflung. Die Folge: Bettnässen, Nägelkauen, Aggressionen gegen sich und andere. Diese sind einige Erscheinungen eines Daseins, das aus dem Gleichgewicht geriet.

Als seiner Überzeugung nach nicht liebenswertes Subjekt und Individuum mit einem geheimen Fehler ist ihm jede Strafe recht,[30] weil das Kind bzw. der Jugendliche die eigene Identität grundsätzlich durch Ausgrenzung erfahren hat: in Deutschland als Jude unter Ariern und in Frankreich als Opfer unter Tätern sowie als Deutscher unter Franzosen. Dies erschwerte bei ihm die Entwicklung sowohl einer sozialen als auch einer personalen Identität.[31] Die Diskrepanz zwischen der eigenen Wahrnehmung als nicht normales Individuum und der der anderen ihn umgebenden Menschen als normal verstärkt, bei ihm die Spaltung zwischen dem Ich-Ideal und Ich.[32] Das Kind glaubt, nur weil es in seiner Heimat nicht so sein konnte, wie seine Umwelt ihn haben wollte, wurde es abgestoßen. Im Internat konnte es dann das sein, was seine Umgebung von ihm erwartete. Es ging soweit, dass es den Zustand der Erniedrigung auch genoss, weil es sich dadurch von den übrigen Schülern heraushob und darin seine Einzigartigkeit sah (Fl, S. 198).

Auf sein Überleben reagiert er mit Verdrängen, mit Vergessen und mit sexuellen Begierden (Fl, S. 283), was ihn in eine Art Doppelschuld stürzt: die ihm von außen attestierte jüdische Identität, die abgeschafft werden soll und die Reaktion darauf mit einer Triebschuld. Als Kind erlebt er die Sexualität als etwas Verworfenes, als Sünde. Verschärft durch eine radikale Triebunterdrückung und repressive Körperfeindlichkeit von Seiten der Mutter verstärkt sich sein Schuldgefühl. Die Sexualität, vor allem die Onanie, und das Jüdisch-Sein werden tabuisiert, er verschweigt seine jüdische Identität und erlebt seine Sexualität ebenso im Geheimen. Seine sinnliche Pein und die bedrohliche Dimension seiner Identität entladen sich in Wut- und Gewaltausbrüchen, die schon in seiner Kindheit von der Mutter mit Strafen und Liebesentzug beantwortet wurden. Dies befestigte in ihm die Überzeugung, dass er nur durch Züchtigung die Schuldbewältigung erreichen könne. So wurde die Strafe für ihn zur Regel.[33] Die von außen stigmatisierte jüdische Identität wird von dem Knaben als Last wahrgenommen und als etwas Verworfenes verstanden, daraus resultiert seine subjektive Selbststigmatisierung. Da seine tägliche soziale Umgebung streng zu ihm ist und ihm Liebe, Zuneigung und Akzeptanz verwehrt wird, drückt das isolierte Kind seine aufgewühlten Affekte in Angst, Argwohn, Depressionen und Unsicherheit aus.

Das Stigma und der Versuch, es durch Verbergen oder Heilen zu umgehen, werden als Teil persönlicher Identität eingebaut. Sühnen kann er nur mit dem eigenen Körper, der eliminiert werden soll. Der tadelnswerte Leib wird jeglicher vorstellbaren Strafe ausgesetzt, er wird zu einer zwanghaften Beschäftigung, begleitet von Selbstvorwürfen, Zwangsgedanken, Selbstentwertung, Scham, Schuldgefühlen und Begehren. Deswegen sieht er in den Strafen ein gerechtes Mittel für sein delinquentes Verhalten und für „sein persönliches jüdisch-sexuelles Schuldsyndrom“,[34] da er überlebt und andere gestorben sind (Die Befreiung, S. 194).

In der Psychologie ist es Konsens, dass Personen mit den o. g. Affektionen zur Selbstbestrafung neigen, die sogar zum Suizid führen können.[35] Das Denken seiner Protagonisten in seinen autobiographischen und fiktionalen Erzählungen flottiert deshalb zwischen Selbstmordphantasien und Verwandlungswünschen, damit sie unauffällig bleiben:

Er hätte sich am liebsten mit der Selbsthaubitze in den Morast geschossen und wäre da mit den Füßen nach oben steckengeblieben, so hätte er sich wenigstens nicht zu schämen brauchen. Oder Koffer wäre er gerne gewesen, verkoffert, zugeschnallt, ledergeflankt […]. (Die Befreiung, S. 31)

Schon früh ist also die Identität bei Goldschmidt und seinen Protagonisten keine einheitliche Größe. Sein Leben ist von Diskontinuitäten, Fissuren, Brüchen, Leerstellen, Rissen und Fragmenten gezeichnet. Dieses Identitätskonzept deckt sich mit dem postmodernen und postkolonialen Standpunkt von Identität als vielfältig, ambivalent, dichotom, form- und dehnbar, plural, und unbeherrschbar. Wie Homi Bhabha, der Hybridität als einen Ort der kulturellen Verhandlung versteht, betrachtet Goldschmidt Identität als ein Projekt, Konstrukt und Prozess, der stets modelliert und neu „verhandelt“ werden muss.

Ein identitätskonstituierender Moment ist Goldschmidts Verhältnis zur Heimleiterin Fräulein Lucas. Diese Beziehung beeinflusste Georges-Arthur Goldschmidt nachhaltig. Sie war von einem sadistisch-masochistischen Tauschgeschäft geprägt:[36] Strafe gegen Schutz. Die entsprechenden Stellen in seiner Autobiographie Über die Flüsse liefern einleuchtende Beispiele dieser Beziehung. Fräulein Lucas war öfter diejenige, die auch die Strafen an ihm vollstreckte. Sie machte ihn aber zu ihrem Vertrauten (Fl, S. 218). Er fühlte sich bei ihr und im Internat sicher (Fl, S. 272). Von ihrer Hand bestraft zu werden, war für ihn existenziell wichtiger als seine homosexuellen Neigungen, denn er konnte gleichzeitig für seine Existenz und seine sexuellen Triebe einbüßen (Fl, S. 306). Er unterscheidet jedoch zwischen den Strafen in der deutschen Schule und denen im Internat. In Deutschland vollzog man die Strafen an ihm aus rassistischen Gründen, die er mit Entmenschlichung und Entwürdigung verbindet. In Frankreich hingegen wurde er als Mensch akzeptiert und daher sah er in den drakonischen Prügelstrafen des Schulheims ein gerechtes Mittel, denn da versuchte man ihn nur zu erziehen. Das Schulheim übernahm damit die züchtigende Elterninstanz.[37]

Der Status der Helden von Goldschmidt als Fremde und ihr schüchternes Auftreten machen sie zu einer Zielscheibe der Schüler im Internat. Das Kind in Die Absonderung z. B. wird von den anderen Heimkindern als ein Schwächling betrachtet und als „Mädchen“ (Die Absonderung, S. 38) verspottet und damit zu einem willkommenen Objekt ihrer ausartenden Aggressionen, verbunden mit sexueller und sadistischer Färbung. Das arme Opfer, das all diese Misshandlungen erdulden muss, reagiert darauf mit Bettnässerei und Ängsten; seine Mitschüler schikanieren es deswegen umso mehr.[38] Sie degradieren den Buben zu einem „Hausmädchen“ [Herv. i. O.], der rücksichtslos ausgenutzt wird, vom Schuheputzen bis zur sexuellen Ausbeutung, wobei er immer die Andern sein will und nicht der, der er schon ist (Fl, S. 230 ff.).

Einen Ausweg sah der Heranwachsende in der Transformation und in der Verwandlung, wie Gregor Samsa, der in der gleichnamigen Erzählung den einzigen Ausweg von den Lasten des Alltags und von jeder sozialen und ökonomischen Ausbeutung fand. Goldschmidt setzt bewusst und vielfältig die Motivik der körperlichen Metamorphose in seinem literarischen Werk ein. Seine Hauptfiguren können sich einbilden, sich in menschliche und animalische Formen einzuschleichen. Sie wünschen sich, ihre organische Körperlichkeit mit anorganischen Objekten zu vertauschen; sie versetzen sich gerne in Gemälde, in Figuren literarischer Provenienz und Fabelwesen (Fl, S. 226).[39] Goldschmidts Figuren überqueren die menschliche Lebensform in die tierische Natur an allen Orten, wo Menschsein verdächtig, gefährlich und verrufen ist und wo nur Verfälschung, Permutation und Umwandlung die Rettung ist (Die Aussetzung, S. 228).[40] Der Verwandlungswunsch in Goldschmidts Werk ist ein Ausdruck der Angst, Labilität, Bedrohung oder Scham. Überall dort, wo Lebensgefahr lauert, fliehen die Protagonisten in die Imagination des Kindes, um die gegenwärtige Gefahr zu kompensieren (DbN, S. 97). Der Wunsch der Metamorphose zum Tier oder Objekt ist demnach beides „Realitätsflucht ebenso wie Realitätsaneignung“.[41]

Das postkoloniale Konzept der Identität, das hier vorliegt, als Projekt, Prozess, Konstrukt und „Verhandlung“ betrachtet das Selbst als provisorisch und revisionsbedürftig.[42] In diesen und ähnlichen narrativen Identitätskonstruktionen geht es nicht in erster Linie um den Beweis des Gleichgewichtes und der Beständigkeit der subjektiven Identität im Sinne von Erik H. Erikson (1902-1994),[43] denn die Selbstnarrationen sind variabel, wandelbar, mutabel und veränderlich, formen erst im Verlauf des Erzählens die „Identität“ und unterstreichen die Mehrfachzugehörigkeit einer Identität und ihre unterschiedlichen Komponente.[44]

Die durch schöngeistige Literatur vermittelten Identitäten der Erzählfiguren von Georges-Arthur Goldschmidt sind Vorgänge der Sinnstiftung und Selbstfindung. Figuren aus den Werken von Karl Philipp Moritz, Rousseau, den Brüdern Grimm, Tieck und Kafka u. a. dienen ihm für seine Selbstrettung als Vorbild.  Aber auch Heilige als Identifikationsfiguren weisen ihm den Weg aus seiner Identitätskrise. Im „Heiligen Sebastian“ z. B., der das christliche Muster von Strafe, Schuld, Sühne und Erlösung am ehesten verkörpert, wird er in den autobiografischen Texten von Goldschmidt zu einer Projektionsfigur, die dem Heranwachsenden verhilft, die fürchterlichen Qualen zu lindern um später zu verarbeiten.[45] In den meisten literarischen Reminiszenzen Goldschmidts handelt es sich primär um eine Analogie als um eine Intertextualität, denn die intertextuellen Verweise auf Anton Reiser oder Die Bekenntnisse fallen mit der autobiografischen Situation zusammen.[46]

Goldschmidt wirft sein wachsames Auge auf ein Netz vergangener Ereignisse, navigiert gekonnt durch diese, schwenkt und zoomt in die Objekte hinein, um sie mal, je nach Dringlichkeit, größer oder kleiner einzustellen. Der Autor versucht durch dieses Verfahren Kontrolle über das Sprachspiel zu behalten, in dem er je nach Laune den Leser an den Geschehnissen heranholt oder wegrückt.

Die unaufhörliche Gewalt und die immer wiederholende Bestrafung des Körpers prägen sich in der Erinnerung als ein masochistisches Ritual ein, in dem konstante Elemente sich immer wiederholen: Strafwerkzeuge, entblößter Hintern, das Weinen, Gehänseltwerden, Gewaltphantasien, körperliche und sexuelle Selbstauslieferung. Das Begehren nach Strafe ist in Goldschmidts Texten elementar für seine Figuren.[47] Dieses alltägliche Ritual stürzt den Schuldigen in „Wonnen der Schmach“, versetzt ihn in „unbeschreibliche Zustände der Erregung“; der Protagonist „entdeckt in aller Perversität“, dass ihn die Strafe „verwandelt“; die Umkehr des Schmerzens, der Schmach und der Scham in Wollust versöhnt ihn mit seinem eigenen Körper und verschenkt ihm „die herrliche Gewissheit der Adoleszenz“ (Fl, S. 236 ff.). Seine masochistische Passionsgeschichte ist mehr als nur ein Surrogat für fehlende Liebe und Aufmerksamkeit, sondern eine Ergründung der tiefen psychischen Unterbewusstseinsschichten, wo er sich vorstellen kann, was mit anderen Juden in Konzentrationslagern geschieht. Dieser heimliche Masochismus verkehrt jede Züchtigung in ihr Gegenteil, die deshalb neue Strafe herausfordert und verdient.[48] Der Bursche gibt selbst aus masochistischen Gründen zu, dass seine Mithilfe wichtig war, um die Strafen zu verhängen. Aber der Grund dahinter ist größer. Das Kind, das nicht leben darf, schneidet sich buchstäblich ins eigene Fleisch, weil es das „alltägliche Wunder“ des Lebens spüren will (Fl, S. 242).

Diese Erzähltechnik der Enthüllung dient nicht dazu, eine Identität zu konstituieren, sondern sie aufzulösen, damit der Erwachsene seinen Zustand indirekt korrigiert und eine Neugeburt erfährt.[49] Frau Lucas, die das Emblem für die Schwarze Pädagogik ist, die auf der einen Seite die Rolle der Schutz- und Zufluchtsspenderin verkörpert, auf der anderen Seite die Domestizierung und die Reglementierung des Kindseins vorantreibt, gelang es jedoch nicht, den Widerstandskern des Kindes zu brechen, seinen Wunsch, frei über sich selbst zu verfügen und zu entscheiden (DbN, S. 104). Statt dass „der gestrafte kleine Verbrecher wieder fähig ist, neuen Rat und neue Befehle zu verstehen,“[50] leistet er mehr Widerstand (DbN, S. 147). Als „unmögliches Kind“ und „schwer erziehbar“, der seinen Peinigern trotzt, konnte er sich bewahren und seine Identität wiederherstellen.[51] Dieses verstockte Verhalten wendet der Knabe als Überlebensstrategie an: „Selbstrettung als Bewusstsein durch bewusste Selbstaufgabe als Körper.“[52] wie Martin Recort formuliert. Durch die Opferung des Körpers, der gezüchtigt, bestraft, gequält, sexuell missbraucht und verlacht wird, gewinnt der Junge an Selbstbewusstsein.

Das Bestehen auf das eigene So-und-nicht-anders-Sein verhalf Goldschmidts Figuren und auch ihm selbst, Selbstbewusstsein zu entwickeln und ein Fundament zu bilden, um sich mit sich selbst, mit seiner neuen Umgebung und mit seiner Vergangenheit versöhnen zu können. Aus diesem Grund unternahm er mehrere Reisen nach Deutschland, um den Rest seiner Familie zu besuchen und die einstmalige Heimat wiederzuentdecken.

 

IV.  Der zweite Bruch mit Deutschland

Als Georges-Arthur Goldschmidt herausfand, dass sein Vater die Internierung im Ghetto Theresienstadt überlebt hatte, begann er, ihm seine Gedichte zum Lesen zu schicken Der Sohn merkte – ohne es zu wollen – , dass die Institution des Vaters immer eine moralische Instanz bleiben würde, was hieß, dass er beim Schreiben bestimmte moralische Vorschriften befolgen musste. Diese über sich selbst verhängte Zensur beschränkte die Freiheit des jungen Schriftstellers (Fl, S. 254 ff.). Deshalb war er von der Idee des Vaters, nach Grenoble umzuziehen, damit er und seine zwei Söhne nach mehr als sieben Jahren wieder vereint zusammenleben könnten, gar nicht begeistert (Fl, 259 ff.). Bevor der Vater den Umzugsplan umsetzen konnte, starb er im Februar 1947 an einem Herzschlag. Die Todesnachricht versetzte den Sohn statt in Trauer eher in eine große Erleichterung, weil er jetzt wusste, dass er sich von jeder Bindung löste, die seine Freiheit einschränken konnte: „Ich schämte mich, nicht einmal sehr traurig gewesen zu sein, als ich von seinem Tod erfuhr“, heißt es z. B. in Über die Flüsse (Fl, S. 286).[53]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem frühen Ableben des Vaters wollte Goldschmidt, gequält vom Heimweh, seinen Geburtsort wieder besuchen. Zu seiner großen Enttäuschung fand er ein Deutschland vor, das mit der „Stunde Null“ anfangen und „nur nach vorne“ sehen wollte (Fl, S. 329). Von „Menschenvernichtung“ wollte man nicht reden, man wollte „in die Zukunft schauen“ (Fl, S. 347). Überall hörte er, wie es den Deutschen schlecht ging und wie sie während und nach dem Ende des Kriegs gelitten haben (Fl, S. 324 ff.). Für die Deutschen war ihr Land das „Opfer einer gigantischen internationalen und kommunistischen Verschwörung gewesen“ (Fl, S. 367), und während der Erzähler vom 6. Juni 1944 als Tag der „Befreiung“ sprach, redeten die Deutschen vom Tag der „Invasion“ und von der „Niederlage“ (Fl, S. 329). Der Genozid und die Gräuel, die der Nationalismus begangen hatte, wurden mit „Verharmlosung überdeckt“ (Fl, S. 371). Im Getöse des Wiederaufbaus und im Rausch der positiven Wirkung der Währungsreform auf die westdeutsche Wirtschaft erschuf man zwar das sogenannte Wirtschaftswunder, vernichtete aber jede Erinnerung an die Verbrechen der Vergangenheit (Fl, S. 348). Frankreich erschien als Verlierer und Deutschland als Sieger des Krieges. Auch die kalte Beziehung zur Schwester, die das ganze Erbe der Eltern für sich allein beanspruchen wollte, veranlasste Georges-Arthur Goldschmidt, nicht daran zu denken, nach Deutschland umzusiedeln. Von ihren Briefen erriet er: „dass ich nicht unbedingt willkommen war, ich war ein peinlicher Überlebender“ (Fl, S. 311). Der Protagonist in Der Spiegeltag verleiht dieser existenziellen Peinlichkeit Ausdruck, in dem er zu der Überzeugung kommt, dass seine Heimkehr eine „falsche Heimkehr“ war (Der Spiegeltag, S. 35 ff.) und stellt resigniert fest: „es gibt Reisen, die man besser nicht unternimmt“ (Der Spiegeltag, S. 16). Die Erfahrung, die er nach seiner Rückkehr nach Deutschland mit seinem Geburtsort und mit seiner Familie gemacht hat, nämlich die, dass er sich zum zweiten Mal unerwünscht fühlt (Fl, S. 331), bewegt den autobiographischen Erzähler zum zweiten „Bruch“[54], aber diesmal zu einer „irreparable[n] Trennung“ (Fl, S. 331) von seinem Ursprungsland.

Bezeichnenderweise verlässt er Deutschland mit Goethe, Schiller, Kleist, Novalis, Fontane, Hebel und Hesse im Koffer (Fl, S. 343). Schriftsteller, deren Texte ihn lebenslang begleiten werden und ihm zukünftig dazu verhelfen werden, sein identitäres Gleichgewicht zu finden.

 

V.  Die Auflösung der Identität

Goldschmidt zeigt sich in seinem Werk als ein sprachgewaltiger Schriftsteller. Er entblößt sich sprachlich gibt doch wenig von sich. In narrativer Form erinnert er sich an seine Kinder- und Jugendjahre, um Sinn und Identität zu stiften. Allerdings bleiben viele Ereignisse fragmentarisch.

Eine Technik, zu der Goldschmidts Figuren greifen, um zu überleben, ist die der Mimikry. Ein Verfahren, das ihr kritisches Potenzial aus der postkolonialistischen Forschung entnimmt. In diesem Kontext bedeutet Mimikry nicht der Anpassungszwang, sondern die auferlegten sozialen Umstände und Traditionen zu manövrieren und den Herrschaftsanspruch der Autorität, indem sie „wiederholt, statt zu re-präsentieren[55] zu obstruieren. Die Mimikry mit all ihren unterschiedlichen Formen als Nachahmung, Verwandlung, Maskierung, Inszenierung, Verdoppelung und Täuschung ist das Spiel des Andersseins und des „Als-Ob“ und verkörpert damit weder Identität noch Alterität, denn sie ist ihrer Beschaffenheit nach subversiv. Demzufolge reißt sie „die Symmetrie und Dualität von selbst/anderem, von Innen/Außen nieder“.[56]

Goldschmidts Figuren nagen stets an den Getrieben der binären Opposition „Selbst/Anderer, Innen/Außen“, um sie umzukehren. Für ein stigmatisiertes Kind sind Dichotomien von „Ich“ versus „Anderer“ und „Innen“ versus „Außen“ ausschlaggebend für seine Persönlichkeitsentwicklung:

Ich war stolz, den seltenen Touristen, die sich so weit ins Hochgebirge verirrten, vorzumachen, daß ich ein Einheimischer sei; der beste Beweis, die Kühe gehorchten mir, und der Hund hörte auf mich. (Fl, S. 208)

Auch wenn es in Prozessen der Mimikry um eine genaue Nachahmung eines Urbildes geht,[57] perpetuiert das Individuum in diesem Urbild einen freien Raum für Eigenständigkeit und Selbstbestimmung.[58] Die Peter Handke-Devise „Alles über sich erzählen und doch nichts verraten“, die der Autor vor Beginn seiner Erzählung Ein Garten in Deutschland platziert, beschreibt präzise dieses Schreibverfahren von Goldschmidt. Die Uneigentlichkeit des Erzählens, die hinter dieser Erzählstrategie steht, erlaubt dem Autor, sich zu öffnen und gleichzeitig zu verbergen, sich zu offenbaren und gleichzeitig zu verschweigen, sie bietet ihm eine überlebenswichtige Schutzmaske an, wie in der Photographie, die die „Produktion unähnlicher Ähnlichkeit“ herstellt, [59] wie sie Roland Barthes in seinem Buch Die helle Kammer elaboriert hat.[60] Ähnlich verfährt auch Goldschmidt. Er lässt sich auf das „Gesellschaftsspiel“ ein, er „posiert“ bewusst und lässt den Leser dies auch wissen, aber sein „Nullpunkt“ kann nicht von dem Medium die Schrift offenbart oder vom Leser durchdrungen werden. „Ich zeige alles von mir, damit ihr nichts seht.“[61] So schafft er durch diese rhetorische Technik einen narrativen „Doppelgänger“, der die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht, während das wahre Ich fern jeder Erreichbarkeit bleibt.[62] Die Technik des Sich-zur-Schau-Stellens bietet dem Schriftsteller damit die Möglichkeit der absoluten Freiheit im Umgang mit seinem Leben als Erzählstoff: „Das Nichterkanntwerden ist meine grundsätzliche Freiheit: Ich bin nicht, was ihr von mir sagt, und ich bin nicht, was ich davon sage.“ (DbN, S. 120)

Ein weiteres Beispiel für dieses narrative Verfahren liefert uns das Buch Als Freud das Meer sah, das der Autor mit einem Gedicht abschließt, welches im Dithmarschen Anzeiger am 14. Februar 1908 erschienen sein soll und von einem angeblich in Nibüll lebenden Lehrer namens Max Moritz Kalau (1873-1947) stammt:

Und es schenkt wieder die See
Was sie genommen,
Wie von weither
Im Strömen der Tage steigen
Die Wolken noch auf

[…]

Da wo schon schwinden die Schiffe
Sieht man sie noch,
Ferne Inseln,
Im Schimmer des Abends,
Als kämen hinter ihnen
Noch unbekannte
Tage
Wieder auf
(Als Freud das Meer sah, S. 183).

Die reimlosen Verse sind eine Anspielung auf Hölderlins Gedicht Andenken, dessen Schluss lautet:

Es nehmet aber
Und gibt Gedächtnis die See,
Und die Lieb’ auch heftet fleißig die Augen,
Was bleibet aber, stiften die Dichter.[63]

Es fällt nicht nur die Analogie in der Thematik und Wortwahl auf, sondern auch in den Bildern, die damit assoziiert werden. Beiden Dichtern geht es um die Erinnerung, wie sie gegeben und genommen wird. Aber auch der Name des Dichters, der dieses Gedicht im Dithmarschen Anzeiger veröffentlichte, sticht hervor. Anscheinend haben Max und Moritz Kalau nie existiert, so authentisch es sich auch anhört. Eine weitere Tarnung des Schriftstellers, seinem Grundsatz treu zu bleiben: „Alles über sich erzählen und doch nichts verraten.“ Goldschmidt camoufliert seine Identität jedes Mal anders und folgt damit seinem Vorbild Hölderlin, der angeblich die Umnachtung vortäuschte, um sich vor politischen und privaten Machenschaften zu schützen, so die Hauptthese von Pierre Bertaux.[64]

Diese Technik der Identitätsverschleierung ist auch bei Individuen mit einem „geheimen Defekt“‘ verbreitet. Sie verwischen die Stigma-Symbole z. B. durch Namenswechsel.[65] Diese literarische Strategie der Zwiespältigkeit zeichnet sich durch einen diametralen Blickwinkel, eine nicht lineare Chronologie und durch ungeordnete räumliche Koordinaten aus und sprengt dadurch die Seinsgewissheit des traditionellen Autobiographiediskurses.[66] So treten die Protagonisten in Goldschmidts Texten mit dem Pronomen „er“, „es“ oder „der Junge“ auf, oder werden namentlich genannt mit „Arthur“ wie in Ein Garten in Deutschland, mit „Arthur Kellerlicht“ in Ein Wiederkommen und mit „Georges-Arthur Goldschmidt“ in Vom Nachexil, die von ihren Kindheiten erzählen. Nur äußerlich stimmen die standesamtlichen und die biographischen Daten der Erzähler mit denen von Georges-Arthur Goldschmidt überein. Damit schafft der Erzähler die nötige Distanz zu den Protagonisten im diegetischen Raum; dadurch gelingt es ihm, die Intensität und Ambiguität des Mottos alles erzählen und nichts verraten auf der Textebene zu übersetzen.[67]

Georges-Arthur Goldschmidts Protagonisten standen vor der Herausforderung, nicht nur wie sie sich in ihre neue Gesellschaft integrieren, sondern auch, wie sie ihre Vergangenheit und ihre Beziehung zu ihrem Ursprungsland aufarbeiten könnten. Dazu kam noch die jüdische Identität, die durch das Erfahrene immer mehr in den Mittelpunkt dieser Antihelden rückte. Das Widerstreben der verschiedenen Identitätsaspekte verwirrte sie und gefährdete ihr psychisches Gleichgewicht. Die Behandlung der traumatischen Ereignisse kann durch das Wachrufen der Affekte erfolgen, sie wieder erleben, um sie dann abzureagieren.[68] Der aus der griechischen Tragödie und durch Aristoteles eingeführte Ausdruck Katharsis eignet sich hier gut, um diesen Zustand zu beschreiben, zumal er das Ergebnis einer Memisis ist, was mit Goldschmidts Konzept von alles erzählen und nichts verraten übereinstimmt:

Die Tragödie ist Nachahmung einer guten und in sich abgeschlossenen Handlung […], die Jammer und Schaudern hervorruft und hierdurch eine Reinigung von derartigen Erregungszuständen bewirkt.[69]

Nur ein adäquates Abreagieren kann die Befreiung von inneren Konflikten herbeiführen, indem das Subjekt die verdrängten Erfahrungen wachruft und sie quasi wieder erlebt. Das geeignete Mittel dafür ist die Sprache, in der der Mensch seinen Schmerz reflektiert und beklagt.[70] Goldschmidt strebt also in seinem Erzählwerk nicht die Rekonstruktion eines Ich-Ideals an. Nicht in der Wiederherstellung einer zusammenhängenden Biographie ist der Sinn des Lebens, sondern im Akt des Schreibens selbst. Um die eigene Wirklichkeit zu erschaffen, bedient sich der Erzähler verwandter Ich-Konzepte aus der Literatur, aber immer gegen eine traditionelle realistische Erzählweise, die im deutschen Bildungsroman und in der Autobiographie bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ihr Vorbild hatte.[71]

Besonders für den Stigmatisierten ist die Kongruenz mit seinem sozialen Umfeld hinsichtlich seiner Sozialintegration ausschlaggebend. Das stigmatisierte Individuum versucht durch die Übernahme der Handlungsweisen der „Normalen“ und durch die vollständige Angleichung an deren Verhaltenskodex nicht ins Auge zu fallen.[72] Das Kind in Goldschmidts Schriften verfolgt genau diese Strategie. In Die Aussetzung achtet das Kind auf eine reale Inszenierung seines Selbst, um sicher und fest aufzutreten und um auf sich nicht aufmerksam zu machen:

Er blickte an sich selber herunter, seine Beine im dicken Bergschuhwerk sahen wie alle anderen aus, […] nur ein wenig kleiner als die Stiefel des Bauern neben ihm. Sollte ein Fremder vorbeikommen, hätte dieser den Knaben für jemand beliebigen gehalten, vielleicht für einen hiesigen, sogar für den Sohn des Bauern und er atmete auf im Gedanken, einstweilen nicht mehr er selber sein zu müssen. Er saß da und spielte einen Anderen. (Die Aussetzung, S. 29)

Georges-Arthur Goldschmidt überschreitet nicht nur soziale und kulturelle Grenzen, indem er zwischen den Kulturen oszilliert und gegen soziale Normen verstößt, sondern er versucht auch auf der Textebene mit verschiedenen literarischen Verfahren, Schreibstilen und Schreibtechniken, seinen eigenen Ton zu finden. Sein Gesamtwerk trägt dieser Tatsache Rechnung, wo sich narrative und nicht-narrative Genres, literarische und nicht literarische Textsorten miteinander vermischen und ein hybrides Bild von sich geben. Um den Rahmen dieses Beitrags nicht zu sprengen, soll hier nur auf einige Beispiele eingegangen werden, die exemplarisch für das hybride Schreiben von Goldschmidt sind.

Da Goldschmidt im Deutschen und im Französischen beheimatet ist, schlägt diese Doppelsprachlichkeit Wurzel in seinem literarischen Schaffen. So sind die deutschen Texte reich an Gallizismen und die französischen Texte mit unzähligen deutschen Ausdrücken bestückt. In Un Jardin en Allemagne,[73] in La traversée des fleuves[74] oder in L´esprit de retour[75] finden sich zahlreiche deutschsprachige Formulierungen, die das französische Textgefüge zersprengen. Wohlgezielt malen sie in düsteren Farben das bedrückende politische und soziale Klima in Reinbek bei Hamburg und im Nazi-Deutschland der 1930er Jahre aus. In L´esprit de retour liest man:

Les ancêtres d’Arthur étaient de Hambourg où les ‚Hepp, hepp, Krawallen‘ étaient encore monnaie courante en 1819: […]‚Hepp; hepp, Jude verreck, hepp, hepp der Jude muss in den Dreck, hepp hepp!‘ – ‚Juif, crève, jetons-le dans la boue!‘ Ce qui n’était encore guère méchant par rapport à ce qui allait suivre, un peu plus d’un siècle plus tard.[76]

Un Jardin en Allemagne ist ebenso voll mit Schmähungen in deutscher Sprache, wie z. B in „Ekelhafter Bengel, kleine Drecksau, petit saleté, petit cochon, […] du kleiner …. Kleiner Dreckjude, petite saleté de Juif“.[77]

Die sprachlichen und kulturellen Verschmelzungen, die eben präsentiert wurden, zeichnen sich durch Verkettung, Amalgamierung, Überlappung und Verhandelbarkeit zwischen den Kulturen aus und heben die hybride Positionierung des Autors hervor. Sie erklären die Sprache zu einem markanten kulturellen Ort, an dem das Fortbestehen des Anderen möglich ist und nicht wie z. B. in totalitären Systemen, wo die Sprache als Instrument des Ausschließens missbraucht wurde und wird. Diese Herangehensweise macht die Sprache zu einem gemeinsamen Ort, wo Begegnung und Austausch die Regel ist.[78]

 

VI.  Die verschlungenen Wege zu sich selbst

Goldschmidts Debüt war im Jahre 1961 in französischer Sprache. Ungefähr 30 Jahre lang verfasste er sein literarisches Werk ausschließlich auf Französisch.[79] Seine erste Erzählung in deutscher Sprache überhaupt, Die Absonderung, erschien im Jahre 1991. Seitdem betätigt er sich literarisch in seinen beiden „Muttersprachen“.

Bei Goldschmidt geht es immer darum, wie er seine unterschiedlichen Sprachen und verschiedenen Aspekte seiner zersplitterten Identität in Einklang bringen kann. Das postkoloniale Konzept des Dritten Raums kann adäquate Antworten auf diese Art von Identitätskrisen geben. Denn es kann die verschiedenen Komponenten einer ambivalenten Identität amalgamieren, trotzdem die kulturellen Unterschiede des Individuums bewahren und die kreative Integration des Subjekts in die neue Gesellschaft unterstützen.[80] Während andere Ansätze, die sich auch mit dem Leben von Migranten und Exilanten beschäftigen, wie die der ideologisch-belasteten Assimilation und die der Akkulturation von Verlust und Defizit sprechen, wenn zwei unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen, geht das Konzept des Dritten Raums von gegenseitiger Befruchtung, Bereicherung, Produktivität und Kreativität aus. Phänomene der Verkettung, Vermischung, Überkreuzung, Durchdringung und Hybridisierung erfolgen bei Georges-Arthur Goldschmidt sowohl auf der Identitätsebene als auch auf der Textebene. Hybride Schreibformen wie Sprachmischung oder Intertextualität sind konkrete Beispiele für die Kunst der Hybridität.

Die Tatsache, dass Goldschmidt sich die französische Sprache aneignete, beschleunigte seine Eingliederung in seine Aufnahmegesellschaft und versöhnte ihn mit sich selbst. „Mit Leib und Seele“ lernte er das Französische (Die Befreiung, S. 120). Erfahrungen, die in seiner deutschen Muttersprache verboten waren, konnte er über die französische Sprache machen. Da Goldschmidt Frankreich vor allem in der Zeit der Okkupation erlebt hatte, ist für ihn das Französische die Sprache des „Schutzes“, der „Hoffnung“, der „Befreiung“ und der „Bewahrung“ (Fl, S. 8). Die deutsche Sprache hingegen wurde von den Nazis deformiert und pervertiert, sie war eine Sprache, aus der er „ausgeschlossen“ wurde, und sie war die Sprache der „Angst“ und die der „Erinnerung an das Verbot zu leben“ (DFM, S. 51). Französisch hingegen ermöglichte ihm, seine Erinnerungen aufzuschreiben und sich seinem lebensbedrohlichen Trauma anzunähern (DFM, S. 51).[81] Das Französische als Sprache der Rettung und des Schutzes gestattete Goldschmidt, sich zu öffnen. Es ebnete ihm den Weg, frei über seine verdrängten traumatischen Erlebnisse zu erzählen. Es gab ihm Gelegenheit, die durch das Trauma erlebten pathogenen Affekte abzuführen. Im Nachwort des Verfassers in Ein Garten in Deutschland, das den Titel Seine eigenen Texte übersetzen? trägt und mit einem ins Auge stechenden Fragezeichen versehen ist, schreibt Goldschmidt:[82]

Eine Erzählung wie Ein Garten in Deutschland hätte in der Muttersprache (das Deutsche) wegen der erlebten Vergangenheit und der Erfahrung der Trennung nicht so entstehen können, wie sie eben im Französischen entstanden ist, ja sie wäre wahrscheinlich gar nicht entstanden. Erst die Übertragung (diesmal im freudschen Sinne des Wortes) in eine Sprache, in welcher die Erinnerung alles erfinden musste, ohne es erlebt zu haben, machte das Schreiben an diesem Buch möglich. (Ein Garten in Deutschland, S. 184)

Trotz des besonderen Wertes der französischen Sprache für Goldschmidts literarische Schaffen bleibt das Deutsche seine Muttersprache, die Sprache des Empfindens und der Wahrnehmung (DFM, S. 20). Die Muttersprache anzuerkennen, in ihr zu produzieren, zu erzählen und zu lieben, ist für Goldschmidt und seine Schicksalsgenossen auch eine Pflicht, weil das Deutsche Träger einer literarisch-kulturellen Tradition ist, die nicht durch eine begrenzte Zeit ganz diskreditiert werden dürfe.[83] Beide Sprachen ergreifen also ganz Besitz von ihm und er macht die beiden zu seinen „Muttersprachen“: „Meine Anima ist aber deutsch und Deutsch, nochmal, ist meine Muttersprache, genau wie es das Französische auch ist“. (Des Pudels Kern, S. 83)

Ein anderer Aspekt von Georges-Arthur Goldschmidts Identität sind – wie schon oben erwähnt – seine jüdischen Wurzeln. Seine Erziehung machte aus ihm einen Christen und er verstand sich auch als solcher. Aber sein Milieu machte ihn zu einem Juden (Des Pudels Kern, S. 114). Die ihm zugewiesene Identität war jedoch nicht die seine: „Ich bin, was ihr mir zu sein auferlegt, was ich aber im Grunde meines Ichs nicht bin. Niemand ist in sich selbst die zugewiesene Identität“ (DFM, S. 75). Das Zusammenprallen seines Verständnisses von sich selbst mit dem, wie er von seiner Umgebung gesehen wird, verursacht bei ihm eine Identitäts- und Glaubenskrise, „weil er in Wirklichkeit der ist, den man ihn nicht sein lässt“ (DbN, S. 44). Die Gotteskrise ist sowohl mit dem Wissen um die Shoah als auch mit der „Entdeckung des eigenen unüberschreitbaren und unhintergehbaren Seinsgefühls“ verbunden. Im Gespräch mit Tim Trzaskalik sagt Goldschmidt:[84]

Was mich „zum Juden machte“, […] das war einzig der Hitler. Wie kann man etwas sein, das man nicht ist? Was über mich bestimmt wurde, brauche ich nicht unbedingt zu sein […]. (Des Pudels Kern, S. 114)

Erst als Erwachsener begann er den jüdischen Teil seiner Identität zu akzeptieren (Fl, S. 282). Die psychische Devianz, die bei dem Kind eingetreten ist, weil er Jude ist und deswegen nach dem Verständnis des verbrecherischen NS-Regimes abgeschafft werden muss, führt das Kind über die Jahre zum jüdischen Glauben zurück und ermöglicht ihm eine Re-Identifikation (Des Pudels Kern, S. 115).[85]

Das Schwingen zwischen zwei kulturellen Räumen, das Ineinandergreifen und die wechselseitigen Überkreuzungen beider Sprachen und Sprachräume, das Verhandeln zwischen zwei Kontexten und die Synthetisierung und Integration divergenter Attribute und Rollen in seiner Identität ermöglichten Goldschmidt, das Trauma des Krieges und der Flucht zu bewältigen. Seine Positionierung zwischen zwei Kulturen und Sprachen ist das Ergebnis seiner Lebenserfahrung, die aus Prinzip gegen jeden Chauvinismus und gegen jeden Purifizierungswahn ist. Goldschmidt selbst sah in der Verkettung, Verschmelzung und Hybridisierung seiner verschiedenen Traditionsstränge die Lösung für die heterogenen Elemente seines Ichs, „die jedoch eine geschlossene Einheit bilden“ (Vom Nachexil, S. 9):

Uneigentlich in jeder Beziehung, jüdischer Herkunft, Agnostiker, wenn nicht Atheist gewordener Christ, Schwarzfahrer des Schicksals und immer noch da, verharre ich am Ende meines Lebens im Dazwischen […].[86]

Dieses Verständnis von Selbst lässt die Koexistenz eines Selbst-Bewusstseins im Sinne des Idealismus und der Aufklärung mit einem narzisstischen Ich im Sinne eines nachmodernen Subjektes zu.[87] Für einen Verfolgten, der aus dem Schoß seiner Heimat verstoßen wurde und das Glück hatte, den Krieg mit all seinen Gräueln zu überleben, kann also nur die Selbstverortung in einem Dazwischen die natürlichste Konsequenz sein. Eine Ortlosigkeit, die ihm erlaubt, zu sein, wer er wirklich ist: deutsch, französisch, Jude und noch viel mehr. und bringt damit sein Ich durch Selbstregulierung ins Gleichgewicht und er kann mit Descartes Worten exklamieren: „‚Ich bin, ich existiere‘.“ (Des Pudels Kern, S. 109). Goldschmidt gelingt es dadurch, die Ambiguitäten, die Differenzierung und die Beibehaltung von Differenzen in seinen Texten einzubauen und dadurch seine Integrität als Mensch zu bewahren.

 

VII.  Gegen das Vergessen und für das Miteinander

Georges-Arthur Goldschmidt schildert in seinen Erzählungen den furchtbaren Leidensweg eines Kindes und Heranwachsenden, der nicht existieren durfte, weil er Jude ist. Die Flucht über Italien nach Frankreich konnte ihm und seinem Bruder das Leben retten. Der in Frankreich erfahrene Schutz und der starke Erhaltungstrieb halfen dem Jungen, die Ambivalenzen seiner dynamischen Identität zu vereinigen. Goldschmidt versteht seine Identität als ein offenes Projekt, das stets vom Einfluss der „Verhandlung“ zwischen verschiedenen Zeitachsen und Kulturen geformt und neu verortet wird. Identität bei Goldschmidt ist nicht rigid und steif, sondern dynamisch und inhomogen, prozessual und fragmentarisch, sie ist eine instabile und unentscheidbare Entität, wo das Eigene und das Fremde sich amalgamieren und überlappen. Durch die Anerkennung, Vermengung und Durchdringung seiner verschiedenen Identitätskomponenten konnte Goldschmidt sein kindliches, tiefsitzendes Trauma verarbeiten und das Gleichgewicht der auseinanderstrebenden Kräfte seines Ichs finden. Dabei spielen seine beiden Sprachen eine bedeutende Rolle. Er setzt sie bewusst als gefügiges Werkzeug ein, um über seine Vergangenheit zu reflektieren, sich selbst zu entdecken und seine schweren Traumata zu meistern. Die therapeutische Funktion der Rede über das Erfahrene durch das Schreiben versöhnt die divergierenden Komponenten seines Ichs und wandelt sie in einen produktiven Prozess um. Das Verhandeln zwischen den inhärenten Differenzen in den formenden Elementen seines Ichs positioniert ihn in einem fluiden Grenzraum, wo die Bestandteile seiner Identität in einer stets wechselseitigen Überkreuzung, Durchdringung und Vermischung in Beziehung zueinander stehen.

Goldschmidt schreibt gegen das Vergessen und Verleugnen und für einen aktiven und verantwortungsvollen Umgang mit der Vergangenheit. Die Geschichten seiner jungen Protagonisten gehen unter die Haut und berühren den Leser, der für die seelischen und körperlichen Qualen dieser Kinder nur Sympathie empfinden kann, tief.

[1] Goldschmidt, Georges-Arthur: Die Absonderung. Erzählung. Mit einem Vorwort von Peter Handke. Zürich: Ammann Verlag, 1991.

[2] Goldschmidt, Georges-Arthur: Der Spiegeltag. Roman. Aus dem Französischen von Peter Handke. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1989.

[3] Goldschmidt, Georges-Arthur: Ein Garten in Deutschland. Erzählung. Aus dem Französischen von Eugen Helmlé. Zürich: Ammann Verlag, 1988.

[4] Goldschmidt, Georges-Arthur: Der bestrafte Narziß. Essay. Aus dem Französischen von Mariette Müller, Zürich: Ammann Verlag, 1994. Im Folgenden wird aus dieser Ausgabe unter Verwendung der Sigle DbN mit Angabe der betreffenden Seitenzahl im Fließtext zitiert.

[5] Georges-Arthur Goldschmidt: Die Aussetzung. Eine Erzählung. Zürich: Ammann Verlag, 1996.

[6] Goldschmidt, Georges-Arthur: Die Befreiung. Erzählung. Zürich: Ammann Verlag, 2007.

[7] Goldschmidt, Georges-Arthur: Die Faust im Mund. Eine Annäherung. Aus dem Französischen von Brigitte Große. Zürich: Ammann Verlag, 2008. Im Folgenden wird aus dieser Ausgabe unter Verwendung der Sigle DFM mit Angabe der betreffenden Seitenzahl im Fließtext zitiert.

[8] Goldschmidt, Georges-Arthur: Ein Wiederkommen. Erzählung. Frankfurt a. M.: S. Fischer Verlag, 2012.

[9] Goldschmidt, Georges-Arthur: Vom Nachexil. Göttingen: Wallstein Verlag, 2020.

[10] Goldschmidt, Georges-Arthur: Über die Flüsse. Autobiographie. Aus dem Französischen übersetzt vom Verfasser. Zürich: Ammann Verlag, 2001. Im Folgenden wird aus dieser Ausgabe unter Verwendung der Sigle Fl mit Angabe der betreffenden Seitenzahl im Fließtext zitiert.

[11] Treichel, Hans-Ulrich: Die Angst und das Sehen. Über Georges-Arthur Goldschmidts Erzählung Die Aussetzung. In: Asholt, Wolfgang (Hrsg.): Grenzgänge der Erinnerung. Studien zum Werk von Georges-Arthur Goldschmidt. Osnabrück: Secolo, 1999, S. 123-126, hier S. 123.

[12] Hermann Wallmann: Wie ein Buch das andere gibt. Anmerkungen zu Ein Garten in Deutschland und die Absonderung. In: Asholt, Wolfgang (Hrsg.): Grenzgänge der Erinnerung. Studien zum Werk von Georges-Arthur Goldschmidt. Osnabrück: Secolo, 1999, S. 127-134, hier 132.

[13] Vgl.: Holdenried, Michaela: Das Ende der Aufrichtigkeit? Zum Wandel autobiographischer Dispositive am Beispiel von Georges-Arthur Goldschmidt. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literatur, Bd. 234, Berlin, Bielefeld, München: Erich Schmidt Verlag, 1997, S. 1-18, hier S. 11 ff.

[14] Holdenried, Michaela: Lichtschrift der Erinnerung. Zur medialen Konstruktion von Gedächtnisbildern bei Georges-Arthur Goldschmidt. In: Asholt, Wolfgang (Hrsg.): Grenzgänge der Erinnerung. Studien zum Werk von Georges-Arthur Goldschmidt. Osnabrück: Secolo, 1999, S. 107-121, hier S. 115. Auf Seite 109 stellt Holdenried fest: „Daß es sich bei einer bestimmten Perspektive, bei der Auswahl von Ausschnitten, bei Detailsequenzen […] tatsächlich […] um Mittel der Photographie handelt“.

[15] Rector, Martin: Frühe Absonderung, später Abschied. Adoleszenz und Faschismus in den autobiographischen Erzählungen von Georges-Arthur Goldschmidt und Peter Weiss. In: Martin Rector, Jochen Vogt (Hrsg.): Peter Weiss Jahrbuch 4. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1995, S. 122-139, hier S. 127.

[16] Bachmann-Medick, Doris: Dritter Raum. Annährungen an ein Medium kultureller Übersetzung und Kartierung. In: Claudia Berger, Tobias Döring (Hrsg.): Figuren der/des Dritten. Amsterdam, Atlanta: Rodopi Verlag, 1998, S. 19-38, hier S. 20 ff.

[17] Goffman, Erving: Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. aus dem Amerikanischen von Frigga Haug, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1967, S. 11. Goffman weist auf Seite 9 auf die Ursprünge des Wortes Stigma hin,  das eine lange Geschichte hat: „Die Griechen, die offenbar viel für Anschauungshilfen übrig hatten, schufen den Begriff Stigma als Verweis auf körperliche Zeichen, die dazu bestimmt waren, etwas Ungewöhnliches oder Schlechtes über den moralischen Zustand des Zeichenträgers zu offenbaren. Die Zeichen wurden in den Körper geschnitten oder gebrannt und taten öffentlich kund, daß der Träger ein Sklave, ein Verbrecher oder ein Verräter war – eine gebrandmarkte, rituell für unrein erklärte Person, die gemieden werden sollte, vor allem auf öffentlichen Plätzen.“

[18] Ebd.: S. 12 ff.

[19] Ebd.: S. 13 ff.

[20] Malo, Markus: Behauptete Subjektivität. Eine Skizze zur deutschsprachigen jüdischen Autobiographie im 20. Jahrhundert. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 2009, S. 286 ff.

Zur Geschichte der Familie Goldschmidt in Reinbeck siehe: Alfred Schulz: Perspektiven eines Gleichartigen im Blick auf Georges-Arthur Goldschmidt, seine Familie und Reinbeck. In: Asholt, Wolfgang (Hrsg.): Grenzgänge der Erinnerung. Studien zum Werk von Georges-Arthur Goldschmidt. Osnabrück: Secolo, 1999, S. 35-47.

[21] Trzaskalik, Tim: Über Lesen und Übersetzen. Georges-Arthur Goldschmidt im Gespräch mit Tim Trzaskalik. In: Kultur & Gespenster Nr. 5. Hamburg: Textem Verlag, 2007, S. 18-49, hier S. 29.

[22] Rector: Frühe Absonderung, später Abschied, S. 127 ff.

[23] Asholt, Wolfgang (Hrsg.): Grenzgänge der Erinnerung. Studien zum Werk von Georges-Arthur Goldschmidt. Einleitung. Osnabrück: Secolo, 1999, S. 8.

[24] Rector: Frühe Absonderung, später Abschied, S. 125.

[25] Ruth, Fabian: Zur Integration der deutschen Emigranten in Frankreich 1933-1945. In: Wolfgang Frühwald, Wolfgang Schieder (Hrsg.): Leben im Exil. Probleme der Integration deutscher Flüchtlinge im Ausland 1933-1945. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1981, S. 200-206, hier S. 200.

[26] Goffman: Stigma, S. 16.

[27] Zur Beziehung zwischen Minderwertigkeitsgefühl und Schamgefühl siehe: J. Laplanche, J.-B. Pontalis: Strafbedürfnis. In: dies.: Das Vokabular der Psychoanalyse. Aus dem Französischen von Emma Moersch. Bd. 2. 3. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag, 1977, hier S. 310.

[28] Ebd.: Strafbedürfnis, S. 476-478, hier S. 477.

[29] Eggers, Christian: Not der frühen Jahre. Verhaltensstörungen im Kindesalter als Herausforderung der Gesellschaft. In: Asholt, Wolfgang (Hrsg.): Grenzgänge der Erinnerung. Studien zum Werk von Georges-Arthur Goldschmidt. Osnabrück: Secolo, 1999, S. 75-80, hier S. 75 ff.

[30] Goffman: Stigma, S. 113.

[31] Malo: Behauptete Subjektivität, S. 288.

[32] Goffman: Stigma, S. 16.

[33] Asholt, Wolfgang: Ironie des Schicksals oder Notwendigkeit der Erinnerung. Die Autobiographie von Georges-Arthur Goldschmidt. In: Ders. (Hrsg.): Grenzgänge der Erinnerung. Studien zum Werk von Georges-Arthur Goldschmidt. Osnabrück: Secolo, 1999, S. 135-150, hier. S. 141.

[34] Rector: Frühe Absonderung, später Abschied S. 130.

[35] Laplanche, Pontalis: Schuldgefühl, S. 458-460, hier S. 458.

[36] Göllner, Renate: Masochismus und Befreiung: Georges-Arthur Goldschmidt. In: Gerhard Scheit, Manfred Dahlmann (Hrsg.): sans phrase. Zeitschrift für Ideologiekritik. Heft 8, Frühjahr 2016. ça ira-Verlag, Freiburg/Wien, 2016, S. 180–191, hier S. 181.

[37] Vgl.: Barbara Breysach: Verfolgte Kindheit. Überlegungen zu Ilse Aichingers frühem Roman und Georges-Arthur Goldschmidts autobiographischer Prosa. In: Manuel Köppen und Klaus R. Scherpe (Hrsg.): Bilder des Holocaust. Literatur – Film – Bildende Kunst. Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, 1997, S. 47-61, hier S. 56.

[38] Rector: Frühe Absonderung, später Abschied, S. 130.

[39] Ähnliche Schreibstrategien stellt Monika Schmitz-Emans bei Yoko Tawada fest. Dazu Vgl.: Schmitz-Emans, Monika: Aspekte einer Poetik der Hybridität. In: Tamura Kazuhiko (Hrsg.): Schauplatz der Verwandlungen. Variationen über Inszenierung und Hybridität. München: iudicium, 2011, 103-133, hier S. 127 ff.

[40] Körte, Mona: Tier-Werden. Verwandlungsangst in Georges-Arthur Goldschmidts Autobiographie Über die Flüsse. In: Kultur & Gespenster Nr. 5, Hamburg: Textem Verlag, 2007, S. 120-129, hier S. 128 ff. Mona Körte vergleicht und analysiert Goldschmidts Verwandlungsprozesse mit denen von Kafka insbesondere mit der Erzählung Die Verwandlung von 1915.

[41] Lezzi, Eva: Zerstörte Kindheit. Literarische Autobiographien zur Shoah. Köln, Weimar, Wien: Böhlau, 2001, S. 296.

[42] Paul Ricœur: Das Selbst als Anderer. Aus dem Französischen von Jean Greisch in Zusammenarbeit mit Thomas Bedorf und Birgit Schaaff. München: Wilhelm Fink Verlag, 1996, S. 199.

[43] Erik H. Erikson: Lebensgeschichte und historischer Augenblick. Deutsche Übersetzung von Thomas Lindquist. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1977, S. 17.

[44] Vgl. Brockmeier: Erinnerung, Identität und autobiographischer Prozeß. In: Journal für Psychologie, 7. Jg., H.1 (1999), S. 22.

[45] Holdenried, Michaela: Im Spiegel ein anderer. Erfahrungskrise und Subjektdiskurs im modernen autobiographischen Roman. Heidelberg: Carl Winter Universitätsverlag, 1991, S. 491.

[46] Asholt: S. 9.

[47] Vgl.: Breysach: Verfolgte Kindheit, S. 56.

[48] Treichel, Hans-Ulrich: Die Angst und das Sehen. Über Georges-Arthur Goldschmidts Erzählung Die Aussetzung. In: Asholt, Wolfgang (Hrsg.): Grenzgänge der Erinnerung. Studien zum Werk von Georges-Arthur Goldschmidt. Osnabrück: Secolo, 1999, S. 123-126, hier S. 124.

[49] Goffman: Stigma, S. 19.

[50] Basedow, J. B.: Notwendige Anerkennung der Strafe durch das Kind (1773). In: Katharina Rutschky (Hrsg.): Schwarze Pädagogik. Quellen zur Naturgeschichte der bürgerlichen Erziehung. Frankfurt a. M., Berlin: Ullstein, 1988, S. 391-392, hier S. 391.

[51] Goldschmidt, Georges-Arthur; Treichel, Hans-Ulrich: Jeder Schriftsteller ist zweisprachig. Ein Gespräch. In: Sprache im technischen Zeitalter 32/131. Berlin 1994, S. 273-285, hier S. 280.

[52] Rector: Frühe Absonderung, später Abschied, S. 132.

[53] Der Vater starb plötzlich bei der Eröffnungsfeier eines neuen Theaters in Reinbeck, das von ihm eingeweiht werden sollte. Siehe: Trzaskalik: Über Lesen und Übersetzen, S. 35.

[54] Goldschmidt, Georges-Arthur: Des Pudels Kern. Ein Gespräch. Antworten auf die Fragen von Tim Trzaskalik. Berlin: Matthes & Seitz, 2008, S. 79.

[55] Bhabha, Homi K.: Von Mimikry und Menschen: Die Ambivalenz des kolonialen Diskurs. In: ders.: Die Verortung der Kultur. Mit einem Vorwort von Elisabeth Bronfen. Deutsche Übersetzung von Michael Schiffmann und Jürgen Freudl. Tübingen: Stauffenburg Verlag, 2007, S. 125-136, hier S. 129 f. [Herv. i. O.].

[56] Homi K. Bhabha: Zeichen als Wunder: Fragen der Ambivalenz und Autorität unter einem Baum bei Delhi im Mai 1817. In: ders.: Die Verortung der Kultur. Mit einem Vorwort von Elisabeth Bronfen. Deutsche Übersetzung von Michael Schiffmann und Jürgen Freudl. Tübingen: Stauffenburg Verlag,  2007, S. 151-180, hier S. 172.

[57] Gebauer Gunter, Wulf Christoph: Spiel – Ritual – Geste. Mimetisches Handeln in der sozialen Welt. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1998,, S. 19.

[58] Michael Taussig: Mimesis und Alterität. Eine eigenwillige Geschichte der Sinne. Aus dem Amerikanischen von Regina Mundel und Christoph Schirmer. Hamburg: Konstanz University Press,1997, S. 80.

[59] Holdenried: Lichtschrift der Erinnerung, S. 114.

[60] Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. Übersetzt von Dietrich Leube. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1989, S. 20.

[61] Tim Trzaskalik: Über Lesen und Übersetzen, S. 42.

[62] Barthes: Die helle Kammer, S. 21.

[63] Hölderlin, Friedrich: Andenken. In: ders.: Gedichte. Hg. von Gerhard Kurz in Zusammenarbeit mit Wolfgang Baumgart. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 2005, S. 383-384, hier S. 384.

[64] Vgl.: Bertaux, Pierre: Friedrich Hölderlin. Eine Biographie. Frankfurt a. M.: Insel Verlag, 1991.

[65] Goffman: Stigma, S. 117.

[66] Lezzi: Zerstörte Kindheit, S. 282.

[67] Asholt, Wolfgang: Georges-Arthur Goldschmidt. In: Kritisches Lexikon zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur (KLƒG), Bd 5. München: edition Text + Krititk, 2000, S. 1-22, hier S. 10.

[68] Laplanche, Pontalis: Kathartische Methode oder katartisches Heilverfahren, S. 247-249, hier S. 247.

[69] Aristoteles: Poetik. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Manfred Fuhrmann. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1982, S. 19.

[70] Laplanche, Pontalis: Kathartische Methode oder katartisches Heilverfahren, S. 249.

[71] Vgl.: Michaela Holdenried: Das Ende der Aufrichtigkeit? S. 5.

[72] Goffman: Stigma, S. 134.

[73] Goldschmidt, Georges-Arthur: Un Jardin en Allemagne. Paris: Seuil, 1986.

[74] Goldschmidt, Georges-Arthur: La traversée des fleuves. Paris: Seuil, 1999.

[75] Goldschmidt, Georges-Arthur: L´esprit de retour. Paris: Seuil, 2011.

[76] Goldschmidt: L´esprit de retour. Paris, S. 75. [Herv. i. O.].

[77] Goldschmidt: Un Jardin en Allemagne, S. 39. [Herv. i. O.].

[78] Vgl. Ashcroft Bill, Griffiths Gareth, Tiffin Helen: The empire writes back: Theory and Practice in Post-Colonial Literatures. London, New York: Routledge, 1994., S. 77.

[79] Bevor Goldschmidt das Deutsche als literarische Schreibsprache verwendete, war er für lange Jahre als Kultur-Korrespondent für die Frankfurter Rundschau tätig. Vgl. Kremnitz, Georg: Mehrsprachigkeit in der Literatur. Wie Autoren ihre Sprache wählen. Aus der Sicht der Soziologie der Kommunikation. Wien: Edition Praesens, 2004, S. 195.

[80] Für weitere Kritikpunkte gegen den Akkulturationsansatz und Argumente für dessen Erweiterung auf den Hybriditätsansatz vgl. El Mtouni, Said: Exilierte Identitäten zwischen Akkulturation und Hybridität. Würzburg: Ergon Verlag, 2015, S. 52 f.

[81] Vgl.: Trzaskalik, Tim: Gegensprachen. Das Gedächtnis der Texte. Georges-Arthur Goldschmidt. Frankfurt a. M., Basel: Klostermann/Nexus, 2007, 310 ff.

[82] Vgl. a.: Hein-Khatib, Simone: Mehrsprachigkeit und Biographie. Zum Sprach-Erleben der Schriftsteller Peter Weiss und Georges-Arthur Goldschmidt. Tübingen: Gunter Narr Verlag, 2007, S. 218.

[83] Goldschmidt, Georges-Arthur: Wie Grün Rot werden soll oder die Metamorphose des Übersetzens. In: Gil, Alberto und Schmeling, Manfred (Hrsg.): Kultur Übersetzen. Zur Wissenschaft des Übersetzens im deutsch-französischen Dialog. Berlin: De Gruyter, 2009, S. 5-14, hier. S. 14.

[84] Asholt: Georges-Arthur Goldschmidt. In: Kritisches Lexikon zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur, S. 16.

[85] Goffman: Stigma, S. 173.

[86] Georges-Arthur Goldschmidt: In Gegenwart des abwesenden Gottes. Aus dem Französischen übersetzt von Brigitte Große. Zürich: Ammann Verlag, 2003, S. 85.

[87] Kambas, Chryssoula: als Kind verboten werden. Autobiographie und Erinnerung bei Georges-Arthur Goldschmidt und Saul Friedländer. In: Asholt, Wolfgang (Hrsg.): Grenzgänge der Erinnerung. Studien zum Werk von Georges-Arthur Goldschmidt. Osnabrück: Secolo, 1999, S. 81-106, hier S. 82.

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