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Oct 31 2012

Gabriele Eichmanns

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Christoph Ransmayrs Der Weg nach Surabaya – Auf den Spuren einer unliebsamen deutsch-österreichischen Vergangenheit

Christoph Ransmayr ist wohl einer der profiliertesten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. Berühmt geworden durch Werke wie Die Schrecken des Eises und der Finsternis (1984), Die letzte Welt (1988) oder Morbus Kitahara (1995) und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Franz-Kafka-Preis (1995), dem Bertolt-Brecht-Literaturpreis der Stadt Augsburg (2004) und dem Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln (2007), reiht sich Ransmayr ein in die Gruppe von erfolgreichen Schriftstellern, zu denen unter österreichischen Kollegen Elfriede Jelinek, Josef Haslinger, Marlene Streeruwitz oder Norbert Gstrein zu zählen sind. Ransmayrs Werk ist geprägt von der intensiven Beschäftigung mit philosophischen sowie ethnologischen Fragen, wobei es in vielen seiner Bücher um Extremsituationen geht, in denen sich Menschen unerwartet wiederfinden oder sich diesen willentlich aussetzen. So untersucht Ransmayr in Die Schrecken des Eises und der Finsternis die österreichisch-ungarische Polarexpedition von 1872-74, kreiert in Morbus Kitahara eine deindustrialisierte Welt als Folge einer Kriegsniederlage und beschreibt in Der fliegende Berg (2006) die Suche nach einem sich im Land Kham in Osttibet befindenden, noch unentdeckten Berg, dessen Besteigung für einen der Beteiligten tödlich endet. Die Protagonisten erkunden entfernte Orte, dringen in noch unerforschte Regionen vor und holen darüber hinaus vergangene Zeiten in die Gegenwart zurück. Denn es ist vor allem die Thematik der Vergänglichkeit sowie der Versuch, die Erinnerung an Vergangenes zu bewahren, was viele der Ransmayrschen Werke auszeichnet und sie miteinander verbindet. So auch in dem 1997 publizierten Buch Der Weg nach Surabaya, welches im Folgenden Gegenstand der Untersuchung sein soll.

Der Weg nach Surabaya enthält eine Sammlung von kleinen Prosastücken sowie kurzen Reisereportagen, die bereits vorab in Zeitschriften wie Merian und GEO ihre Veröffentlichung fanden. In diesen häufig nur wenige Seiten umfassenden Erzählungen wandelt Ransmayr auf den Spuren der Vergangenheit, beschäftigt sich sowohl mit den Erinnerungen seiner oftmals in die Jahre gekommenen, vielfach österreichischen Protagonisten als auch mit der Geschichte ganzer Landstriche und Regionen. Was er vorfindet, ist zunächst eine gewisse Gelassenheit, wenn nicht gar Gleichgültigkeit dem unerbittlichen Lauf der Zeit gegenüber, welche von vielen Protagonisten der Erzählungen an den Tag gelegt wird. Das Verdrängen von Altem durch Neues wird keinesfalls als schlecht verdammt, sondern durchaus befürwortet; denn wer könne sich am Ende des 20. Jahrhunderts noch eine Welt ohne Fernseher, fließend Wasser oder gar Elektrizität vorstellen. Diese technischen Errungenschaften seien ein Segen für die Menschheit und nicht mehr aus dem heutigen Leben wegzudenken. Dass dabei Traditionshandwerk durch Maschinen ersetzt werde oder ein Meer von Apfelbäumen dem Bau der österreichischen Autobahn weichen müsse, sei zwar eine traurige, jedoch unvermeidbare Tatsache, die scheinbar klaglos hingenommen wird.

Trotz der propagierten Offenheit Neuerungen gegenüber lässt sich gleichzeitig ein großes Bedürfnis erkennen, das Vergangene zu bewahren. Die Erkenntnis der Unwiederbringlichkeit des einmal Geschehenen sowie das völlige Ausgeliefertsein an die sich ändernden Zeiten lösen melancholische Gefühle unter den Protagonisten aus und finden desweiteren ihre Widerspiegelung in der unbeugsamen Natur, die aufs Geradewohl zu geben und zu nehmen scheint. In besonderem Maße ist es das von Menschenhand geschaffene Werk, das den Naturgewalten wehrlos ausgesetzt ist und keinen bleibenden Bestand hat. Dies illustriert Ransmayr detailliert in der Geschichte „Ein Leben auf Hooge“ anhand einer Hallig, einem künstlich aufgeschütteten Flecken Erde vor der Nordseeküste, welchem Jahr um Jahr ein Teil seiner Landmasse von den unerbittlichen Wassern der See entrissen wird. Nichts ist von Dauer, alles letztendlich dem Untergang geweiht, so der allgemeine Tenor der Erzählung – was jedoch die Protagonisten nicht davon abhält, der Vergänglichkeit dieser Welt mit vereinten Kräften entgegen zu arbeiten und zu bewahren, was ihnen zu bewahren würdig erscheint, sei es in Form von Bildern, Gedenktafeln, Kunstwerken oder alltäglichen Artefakten, die sie in Heimatmuseen oder gar ihren eigenen Häusern dem neugierigen Besucher präsentieren.

Obwohl Ransmayrs Protagonisten ihre Vergangenheit mit allen Mitteln zu erhalten versuchen und im Zuge dessen diese scheinbar bereitwillig offenlegen, ist es eine Vergangenheit, die sich durch ein bewusst selektives Erinnern auszeichnet.  Unliebsames wird beschönigt oder gleich dem Vergessen überantwortet, da nur Ausgewähltes im kollektiven Gedächtnis verbleiben soll.  Dies trifft sowohl auf die eigene als auch auf die österreichische Vergangenheit zu und dort insbesondere auf den Zweiten Weltkrieg sowie die Zeit der Nationalsozialisten, welche zwiespältige Reaktionen auslöst, wenn sie denn überhaupt Erwähnung findet. So gerne alte Fotos hervorgekramt und ehemalige Gebrauchsgegenstände, ja gesamte Werksstätten musealisiert und dem unbedarften Besucher stolz präsentiert werden, so hartnäckig zeichnen sich die Geschehnisse während der Zeit des Anschluss Österreichs durch ein beredtes Schweigen aus. Zeitzeugnisse werden sorgfältig verborgen gehalten, Hakenkreuze auf Bildern übermalt und Kriegsdenkmäler vor Touristen versteckt. Es findet demzufolge eine Umschreibung der Vergangenheit statt, die sich nicht an vorgefundenen Fakten orientiert, sondern in erster Linie auf eine vorteilhafte Darstellung der österreichischen Nation bedacht ist. Im Folgenden soll nun der Umgang mit Vergangenem näher beleuchtet und vor allem auf das zwiespältige Verhältnis der Österreicher zu ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit näher eingegangen werden. Dabei widmet sich meine Analyse zunächst ganz allgemein dem Erinnern der Ransmayrschen Protagonisten, um dann auf die selektive Erinnerungsarbeit das Dritte Reich betreffend überzugehen.

Wie schon erwähnt, steht in Der Weg nach Surabaya der Akt des Erinnerns im Vordergrund, welcher nicht selten eine weit entfernte Vergangenheit zum Thema hat. Erinnert wird oftmals eine bereits untergegangene Welt, zu welcher die Erinnernden einstmals gehörten, nun jedoch gezwungen sind, ihrem eigenen Ableben hilflos entgegen zu sehen. Besonders deutlich wird dies in den Geschichten von fünf Neunzigjährigen, die im 19. Jahrhundert geboren, noch Donaumonarchie und Kaiser Franz Joseph zu ihrem Alltag zählten. Da wäre einmal Therese S., deren Vater Zimmeraufseher für die Gemächer der Wiener Hermesvilla, „in denen sich die legendäre Kaiserin ‚Sissi‘ zeitweise aufhielt“ (187)[i] war und die im vermeintlichen Glanze des kaiserlichen Ruhms aufwuchs. Von Wien durch ihren Ehemann in die Provinz versetzt, blickte sie damals sehnsuchtsvoll auf ihre Tage in der Metropole zurück, jedoch wohl wissend, dass „das Leben in der ‚Provinz‘ […] immerhin den Vorteil einer sicheren Ruhe [brachte], die selbst in diesem ‚furchtbaren zweiten Krieg‘ kaum gestört wurde“ (187-88). Von den Unwägbarkeiten der Geschichte weitestgehend verschont, stellt Therese nun keine Ansprüche mehr an ihr Leben: Die Fotos der Kinder und Enkelkinder sind sorgsam in Alben verwahrt wie auch die mit Buntstift fabrizierten „Meeres- und Gebirgslandschaften“ (188) ihres verstorbenen Mannes. Die vorhandenen Erinnerungen scheinen von nur noch untergeordneter  Bedeutung, rücken immer weiter in die Ferne, was insbesondere an jenen Bildern des Ehemannes deutlich wird, welche Therese hin und wieder „‘wie durch ein Fenster‘“ (188) betrachtet. Die Vergangenheit ist unwiederbringlich verronnen, was auch gut so ist, wie Luise L., eine weitere Neunzigjährige, konstatiert, die nach ihren Erinnerungen „jetzt kein Heimweh mehr“ hat (191). „Sie ist froh, dass ‚das vorbei ist‘“ (191). Ebenso belastet sie die Gegenwart nicht länger, was nicht zuletzt an den nur spärlichen Geräuschen liegt, die es vermögen, in das Bewusstsein der fast tauben Luise zu dringen. Die Außenwelt verstört nicht, hält lediglich durch Fernseher und einige wenige Zeitschriften ihren Einzug in ein Leben, das vor Überraschungen gefeit ist und sich durch ein unaufgeregtes Warten auf den Tod auszeichnet.

Trotz der scheinbar gelassenen Einstellung der in die Jahre Gekommenen kann sich der Leser einer schwer zu beschreibenden Melancholie nicht erwehren, welche insbesondere durch die den kurzen, anekdotenhaften Erzählungen beigefügten Fotos verstärkt wird. Diese zeigen die Neunzigjährigen in ihrer vertrauten Umgebung, wobei es jedoch interessanterweise die vorhandenen Einrichtungsgegenstände, Wandbilder und Tapeten sind, welche den meisten Raum einnehmen und die eigentlichen Hauptpersonen an den unteren Rande der Fotographien drücken. Vor allem das Weiß der Tapete ist es, das dominant im Vordergrund steht und so den Eindruck einer Leere vermittelt, hinter welcher die Protagonisten zu verschwinden scheinen. Überhaupt, so scheinen die Fotos zu suggerieren, geht es nicht primär um die abgebildeten Personen, sondern vielmehr um eine Welt, die von den Abgelichteten geschaffen wurde und welche mit deren Tode ebenfalls zu Grabe getragen wird. Daher kann sich der Betrachter nur schwer seiner Gefühle erwehren, bei den Fotos handele es sich um Zeugnisse des Vergessens und Verschwindens und nicht des Erinnerns und Bewahrens. Nicht Dauerhaftigkeit, sondern die unaufhaltbare Vergänglichkeit des Lebens ist es, die Ransmayr hier auf subtile Weise herausstellt und welcher, wie die Neunzigjährigen wohl erkannt haben, kein noch so vehementes Aufbegehren Einhalt gebietet. Oder, wie es Susan Sontag in ihrem viel beachteten Werk On Photography beschreibt, sind es Memento Mori, die eben gerade jene melancholische Stimmung wiedergeben, welche der Text zu Verleugnen sucht: „As the fascination that photographs exercise is a reminder of death, it is also an invitation to sentimentality” (71).

Tod und Vergehen finden ferner eine eingehende Betrachtung in der Erzählung „Die ersten Jahre der Ewigkeit“, in welcher weniger das photographische Abbilden als das künstlerische Bemalen von Totenschädeln im Vordergrund steht. Hier treffen wir auf den Totengräber Friedrich Valentin Idam von Hallstatt, welcher uns im Detail seine Bestattungspflichten und Begräbnisrituale sowie seine Affinität zu diesem recht ungewöhnlichen Beruf erklärt. Selbst noch nicht einmal 25 Jahre alt und gelernter Holzbildhauer ist es Idam ein Anliegen, den Toten das letzte Geleit zu geben, sie in ihrer ewigen Ruhe zu beschützen und durch das Bemalen der aus dem zu eng gewordenen Grab entfernten Totenschädel mit Blumenschmuck dem Prozess des Vergessenwerdens Einhalt zu gebieten. Denn in Hallstatt, welches in einem engen Tal gelegen ist und „ wo schon der Platz für die Lebenden so knapp ist, bleibt den Toten nur eine gemauerte Terrasse, ein steinernes, mit Lehmerde gefülltes Nest im Schatten der katholischen Pfarrkirche“ (64). Hier hält die Totenruhe selten länger als zehn Jahre an, bevor die Gebeine aus der Erde entfernt, im Karner aufbewahrt und letztendlich auf Wunsch bemalt werden: „Eichenlaub und Efeu auf die Stirnen der Männer, Blütenzweige und Blumenkränze auf die Stirnen der Frauen“ (64). Das Fortsetzen dieses vierhundert Jahre alten Brauches, nur noch selten praktiziert, reiht Idam in eine lange Reihe von Hallstätter Totengräbern ein und lockt alljährlich 250 000 Touristen an, allesamt mit ihren Kameras bewaffnet, um die verzierten Schädel für die Daheimgebliebenen festzuhalten und durch ihre Fotos den zeitlich beschränkten Triumpf über die Vergänglichkeit zu dokumentieren.

Das Bedürfnis der Dokumentation alles Vergangenen findet der Leser wieder und wieder in den Ransmayrschen Erzählungen und durchzieht diese wie ein roter Faden. Obwohl das Alte seinen Dienst geleistet habe und nun Platz für Neues schaffen müsse, so der Tenor, stößt der Leser auf zahlreiche Versuche, die Vergangenheit auf die ein oder andere Weise dem Vergessen zu entreißen und sie für die Nachwelt zu erhalten. So bevölkern beispielsweise eine ansehnliche Zahl von Heimatmuseen die Geschichten, deren Ubiquität auf den kollektiv unternommenen Versuch des verzweifelten Bewahrens einer einstmals so vertrauten Kultur schließen lässt. Allein in der Erzählung „Ein Leben auf Hooge“ ist gleich von drei eifrigen Inselchronisten die Rede: dem Hufschmied und Kirchenrechnungsführer Johannes Hansen, welcher neben seinen aus Bernstein geschnitzten Seehunden an Land gespülten Hausrat von untergegangenen Warften verwahrt, dem Postschiffer Hans von Holdt, der ein Heimatmuseum eingerichtet hat, „in dem er gegen eine Mark Eintritt zeigt, was ihm an der Geschichte wertvoll erschien“ (17) sowie seiner Nachbarin Klara Joachimsmeier, die „ihre Wohnung, ihr ganzes Haus zum Museum gemacht“ (18) hat und der Öffentlichkeit ihre Schätze zum Bestaunen zur Verfügung stellt. Das eigene Leben wird unter oftmals größter Anstrengung archiviert und katalogisiert, die Geschichte der Heimat musealisiert mit der Intention, dem eigenen Leben Signifikanz über den Tod hinaus zu geben und dadurch für die Nachwelt lebendig zu bleiben.

Wie Alon Confino in seinem Buch Germany as a Culture of Remembrance. Promises and Limits of Writing History detailliert ausführt, spiegelte das Heimatmuseum nicht nur den Drang nach Überlieferung und Bewahrung des Vergangenen wider, sondern es erschuf eine Vergangenheit, die es in der vorgestellten Form niemals gegeben hatte. Heimatmuseen entstanden verstärkt am Ende des letzten Jahrhunderts, allein 371 in den Jahren von 1890 bis  1918, und verfolgten das Ziel „the uniqueness of the locality“ (42), welche nicht selten von der Vorzeit bis zur Gegenwart seine Darstellung fand, zu präsentieren. Es  ging keineswegs um eine akademische Aufbereitung nationaler Artefakten, sondern, im Gegenteil, um die Beschäftigung mit „small people instead of elites […] the locality as the location of the origins of the nation“ (43). Das vormals als unbedeutend, alltäglich Abgewertete sollte der Nachwelt in seiner ganzen Signifikanz, die es für das eigene Leben innehatte, dargeboten werden. Dass es dabei jedoch nicht immer um eine getreue Darstellung der Wahrheit ging, sondern vielmehr um die Erschaffung eines Mythos, welcher der lokalen  Kultur einen besonderen Glanz verleihen sollte, wurde verschwiegen. Wie Confino konstatiert, so war „[t]ruth […] never a goal. Traditions could be invented, providing they conformed to contemporary notions of ancientness, peasant culture, and Swabianness and that they would not stand out awkwardly among real historical traditions“ (40-41). Die eigene Geschichte wurde umgeschrieben und den Bedürfnissen der Zeit angepasst. Heimatfolklore entstand in Form von vorgeblich traditioneller Bekleidung, Sitten und Gebräuchen, denen nicht selten ein antiquierter Anstrich verliehen wurde, um Authentizität zu suggerieren und die eigene Heimat in ihrer vermeintlich ursprünglichen Reinheit zu präsentieren. Folglich täuschte das Heimatmuseum eine bereinigte Geschichtsversion des Kollektivs vor, die alsbald als einzige offzielle Version der Heimat vermerkt wurde.

In diesem Zusammenhang der bewusst vorgenommenen Geschichtsklitterung lässt sich auch Maurice Halbwachs anführen, der im vergangenen Jahrhundert herausstellte, dass im kollektiven Gedächtnis einer jeden Gruppe nicht notwendigerweise verankert wird, was der Wahrheit entspricht, „sondern es rekonstruiert [die Vergangenheit] mit Hilfe materieller Spuren, Riten, Texte und Traditionen, die sie hinterlassen hat, aber auch mit Hilfe von neuerlichen psychologischen Gegebenheiten, d.h. mit der Gegenwart“ (296). Die Vergangenheit setzt sich demzufolge nicht aus feststehenden, verifizierbaren Tatsachen zusammen, sondern vielmehr aus fortwährenden Neudeutungen dieser, welche den Bedürfnissen einer Gruppe immer wieder angepasst werden und so den Zusammenhalt dieser sichern. So auch in der Geschichte „Die vergorene Heimat. Ein Stück Österreich“, in welcher sich eine wehmütige Beschreibung des Untergangs des ehemals blühenden Mostviertels mit seinen zahlreichen Obstbäumen findet. Von der daniederliegenden Mostwirtschaft ist die Rede, von Höfen, die sich schon lange nicht mehr rentieren und von der in die Jahre gekommenen Bauernbevölkerung, die nun ins Ausgedinge muss. Traditionelle Geräte und Werkzeuge landen auf dem Müllhaufen oder werden in dem Versuch, dem Laufe der Zeit entgegenzuwirken in besagten Heimatmuseen ausgestellt, beispielsweise in jenem von Karl Piaty. Der nun bettlägerige Bäckermeister und Konditor kämpfte lange Zeit mit allen Mitteln gegen das Sterben des Mostviertels an, „rettete mit wachsender Leidenschaft aus Abbruchhöfen, Speichern und Scheunen, was vom Fortschritt bedroht war, von fliegenden Altwarenhändlern, dem Moder oder dem Feuer der Kachelöfen und Herde“ (47) und  triumphierte zunächst „über die Vergänglichkeit“ (41) in seinen neun Dachkammern, in denen er neben zweitausend ausgedienten Gegenständen achttausendsechshundert Lichtbilder in einhundertsieben Kassetten und achtzehn schwarzen Ordnern verwahrte (43). Piaty machte nicht nur die beklagenswerte Dezimierung der Obstbäume in seiner Heimat für die Besucher seiner Dachkammern sichtbar, sondern erreichte „in siebenhundertzweiundvierzig Vorträgen in Pfarr- und Gemeindesälen und einmal sogar im Auditorium Maximum der Wiener Universität“ (46-47) ein weitaus größeres Publikum, in welchen die Heimat in all ihrer Schönheit eine zeitlich begrenzte Wiederbelebung fand. Der Tatsache, dass es sich bei der Darstellung des ehemaligen Mostviertels um eine mystifizierte Version der Vergangenheit handelte, maß Piaty keine Bedeutung zu.. Es waren die wirtschaftlichen Erfolge, die Größe des Hofes, der hervorragende Ruf des eigenen Mosts über die Grenzen des Mostviertels hinaus, welche im kollektiven Gedächtnis verbleiben sollten, und nicht die „arme[n] Zeiten. Auf den Höfen plagte sich viel Gesinde, in den Wirtshäusern fehlte den Taglöhnern und Arbeitslosen vor dem Krieg – und den Krüppeln und Heimkehrern nach dem Krieg – das Geld für Wein und Bier“ (46). Negatives wird bewusst ausgeklammert; das Vergangene glorifiziert, um bei den sich zahlreich einfindenden Touristen eine „gepflegte Sehnsucht nach der schönen Schlichtheit und Natürlichkeit einer untergegangenen Bauernwelt“ (54) zu wecken, aus dieser leicht Profit geschlagen werden kann.[ii]

Ist die Mythisierung der Vergangenheit im Mostviertel in kleinem Rahmen zu bemerken, so lässt sich diese weitaus stärker in der Erzählung „Auszug aus dem Hause Österreich“ ausmachen. In dieser Geschichte wird die einstige Macht der k.u.k. Monarchie von einer getreuen Schar ehemaliger Adeliger sehnsuchtsvoll heraufbeschworen und, wenn auch nur für kurze Zeit, euphorisch wiederbelebt. Anlass dazu ist der 90. Geburtstag der Kaiserin Zita, zu welchem zwei vollbesetzte Reisebusse am 5. April 1982 von Wien nach Chur in der Schweiz aufbrechen, zahlreiche Geschenke im Gepäck. Auf der zweitägigen Reise wird die Vergangenheit immer mehr zur Gegenwart, überlagern Erinnerungen an die längst verflossene Donaumonarchie sowohl zeitgenössische Geschehnisse als auch die Existenz der österreichischen Republik. Die kaiserliche Nationalhymne „Gott erhalte“ wird sentimental angestimmt, gegen das Habsburgergesetz gewettert und sich längst verbotener Adelstitel bedient. Die letztendliche Rückkehr der Monarchie und ihr Wiedererstarken werden zur Gewissheit, ja zu einer unverzichtbaren Notwendigkeit, wie Herr Feigl, Biograph der Kaiserin Zita, selbstsicher bemerkt: „’Habsburg ist das fähigste und führende Haus Europas und wird, gleichgültig in welcher Staatsform, nach einer Kette von schlimmen Erfahrungen  mit Emporkömmlingen wieder an seinen rechtmäßigen Platz zurückkehren – den Platz an der Spitze, denn der ist in Österreich nach wie vor der Familie Habsburg vorbehalten’“ (99).

Eine utopische Zukunftsvision, welche ebenfalls einer fiktiven Vergangenheit bedarf, um verständlich zu werden: nämlich der Glorifizierung des österreichisch-ungarischen Reiches als einem Ort friedlicher Einheit und genuiner Heimat aller Österreicher: „Die Kapuzinergruft! Jawohl, dort musste jene Heimat liegen, die jedem wahrhaften Österreicher in die Kindheit schien“ (101). Hier findet sich eine deutliche Anspielung auf den vielzitierten Ausspruch des Philosophen Ernst Blochs, welcher sich in seinem Werk Das Prinzip Hoffnung u.a. mit dem Begriff der Heimat auseinandersetzt und diesen als  „etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war“ definiert (1628). Wie Peter Blickle in seinem wegweisenden Buch Heimat. A Critical Theory of the German Idea of Homeland im Zusammenhang mit Blochs Zitat formuliert, zeichnet sich die Heimatidee durchwegs durch „[a] softly glowing, intermingled aura of innocence and authenticity“ (131) aus, wobei für unsere Analyse in erster Linie das Konzept der Unschuld von großer Wichtigkeit ist. Denn, wie aus der Ransmayrschen Erzählung deutlich hervorgeht, ist es wiederum ein idealisiertes Bild der Heimat, welches zweifelsohne in den Vordergrund gestellt wird und bewusst die dunklen Seiten der Regierungszeit des Kaisers Franz Joseph zu ignorieren sucht. Vergessen, wie sein Sohn Rudolf in Mayerling vor seinem Tode ausführte, sind „der Egoismus des Adels“, „die Armuth der Völker“, die „Hemmung jeder Entwicklung“ (104) durch die Herrschenden, dem „Fluch für die Menschheit“ (104). Vergessen das Unverständnis des Kaisers seinen „geliebten Völker[n]“ gegenüber, das von ihm angerichtete Blutbad in der Schlacht von Solferino (105), die Ablehnung des Kaisers von Fortschritt in jeglicher Form – „diese[s] unselige[n] Kaiser[s]“, wie Friedrich Heer, der „Historiker Österreichs“, unmissverständlich ausführt, „diese[s] ungeheuerliche[n] Diktator[s] und in jeder Weise geistig und seelisch impotente[n], kleinwüchsige[n] und lebensfeige[n] Mensch[en]“, welcher „die durchaus umbaufähige Monarchie zugrunde gerichtet hat“ (119). Unliebsame Geschichte wird dem Schweigen überantwortet; und auch die Weigerung der Kaiserin Zita seit 63 Jahren „die von ihr verlangte Verzichtserklärung zu unterzeichnen“ (113) als der heroische Akt einer Märtyrerin (113) aufgefasst.

So wenig die Donaumonarchie in ihrem wahren Lichte betrachtet werden will, so ist es auch die problematische Beziehung zu den Deutschen und speziell zu der fatalen Vergangenheit im Dritten Reich, welche immer wieder zugunsten der österreichischen Nation neu verhandelt wird. Die Affinität zu Deutschland wird einerseits als grober Verrat aufgefasst, wie es in Otto von Habsburgs Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft 1978 deutlich wird – „Die deutsche Staatsbürgerschaft! Sollte auch Er das Haus Österreich mit einer blinden Liebe zu Deutschland betrogen haben?“ (101) – andererseits, wie Friedrich Heer klar herausstellt,

war bereits der Kaiser geblendet von jenem Deutschlandbild, das in Österreich durch die Jahrhunderte gewirkt hat und immer noch wirkt. Eine Imagination, verstehen Sie?, ein Bild, das es in der Wirklichkeit nie, nie gegeben hat. Der deutsche Bündnispartner war doch ebenso irreal wie das Deutschland der Dichter und Denker […] schon die Offiziere um diese Unglücksmenschen Karl und Zita haben an ein ähnliches Deutschland geglaubt wie Hitler‘ (119-20).

Es ist somit ein ambivalentes Verhältnis der Österreicher zu ihren deutschen Nachbarn und ehemaligen Kriegsverbündeten, welches jedoch nur ungenügend in seiner Vielschichtigkeit zu Tage tritt. Erinnert wird erneut, was der eigenen Mythenbildung zuträglich, und insbesondere für die österreichische Nation von Vorteil ist. So war beispielsweise der Anschluss zunächst eine durchaus wünschenswerte Maßnahme, wie Ransmayr deutlich durch seinen ironischen Erzählton herausstellt, wenn er von der „vernünftigen, wimpel- und fähnchenschwenkenden Menschheit von Waidhofen“ spricht, die die Nazis freudig willkommen hießen (42). Dass dabei die mongoloiden Brachnerbrüder, welche ebenfalls einen Teil der Menge bildeten, in späteren Jahren zu den Verschwundenen zählten, findet nur am Rande Erwähnung, wird aus der Geschichte herausgeschrieben und damit aus dem kollektiven Gedächtnis der Österreicher.

Die problematischen deutsch-österreichischen Beziehungen finden desweiteren eine ausführliche Beleuchtung in der Erzählung „Kaprun oder die Errichtung einer Mauer“, in welcher es um den Kapruner Talsperrenbau, einem Symbol für die österreichische Nation geht. Auch hier sehen wir deutliche Formen von Geschichtsklitterung, bewusst vorgenommen, um den Mythos der Kapruner Talsperre, der eng mit jenem der Nation Österreich verknüpft ist, aufrecht zu erhalten.[iii] Wie Benedikt Anderson, ähnlich wie zuvor Halbwachs, in seinem Klassiker Imagined Communities bemerkt, ist die Mythenbildung ein wichtiger Bestandteil von Nationen, um durch gemeinsame Legenden und Heldenepen ein Volk unwiderruflich zusammen zu schweißen und infolgedessen ein Fundament für Zusammenhalt und Loyalität zu schaffen. Allerdings beinhalte diese Mythenbildung, laut Anderson, eben nicht nur das Schaffen von Identifikationsobjekten, sondern basiere in gleichem Maße auf der Notwendigkeit des Vergessens und Verdrängens von Geschichte, um so unliebsame Geschehnisse der Vergangenheit eliminieren zu können: „Having to ‘have already forgotten’ tragedies of which one needs unceasingly to be ‚reminded’ turns out to be a characteristic device in the later construction of national genealogies“ (201). So sei es Nationen zwar nur bedingt möglich, selbst hervorgerufene Katastrophen, Pogrome oder Kriege zu verheimlichen, jedoch seien diese äußerst unangenehmen Ereignisse nur am Rande in der Erinnerung präsent — sei es die Bartholomäusnacht in Frankreich oder die Rassenkonflikte in den Vereinigten Staaten — um durch besagte Verdrängung Einheit und Zusammengehörigkeit eines Volkes vortäuschen zu können.

Auch in Kaprun lässt sich die Notwendigkeit eines bewussten Vergessens von vergangenen Gräueltaten nachweisen. In besagter Erzählung besucht Ransmayr die Kapruner Stauseen, deren gigantische Ausmaße ihn nicht nur ästhetisch sehr beeindrucken, sondern deren enormes Zerstörungspotential  — die in den Seen gelagerten Wassermassen haben die Macht, ganze Täler unter sich zu begraben — ihn zu philosophischen Diskursen über ein Leben in einer fortwährenden Gefahrenzone veranlasst. Kaprun, ein österreichisches Jahrhundertprojekt, welches nur unter dem Aufgebot aller zur Verfügung stehenden Kräfte, ob freiwillig oder unfreiwillig, und nach etlichen Rückschlägen zu seiner letztendlichen Fertigstellung gelangen konnte, ist nicht nur der ganze Stolz der Kapruner Bevölkerung,  sondern gilt darüber hinaus als nationales Symbol für Österreich und dessen glanzvolle technische Leistungen. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, wie Ransmayr unumwunden zugibt: Die Stauseen sind imposant in ihrer schier unendlichen Ausdehnung und verleihen der Landschaft eine auf den ersten Blick friedlich-idyllische Atmosphäre. Wagt man sich allerdings, wie der Autor selbst, zur winterlichen Jahreszeit hinauf in die Berge, bietet sich dem Wanderer ein vollständig anderes Bild. Unansehnlich liegen sie da, die vom Wasser geleerten Stauseen, auf deren Grund „die wüsten, grauen Steinhalden, aus deren Bodensatz dann langsam die Ruinen des Arbeiterlagers, der Orglerhütte und alles Versunkene wieder auftauch[en]“ (82). Denn unter der schimmernden Oberfläche der blauen Wasser liegt eine Baugeschichte des Schreckens begraben, welche in Kaprun allerdings nicht als Grund für eine intensive Beschäftigung und Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit angesehen wird:

An die düstere erste Bauphase während des Krieges erinnert man sich der Genauigkeit halber nicht – das war schließlich eine großdeutsche Zeit und keine österreichische, weiß Gott, und zudem die Zeit der Gefangenen- und Zwangsarbeiterlager am Rande des Dorfes und auf den Almen, die Zeit der namenlosen Toten und des Arbeitermassengrabes an der Salzach. […] Aber der Krieg habe eben in einem Kapruner Lager nicht anders ausgesehen als in einem russischen oder sonst wo. (79)

Die Zeit des Nationalsozialismus wird folglich als rein deutsche Zeit betrachtet, wodurch die eigene, österreichische Schuld auf ein Minimum reduziert wird. Nicht die Schandtaten der eigenen Nation, sondern die Größe eines Volkes soll im Vordergrund stehen, welches nach den Leiden des Krieges unversehrt wieder auferstanden ist:

Erst die Bauchronik der Nachkriegszeit, die stets die eigentliche sein soll, enthält wieder klare bis strahlende Bilder, die hochgehalten, immer wieder gesäubert und weiter überliefert werden. ‚Kaprun ist ein moderner Mythos für Österreich’, heißt es in einem jener dem Talsperrenbau gewidmeten Heldenromane, die für fünf Schilling Entlehngebühr pro Band in der kleinen Gemeindebücherei von Kaprun nach wie vor bereitliegen; Kaprun ‚…steht an der Wiege unserer jungen Zweiten Republik. Seine Geburt war gleichzeitig die Wiedergeburt Österreichs.’ (79-80)

Das von Anderson postulierte Verdrängen von Geschichte zugunsten der glorreichen Mythenbildung einer Nation lässt sich in diesen Sätzen hervorragend wiederfinden, da durch die Kapruner-Talsperre besagter nationaler Mythos geschaffen wird, welcher das österreichische Volk eint und verbindet; eine neue österreichische Identität entsteht, denn „Kaprun war Österreich“ (88) wie der spätere Bauherr Ernst Rotter wehmütig bemerkt: „ich habe gewusst, dass ich so etwas wie Kaprun nie wieder erleben werde“ (90). Daher nimmt es nicht Wunder, dass die unzähligen Zwangsarbeiter, die während des Talsperrenbaus in den Tod stürzten, keine öffentliche Erwähnung finden. Einzig das sogenannte Russendenkmal erinnert an jene 87 Sowjetbürger, die bei dem Bau der Talsperre ums Leben kamen. Gegen den Willen der Kapruner Bevölkerung errichtet, fristet es nun in einer abgelegenen Sackgasse sein Dasein, nur selten von Touristen entdeckt. Weitere Gedenktafeln existieren nicht.

Diese für den Umgang mit unliebsamen Geschehnissen so charakteristische Amnesie  lässt sich auch bei Karl Piaty wiederfinden, welcher unter seinen mehr als 8000 Dias bezeichnenderweise nicht ein einziges Lichtbild vorzuweisen vermag, welches Symbole der nationalsozialistischen Zeit trägt: „Die vielen Hakenkreuze, Eichenlaubkränze und Hitlergesichter, die das Mostviertel wie das ganze Land ein tausendjähriges Reich lang schmückten, haben in den heimatkundlichen Sammlungen unter dem Dach des Konditors Karl Piaty […] keinen Platz gefunden“ (57-58). Denn, so der allgemeine Tenor, „[i]n der Heimat war es immer schön: es wurden dort Brautbäume und Maibäume errichtet, aber keine Galgen. Und auf den Höfen wurden Senkgruben und Mostkeller ausgehoben, aber keine Massengräber“ (58). Heimat und Nationalsozialismus stehen sich diametral gegenüber, sind gemeinsam undenkbar, was Erinnerungen an das Filmepos Heimat von Edgar Reitz weckt, welches scharf für seine nur marginale Erwähnung des Holocausts kritisiert wurde. So wirft beispielsweise Getrud Koch Reitz in ihrer Filmbesprechung „How Much Naiveté Can We Afford? The New Heimat Feeling“ vor, dass „in order to tell the myth of ‚Heimat‘ the trauma of Auschwitz has to be bracketed from German history. Thus Reitz has to revise history“ (13). Auch bei Ransmayr findet eine Verdrängung der Nazischrecken hinsichtlich des Konzentrationslagers Mauthausen statt, „dessen Schatten die Heimat nie berührte: Mauthausen lag schon immer jenseits der Mostviertler Zuständigkeit“ (58) und folglich jenseits der Notwendigkeit, sich mit den dortigen Geschehnissen kritisch auseinandersetzen zu müssen. Die vierzehn Häftlinge, die auf ihrem Weg ins Lager damals vor Schwäche in Wolfsbach zusammenbrachen und dort ihren Tod durch die Pistole eines Aufsehers fanden, wurden in einem Massengrab bestattet, welches mittlerweile jedoch „unter einem hochgewachsenen Dickicht aus Thujen und Wacholder beinah verschwunden“ und infolgedessen dem Blickfeld der einheimischen Bevölkerung entzogen ist (59). Überhaupt, so scheint es, fungiert das Nichtsehen oder Nichtwissen als Entschuldigung für die eigene Tatenlosigkeit sowohl nach als auch während des Krieges. Die Beantwortung der Frage nach dem schrecklichen Geruch, der aus den Mauthausener Schloten über die Felder wehte, erfolgte bewusst nicht:

Sie habe, sagt die Altbauerin Maria Grubhofer aus Wegleiten bei Oed, sie habe die
Gegend von Mauthausen in der fraglichen Zeit sehr gemieden, weil sie überzeugt war,
dort etwas zu sehen, was sie ihr Leben lang nicht würde vergessen können. Und wer,
sagt Maria Grubhofer, wollte schon mit unauslöschlichen Bildern im Kopf leben? (59)

Die Heimat zog niemals Schuld auf sich; es war die Zeit der Nationalsozialisten, „als das [Most]viertel gemeinsam mit dem ganzen Land unter Blechmusik und Hakenkreuzfahnen seinem Heil entgegenzog und in einem tausendjährigen Reich verschwand“ (46), eine Zeit demnach, die außerhalb der österreichischen Zuständigkeit lag und für die zwangsläufig auch keine Verantwortung übernommen werden muss.

Der wiederholte Versuch, Vergangenes zu eliminieren und aus dem Gedächtnis zu verbannen, kann hingegen nur als bedingt erfolgreich betrachtet werden. Trotz eines kollektiven Verdrängens und dem Wunsch „dass dort die Erosion unmerklich Schicht um Schicht von den Steinen schleift und der Wind roten Sand in die Wüste hinaus trägt, bis auch die letzte Wehrmauer eingeebnet und der Ort wieder leer sein wird wie am Anfang der Zeit“ (234), wie Ransmayr den Prozess der Geschichtsauslöschung in seiner Erzählung „Fatehpur Oder die Siegesstadt“ treffend beschreibt, findet die Vergangenheit immer wieder ihren Weg an die Oberfläche:

Ein Freund des Konditors, der Maler Reinhold Klaus, verwandelte sich in diesem Jahr vom Heimatliebhaber in einen Professor für Deutsches Brauchtum an der Kunstgewerbeschule in Wien und malte Waidhofen im Fahnenschmuck und ganz so, wie der Führer seine Städte gern sah. Das Werk hängt immer noch groß und prächtig im Waidhofener Rathaus; nur die Hakenkreuze wurden, wie so vieles in der Nachkriegsheimat, rot-weiß-rot übermalt und mussten seither von einem Restaurator mehrmals abgedeckt werden, weil sie im Lauf der Zeit trotz des kräftigen Auftrags der Nationalfarben wieder und wieder durchschlugen. (60)

Vergangenes lässt sich nicht vollständig zum Schweigen bringen, sondern verschafft sich Gehör, in dem es an die damaligen Schrecknisse erinnert. Es scheint durch die neu aufgetragene Deckfarbe, kommt hinter Büschen und Bäumen zum Vorschein oder tritt in Form von alten Dokumenten und Lichtbildern zu Tage. Und wie Fatehpur, die Siegesstadt, in all ihrer Pracht auf dem indischen Kontinent noch heute zu bestaunen ist und die Geschichte des großen Allahu Akbars, des Herrschers über ein kleines Weltreich, erzählt, so kann auch die nationalsozialistische Vergangenheit Österreichs nicht als abgeschlossen gelten. Sie bildet vielmehr einen wichtigen Teil der österreichischen Geschichte, welche die Gegenwart wesentlich beeinflusst. Denn auch wenn alles letztendlich dem Untergang geweiht ist und wir nur bedingt durch Denkmäler und Museen oder durch das Bemalen der eigenen Totenschädel die Erinnerung an uns zu bewahren vermögen, so gibt es doch ein Mittel, was uns bleibt, wie Ransmayr in gleich mehreren Erzählungen betont, und welches er als ungeschriebenes Motto seinen Geschichten voranstellt: Es ist die Macht der Sprache, durch welche wir uns und dem Untergegangenen Gehör verschaffen können und müssen: „denn wo immer einer zu sprechen beginnt“ so heißt es wiederum in „Fatehpur“ „und seine Geschichte mit dem Bild verlassener Häuser, leerer Plätze, leerer Gassen und ausgedörrter Brunnenbecken eröffnet, dort wird gebaut, werden innerhalb eines einzigen Atemzuges Straßen gepflastert, wachsen Mauern, Türme aus der Tiefe unserer Erinnerung oder der bloßen Vorstellungskraft“ (229).

Es ist letztendlich der Schriftsteller, welchem die Aufgabe des Bewahrens und Erhaltens zufällt, der ausgräbt und mitteilt, durch Worte erschafft und kreiert, wie es beispielsweise in „Schnee auf Zuurberg“ der Fall ist. In dieser Erzählung ist es die Lektüre eines Romans, durch den der Autor der warmen afrikanischen Spätsommernacht enthoben und stattdessen in den kalten Norden, in das heimische Österreich versetzt wird. Aus den dichten Insektenwolken auf der Veranda des Zuurberg Hotels werden nach und nach weiße, wirbelnde  Schneeflocken, die sich auf die südafrikanische Umgebung legen und diese hinter dem Gelesenen verschwinden lassen: „Afrika versank im Schnee, und ich war wieder dort, wo ich herkam, war irgendwo zwischen der Küste des Indischen Ozeans und dem nächtlichen Hochland Südafrikas, auf der Passhöhe von Zuurberg, zu Hause.“ (218) Die Ferne gerät unversehens zur Heimat, die Wirklichkeit tritt hinter der Fiktion zurück und verschmilzt mit dieser. Die Vorstellungskraft erschafft eine Realität, welche kaum von der eigentlichen Wirklichkeit zu unterscheiden ist. Und genauso wie der Autor eine neue Welt zu erschaffen vermag, so vermag er auch Vergangenes wieder heraufzubeschwören und seinen Lesern durch seine Worte zugänglich zu machen – Worte, die das eigene Dasein überdauern, die auch in ferner Zukunft den Nachgeborenen von einstmals Untergegangenem erzählen, von Vergangenem, welches, so der Wunsch des Autors, in der Geschichte überleben werde, lange nachdem der Autor selbst das Zeitliche gesegnet hat. Denn, wie Ransmayr am Ende seiner Kurzgeschichtensammlung hoffnungsvoll verkündet, „selbst wenn einer von uns verstummt und verschwindet – wir vertrauen darauf, dass immer welche zurückbleiben, die imstande sind, weiterzuerzählen und sich zu erinnern, an das, was wirklich – und was bloß möglich war…“ (235).


 Endnoten

[i] Wo sie nicht anders gekennzeichnet sind, beziehen sich die Ziffern in Klammern auf Chrisoph Ransmayr, Der Weg nach Surabaya  (Frankfurt am Main: Fischer, 1999).

[ii] Vergleiche hierzu noch einmal Alon Confino, welcher über die Geschäftstüchtigkeit der „Heimatlers“ am Ende des 19. Jahrhunderts schreibt: „Soon the commercialization of Tracht, that is, of tradition, was in full swing. Villagers understood that selling at town markets in traditional dress associated freshness and health with their products. Others sold for high prices the old costumes from grandmother’s chest. And photographers sold pictures, taken some weeks before, of authentic Tracht from the good old days“ (41).

[iii] Eine ähnliche Beschäftigung mit dem Thema der Kapruner Talsperre findet sich in Elfriede Jelineks Theaterstück Das Werk.

 


 

Literaturverzeichnis

Anderson, Benedict. Imagined Communities. London: Verso, 1991. (orig. 1983).

Blickle, Peter. Heimat – A Critical Theory of the German Idea of Homeland. Rochester:

Camden House, 2002.

Bloch, Ernst. Das Prinzip Hoffnung. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1985. (orig. 1954-59).

Confino, Alon. Germany as a Culture of Remembrance. Promises and Limits of Writing

History. Chapel Hill: The University of North Carolina Press, 2006.

Halbwachs, Maurice. Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. Berlin: Luchterhand,

1966. (orig. 1925).

Jelinek, Elfriede. Das Werk. In den Alpen. Drei Dramen. Berlin: Berlin Verlag, 2004 (orig.

2002).

Koch, Gertrud. „How Much Naiveté Can We Afford? The New Heimat Feeling.“ New

            German  Critique 36 (1985): 13-16.

Ransmayr, Christoph. Der Weg nach Surabaya. Frankfurt am Main: Fischer, 1999 (orig.

1997).

—. Die Schrecken des Eises und der Finsternis. Frankfurt am Main: Fischer, 1987 (orig.

1984).

—. Morbus Kitahara. Frankfurt am Main: Fischer, 1999 (orig. 1995).

—. Die letzte Welt. Frankfurt am Main: Fischer, 2007 (orig. 1988).

—. Der fliegende Berg. Frankfurt am Main: Fischer, 2007 (orig. 2006).

Sontag, Susan. On Photography. New York: Picador, 2001 (orig. 1977).

 

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Apr 13 2024

From Time to Time: Turning a curse into blessings. The Bernheims after Passau in Cape Town and San Francisco (Part 2 of 2)

Published by under From Time to Time

by Anna Rosmus

Anna Rosmus uses archival material and interviews to follow the paths of former Passau residents. Quotes not cited are from her conversations and correspondence.

This piece is the second of two on the Bernheim family of Passau. Read the first stage of their story in Passau here

 

Temporary exile in and from the Saar Basin

Felix Bernheim, who had fled to his sister Helene in Saarbrücken in 1933, barely managed to hang on to life. His son, Anthony Bernheim, recalls that he made a living “by providing character descriptions based on handwriting, and fortune telling based on tea leaves on the bottom of [a] tea cup.”

After January 13, 1935, when more than 90% of the Saarland electorate voted for reunification with National Socialist (NS) Germany, thousands of German expatriates and other political targets fled to France. Among them were Helene Wertheimer and her family. At first, they moved to Saint-Dié-des-Vosges, in the northeast. After World War I, France had been relatively open for Jewish immigrants. The passports of Alfred and Bertha Bernheim were confiscated, however. On December 10, 1935, the couple returned to Buchau.

On June, 28, 1939, they joined Helene and her family. At that time, after a significant increase of refugees from NS-Germany and the Spanish Civil War, immigration was strictly limited, and internment and detention camps for refugees spread terror.

In the spring of 1940, when Germans invaded the Third Republic, less than half of its approximately 350,000 Jews were French citizens. According to an armistice agreement, signed on June 22, Germany occupied northern France and the entire Atlantic coastline, down to the border with Spain. The newly established Vichy government in the South cooperated with Germany. The so-called “Statut des Juifs” (Jewish Statute), passed in October 1940 resp. June 1941, excluded Jews not only from public life, but it removed them from civil service and the military as well as from commerce and professions such as medicine, law, and education.

Life for Helene Wertheimer and her family was rough. After she managed to have both parents released from an internment camp, all five moved to southwestern France. As foreign nationals, they were assigned to live in the village of Castelmaurou, near Toulouse, where they arrived on December 20, 1940.[1] Marie Clauzolles, née Laurens, widow of Joseph Clauzolles, owned a rural estate and a vineyard. She recalled leasing one room and a very small kitchen to them.[2] Leaving the village was not permitted. In 1942, persecution and arrests began. When Lutz did not report for forced labor on September 1943, he went “underground” in a different province. Helene and her daughter hid in a very small building on the remote vineyard, that lacked even basics such as electricity and a toilet.[3] From May, 9 until July 31, 1944, SS and other German forces occupied the village. Three weeks later, Toulouse was liberated.[4]

Starting Over in South Africa

South Africa, then a British Colony, differed somewhat. While some Jews may have been among its early settlers, a steady flow of Jewish immigrants from Europe did not arrive until the British occupied the Cape in 1806. For many years, Cape Town remained the main center of Jewish life in South Africa. From 1933 until 1935, Louis Gradner, a Jew from Poland, was actually mayor of Cape Town.[5]

At that time, South Africa’s immigration policy towards Jews from Western Europe was  relatively lenient. Once a passport and an affidavit, signed by a South African citizen, were submitted to the immigration authorities, Jews were free to enter the country.

Its society, however, was not only colonial and racially deeply divided, but many Afrikaners sympathized with the Third Reich, and organizations such as the “Grayshirts” and the “Ossewabrandwag” were openly anti-Semitic. The Quota Act of 1930 intended to curb the arrival of Jews.

In May 1933, the country’s Jewish community created the South Africa Fund for German Jewry. It helped refugees find jobs as well as accommodations. Assistance like that was essential, especially after September 1934, when Jews were no longer permitted to take more than RM 10 out of Germany.[6] In April 1935, Felix Bernheim boarded a refugee ship, possibly in Marseilles. On the 17th, he arrived in Cape Town, and before long, he started a business, selling ground coffee.

In September 1936, when South Africa announced that starting in November, each immigrant would have to deposit £100 pounds, instead of an affidavit, various organizations rushed to charter a boat. On October 8, the SS Stuttgart set sail, with 537 passengers on board. At the end of October, just before they docked, dramatic protests erupted.[7] Among the protestors were Professor Hendrik Verwoerd, the apartheid architect, and Daniel Malan, who would become the first prime minister of that regime in 1948. The latter boldly claimed to act in the best interests of Jews, because the potential for conflict would rise, when their population would increase too much.

In 1937, the so-called Aliens Act further restricted German-Jewish immigration. Else Kirstein and her daughter Margot, Bernheim’s Deggendorf cousins, were among the lucky ones. Tim Rudnick, a son of accountant Maurice Rudnick, wrote on March 8, 2021:

My mother, Margot, and Elsie reached Cape Town on a Union-Castle Liner in 1937, and were sent to Southern Rhodesia. I am not sure when the remainder of the family arrived, but it included Max and Martha Stern, Herbert, their son in law, and his mother. As Germans, they were treated well, but had to obey a parole order, report to the police station on a regular basis until the end of the war.

As soon as World War II started, the South African Holocaust and Genocide Foundation (SAHGF) pledged that the “Jewish community would do everything in its power to assist the Union and its allies in the fight for victory.”[8] It raised funds, and it encouraged Jews to join the Union Defense Forces. By January 1943 8,366 Jewish men and 542 Jewish women had enlisted.[9]

Felix Bernheim was one of them. When he and his business partner could no longer obtain fresh coffee beans, they substituted chicory. On January 6, 1943, in accordance with the British Nationality in the Union and Naturalization and Status of Aliens Act from 1926, Felix was naturalized as a South African citizen.[10]

young man in uniform

Corporal Felix Bernheim in 1943

 

When Felix began his service in a South African unit of the British Air Force, his business partner took control of their coffee business. According to his son, Anthony Bernheim, however, Felix recalled that his partner seized “all the assets, leaving Felix nothing when he returned from his military service.” That meant, Felix had to start all over again. This time, as a citizen, at least he could utilize his Passau experience by opening “Felicity Stores”, a clothing enterprise.

 

Two men, two women and two girls

Wedding of Felix and Miriam Bernheim

 

On Friday, March 23, 1951, Felix Bernheim celebrated his 45th birthday. At 10:15 AM, at the Claremont Synagogue of Cape Town, he married Natalie Miriam Greene from Birmingham in the United Kingdom. After the ceremony, Dorothy and Maurice Blair, Miriam’s sister and brother-in-law, hosted an 11:00 AM reception at their home on “L’Avenir,” Avenue De Mist, Rondebosch, Cape Town.

Anthony Nicholas Bernheim was born in 1952. He grew up in Cape Town, and recalled on March 14, 2021:

Until I was about 11 or 12 years old, I have no memory of my parents ever setting foot in a synagogue or discussing religion. However, they brought in a tree every year at Christmas time. I did know that I was Jewish but did not know much more than that. We lived in a working class neighborhood, where only one other family was Jewish. I first experienced discrimination, from the neighborhood children because of being Jewish. Occasionally, my parents were invited to a Seder at Passover, and I have vague memories of attending two Seders (most likely Orthodox) at homes of family friends. When I turned 11, my parents decided that I needed to have a Bar Mitzvah. The only synagogue close by at that time was the Rondebosch Orthodox Synagogue, so that is where it was held on September 18, 1965. My parents hired an Orthodox Israeli teacher to prepare me for the Bar Mitzvah services.

Thereafter, an American Rabbi arrived in South Africa and founded the Reform congregation in Cape Town, where my mother started to attend the services (with me) for the High Holy Days. My parents did not get actively involved in the Jewish Community, and we did not have any religious symbols in our home. It seemed to me that my father was more focused on the survival of his business than on religion or the cultural traditions that are practiced by secular Jews.

old photo of a man leaning against a car

Felix Bernheim, Member of a Cape Town Fencing Club

Tim Rudnick recalled on March 8, 2021:

My dad worked for a group of accountants, and one of the clients he was assigned to was Felix Bernheim. They did get to know each other well. Felix liked old cars, and my dad recalls a photo of him in a rare car, called a Spider, together with a member of the Moos family in the Netherlands, while on holiday there.

In 1952, my dad moved to Bulawayo, in what was then Southern Rhodesia, to progress his career, as the economy there was strong. Although he briefly returned to Cape Town, he emigrated to Bulawayo permanently in 1957.

And there, Maurice Rudnick met Margot Kirstein. The couple married on November 11, 1959, in the progressive Bulawayo Synagogue. Anthony Bernheim remembers a trip to Southern Rhodesia, in 1960. It was a family visit. Photos show the former Deggendorf cousins together.

On March 14, 2021 Anthony stated:

Growing up in Cape Town was hard for me. There was not only discrimination because we were Jewish, but also because we lived in a working class community.

When I was quite young (8-11 years old), my father attempted to tell me war stories from his time in the military. My mother shut that down quite quickly. No real or meaningful discussion about the war or Holocaust was allowed, although I did know that I was Jewish, and that my father had fled Germany because he was Jewish. Nor did they have many friends in Cape Town. The parents of some of my friends became their friends.

My immigrant parents did not have many friends in Cape Town. The parents of some of my friends became their friends.

My mother’s sister lived in Johannesburg. She had two daughters and one son. That family came to my Bar Mitzvah, but one daughter did not attend. In fact, she had fled South Africa. (That story is in a book The Song Remembers When by Hilary Claire). No one spoke about why my cousin Hilary had fled the country (at least in my presence). However, I found out later that she and her husband were working in a cell for the African National Congress. In a very simple way at that time, I began to connect my understanding of the Holocaust with my understanding of apartheid. So began my questioning of apartheid, and at 13 years old, I decided that I needed to leave South Africa.

Whereas others may have caved in, acceded to local demands, Anthony Bernheim doggedly pursued his path. He admitted,

Going to school and to university in Cape Town were not the best years of my life. I did not receive much support from my school teachers, nor at the university. Two professors connected with me in particular ways. One, possibly at a risk, spent some time during our private meetings helping me to better understand the political situation in South Africa, and another occasionally invited me to his home, where I got to know his family. (There was always a concern at the university that someone in each class might be an informer for the South African security police, so I was quite careful with friendships.)

Starting in December 1972, the end of my second year at Architecture School at the University of Cape Town, and during summer break in the southern hemisphere, I decided to take a three-month trip to Europe with a friend. My goal was to start in England, travel through Europe, and end up in Israel, meet with family members (many of whom I had not previously met), and to research countries/cities that could become my future home. We met Janis[[11]] in Florence, Italy, and spent some time together in Athens, Greece.

Architecture School requirements included working in an architect’s office and traveling to see buildings. In 1974, I obtained a position in an architect’s office in London for most of the year, and visited Janis in the San Francisco Bay area for about three months, returning to Cape Town in February 1975. That was when I decided to make the San Francisco Bay Area in the U.S. my future home. During that visit I also started to make contacts in my own field of Architecture and Planning.

I had always been interested in the social aspects of architecture. As an architecture student in South Africa, I noticed that the most unhealthy materials (e.g., asbestos) were used for housing the Black population (government housing provided in the segregated townships). My self-chosen projects in my fifth year of study were schools, as I could see that education was a key component of change in South Africa, and my final project, my thesis project, was the design of a self-help preschool in a Black township near Cape Town.

I was very naïve at the time! The project was never built; by the time I left the country in July 1977, weeks after I had graduated with a Bachelor of Architecture degree from the University of Cape Town. However, I did work closely with the community to select the site and to understand their needs for the school. During one of my site visits, I was “entertained” by the Black security police, wanting to know what I was doing in a Black township, and also wanting to meet my Black friends with “similar ideas.” They never got to meet anyone.

 

Person working with handwriting

Felix Bernheim in Cape Town, 1970s

 

In the meantime, Anthony’s father, Felix, ran Felicity Stores to make an income, but his passion was the work he did as a handwriting expert. Anthony remembers that

he maintained he was self-taught. He was an expert witness in court cases, where he [even] testified about the author of forged documents. He also prided himself on being able to describe people’s character from their hand writing.

When Felix died, on November 5, 1982, he was 76 years old. His widow, Miriam, returned to  Birmingham, England, where she passed away on April 3, 2004. She was 88.

In relentless adaptation, Alfred, Bertha, Helene, Siegbert and Felix, all five Passau Bernheims, had managed not only to survive the Shoah, but to enable all their respective descendants to gain new footing in fields of their own choosing.

Going “Green” in San Francisco

In 1969, Cape Town had a total population of 750,000. Approximately 25,000 were Jews. After Johannesburg, it was the second largest Jewish center in South Africa. In addition to 12 orthodox congregations, Cape Town had two reform congregations. From 1970 until 1992, approximately 10,000 Israelis immigrated. During the same period, however, some 39,000 Jews left South Africa.[12] Among those was Felix Bernheim’s only son, Anthony.

He recalled on March 14, 2021:

On arrival in the San Francisco Bay Area, I set about getting work in various architects’ offices, getting licensed in California as an architect. During this formative period, I thought that I should go back to university and get a Master of Architecture degree so that I could learn what other U.S. architects knew and become more competitive at finding work. While working part time for an architectural firm designing affordable housing projects, I was also attending the University of California, Berkeley, School of Architecture. My employer, who was also the chair of the School of Architecture at the time, suggested that I take one class in Building Ecology. For that class I wrote a paper on why vinyl asbestos tile flooring was a human health hazard. Through some additional efforts that I made, that product was withdrawn from the market six months later.

On June 2, 1981, Bernheim became a U.S.-citizen. Three years later, he received his Master of Architecture degree from the University of Berkeley, California. In 1985, when Bernheim was 32, his son, Micah Bernheim Burger, was born.

For over 30 years, Anthony has pioneered integrated, sustainable building practices. His expertise promoted not only a significantly healthier indoor air quality, but the FAIA, LEED Fellow made a name for himself as an architect addressing a wide range of building types and master plans.[13] Looking back, he summarized on March 14, 2021:

During my many years working at SMWM, opportunities arose for me to help projects become healthier and more sustainable. In many cases, the client asked some questions or SMWM thought I might know something. Each opportunity presented another step in my professional and personal development of sustainability practice.

However, the key to my development was writing and presenting peer reviewed papers for international and local research and scientific publications on my work I. I also took on speaking at architectural and building conferences. The big obstacle I had to overcome was my shyness. I had to learn to speak in public. By the 1990s, I had met the founder of the U.S. Green Building Council (USGBC), and helped him develop the first sustainability manual for green buildings. Then I helped to form the Northern California Chapter of the USGBC, and have served on the local USGBC Board and committees, and for five years on the national USGBC Board of Directors.

The work I started to do in the late 1970s involves healthier built environments for all building types. It includes reducing or eliminating the sources of pollutants; designing the heating, ventilating, and air conditioning systems; testing the systems and training the building engineers prior to occupancy; and setting the buildings up for environmentally preferable green cleaning during the life of the building.

Improved health of people and of the planet includes energy and water efficiency (with related carbon emission reductions). Long-term sustainability is based on providing triple bottom line solutions.[14]

In South Africa I learned about social justice. In the U.S. I learned about environmental responsibility. I have combined both of these principles, along with financial responsibility, in my professional practice as an architect.

Bernheim’s projects have led to healthier environments.

In the 1990s, he was the architect’s project manager and the sustainable building practices leader for the new San Francisco Main Library, one of the first major public projects in the U.S. to have the indoor materials tested for chemical emissions. For the State of California Capitol Area East End Complex office building he collaborated as an architect with other indoor air quality professionals on the development of project specifications, for testing to improve building products for chemical emissions to reduce indoor air chemical concentrations to building occupant health. This work has led to improving building product emissions, and the way third-party certifiers evaluate products, and has provided the basis for the indoor air quality requirements of the new California and national green building codes and standards.[15]

 

Portrait

Anthony Bernheim

 

Today, the architect lives in San Francisco, California. He is married to Sara Tung from Southern California, whose parents fled China at the end of the Communist Revolution in 1949.[16] Anthony’s son, Micah, is a design strategist.

Anthony Bernheim is the past chair of the U.S. Green Building Council Northern California Chapter (USGBC-NCC) Board of Directors. He was a member of the USGBC National Board of Directors, Treasurer, Vice-chair of the USGBC Green Buildings and Human Health Working Group, and Co-chair of the USGBC Classroom to Boardroom Diversity Mentoring Initiative.

Currently, Bernheim is the Healthy & Resilient Buildings Program Manager for the San Francisco International Airport. Recently, he wrote “Clean Air: Good Health” and “Ambient Outdoor Air Quality,” two chapters for [the] Wiley Publications books “Sustainable Healthcare Architecture” and “Sustainable and Resilient Communities” respectively.

“In recognition of a lifetime of service, commitment, and advocacy for the principles of sustainable design and preserving the earth’s natural resources,” Bernheim was honored with the AIA California Council’s 2004 Nathaniel A. Owings Award. Five years later, the USGBC Northern California Chapter handed him the David Gottfried Special Achievement Award for being “an individual whose career and contributions to the industry demonstrate exceptional passion, leadership, and commitment to green building”. In 2012, Bernheim received the “Breathe California Clean Air Award” for his work on “green” buildings, and in 2020 the “Airports Going Green Award”, recognizing “Leadership in Development Practices for High Performance Buildings, Representing Outstanding Achievement in Pursuit of Sustainability within the Aviation Industry.“[17]

In spite of such laurels, the trailblazing architect remained as humble as determined. On March 14, 2021, he wrote:

In many ways, I was very lucky professionally. Opportunities presented themselves, and I was able to build on them. Working on large public projects, being published, speaking at conferences, writing chapters for books, developing relationships through my continuing contribution to the US Green Building Council and support from their founders – all contributed to the work that I am doing now at the San Francisco International Airport. In a way, I was preparing for this opportunity.

While my work on human health in the built environment was just part of my work previously, it became front and center last year as the COVID-19 pandemic started, and I was asked to help develop ways to make the indoor environment at the Airport healthier and safer. So, while working on health in the built environment at this airport, my goal is to help improve its environment campus wide, to become more sustainable and resilient for the long-term, and thereby to improve health for passengers and employees as well as to improve global health.

In Memoriam

By the end of 1939, more than 117,000 Jews had left Austria, and more than 300,000 fled Germany. Most of them were young, vocationally trained or college-educated. Many, if not most of those who fled to neighboring countries, were captured, and many of the 100,000 who initially found refuge, were killed after May 1940, when Germans invaded.[18]

Mathilde Bernheim, Alfred’s mother, died on May 21, 1941. She is buried in the Rusthof cemetery[19] of Leusden near Amersfoort.

When Albert and Rosa Loose, the older sister of Alfred Bernheim, received a summons of Joodse Raad,[20] Hedwig Loose and their oldest grandson, Peter, accompanied the elderly couple to the train station.[21] They were sent to Westerbork.[22] On May 4, 1943, both arrived at SS-Sonderkommando Sobibor, an extermination camp in the Lublin province of Poland, where they were officially declared dead three days later.[23]

Julie Loose, the widow of Albert’s brother, Max, was imprisoned in the Munich barracks camp at Knorrstraße 148 from January 2, 1942, and deported to Theresienstadt on July 29, where she perished on April 7, 1944.[24]

Gerda Moos, née Stern, the younger daughter of Martha Bernheim, and aunt of Margot Rudnick, and her husband, Kurt, emigrated to the Netherlands on February 6, 1939. They lived in the Hillegersberg suburb. Most likely to rescue their very young daughter, Yvonic, Max traveled to Paris with her.[25] Gerda was declared dead in Auschwitz, Poland, on September 21, 1942.[26] Her husband, Kurt, was deported from Drancy,[27] France, on September 18, 1942 and declared dead in Auschwitz, on December 31, 1941.

Tim Rudnick added on March 8, 2021:

My brother Nicholas has some pictures of my mom and her parents. Elsie died 2006 in Bulawayo, at the age of 98, and Herbert Kirstein died there at the age of 65. My Oma, Martha Stern, was a lovely woman, she was a milner, and also did some beautiful embroidery work, some of which still exists, I think. She passed away in Bulawayo in the early 70s, approximately 95 years old. Her husband, Max Stern, whom I never met, was quite instrumental in keeping in contact with Elsie’s sister [and her husband]. They were captured in France, en route to Switzerland from the Netherlands. Both passed away in the camp from disease.

My sister said Yvonic fell ill, so her parents had to stop their journey, and take her for medical treatment. While there, her parents either had to flee or were captured. Yvonic, was taken [in] by a French farming family, and brought up Catholic. She bears a striking resemblance to Elsie, and now lives in Dijon, where she is married to François Duriez.[[28]]

Max was in touch with someone in Buenos Aires, who had a network to trace Jews to find out their fate. He also wrote to Albert Einstein, a distant relative, for the US government to assist in the evacuation of Jews – I think from the Netherlands. The reply was that they felt the support was more urgent in other areas.

 

Four people in front of a store

Anthony Bernheim, Charlotte Fassin, Uri and Amos Barneah at the location of their grandparents’ former department store

 

In 2008, various members of the extended Bernheim family traveled to Germany from England, France, Israel, the Netherlands and the Unites States, to get better acquainted with one another, and to learn about the past of their mutual ancestors. After visiting Bad Buchau, some accompanied all four living Bernheim cousins to Passau, where Georg Höltl welcomed them at two of his hotels as Guests of Honor. The city administration treated them to a luncheon in a traditional restaurant, where in all likelihood, Alfred and Bertha Bernheim used to dine with friends and family. During a walk through the pedestrian zone, they realized that the prison, where Felix was held in 1933, was on the same street where Hitler and Himmler had once lived. And just around the corner, in front of   the former Merkur department store, reporters briefly interviewed them.

In 2012, Anthony obtained a German passport for himself and his son.

On March 14, 2021, he wrote:

My parents did not discuss their lives prior to or during World War II, or even how they met (although we have since found out some information from my cousins). Discussing the Holocaust was not done in the 1960s through 1980s in South Africa. It became more acceptable in the late 1980s in the US. So thanks to you – by reading your books, spending some time with you in Baltimore, and participating in the trip that you arranged for my family in Passau in 2008 – I was able to put my parents’ lives into context. I am now better able to understand and appreciate my parents and what they did for me. The gifts they gave me included a safe home, an appreciation of right and wrong, and a sense of social justice. So while I value their efforts, I thank you for what you have done to help me appreciate my parents.

 

Notes

[1] On November 27, 1956 the village mayor testified that Alfred and Bertha Bernheim, Helene’s parents, came with them.

[2] Shoshana Barneah, Siegbert’s daughter-in-law, learned about that time from Helene in 1972. She recalled on March 5, 2021: “Helene lived below her parents, and she mentioned that she used to knock on the ceiling with a broom, when her parents were speaking German loudly. It was a reminder to stop. She also told me that their neighbors were very kind towards them, and used to warn them, every time when Germans arrived.”

[3] Marie Clauzolle testimony from March 25, 1958. Courtesy of Margaux Fassin, Helene’s great-granddaughter.

[4] In December 1946, Alfred and Bertha joined heir son Siegbert Bernheim in Palestine. For details about that period see: Rosmus, Anna: Exodus – Im Schatten der Gnade. Aspekte zur Geschichte der Juden im Raum Passau. Dorfmeister, Tittling 1988, pp. 69-71

[5] https://www.jta.org/1933/11/05/archive/cape-town-picks-a-jew-for-mayor

[6] Kenkmann, Alfons, Rusinek, Bernd-A.: Verfolgung und Verwaltung – Die Wirtschaftliche Ausplünderung der Juden und die Westfälischen Finanzbehörden. Münster 1999, p. 19

[7] For details see: Mendelsohn, Richard and Shane, Milton: The Jews in South Africa, an Illustrated History, Jonathan Ball Publishers, Johannesburg & Cape Town, 2008, pp. 110 and 111.

[8] For details see: Sichel, Frieda H.: From Refugee to Citizen: A sociological study of the immigrants from Hitler-Europe who settled in South Africa, A.A. Balkema, Cape Town, 1966

[9] Dmitri Abrahams, archivist at the South African Holocaust and Genocide Foundation (SAHGF), “Finding traces of German Jewish refugees in South African archives” in the Cape Jewish Chronicle from October 4, 2019;

[10] The Department of the Interior published Certificate of Naturalization number 22370 in the Government Gazette from January 28, 1944.

[11] Janis Rochelle Burger from South Euclid, Ohio, had a Bachelor of Arts degree in psychology from Boston University and a Master of Public Health degree from the University of California, in Berkeley.

[12] https://www.anumuseum.org.il/jewish-community-cape-town/ Retrieved on March 3, 2021

[13] He “was the Sustainability Manager for The Allen Group, and the Director of Sustainability, AECOM Architecture, where he collaborated on the development of the AECOM ecoSystem, a dashboard toolkit used to guide integrated building practices from project inception through post occupancy of high-performance buildings that are energy-efficient, provide comfortable, safe, and healthy environments, utilize resource-efficient products, have reduced environmental footprints, and strive to be ‘living’ and ‘regenerative’ buildings.” See: https://www.linkedin.com/in/anthony-bernheim-a5bb627/

[14] The triple bottom line concept, developed by the UN Brundtland Commission, formerly known as the World Commission on Environment and Development (WCED), states that to solve for sustainability we need to solve for environment responsibility, social equity, and financial responsibility (Planet, people, profit).

[15] See: https://www.linkedin.com/in/anthony-bernheim-a5bb627/

[16] Sara holds an MA in History and an MBA from the Graduate School of Business, at Stanford University. “In addition to being refugees,” Sara wrote on March 14, 2021, “both sets of parents had also lost family members left behind and had emigrated to other countries (in my parents’ case, the U.S.). We also have shared experiences living under the authoritarian governments of apartheid South Africa and China.”

[17] https://sfoconnect.com/about/news/sfo-manager-wins-national-sustainability-award

[18] “Refugees” in: Holocaust Encyclopedia, United States Holocaust Memorial Museum. Washington, DC.

[19] Amersfoort General Cemetery, as it is occasionally called, is a civilian and military cemetery for victims of WWI and WWII. Included are 238 soldiers killed in action from the British Commonwealth, Belgium, France, and Poland, military victims from Italy, Hungary, Romania, Portugal, Yugoslavia, Greece, and Czechoslovakia, as well as 865 soldiers from the Soviet Union.

[20] The Joodse Raad, a Jewish council, had to mediate the occupation government’s orders to the Dutch Jews and, beginning in July 1942, to help with the selection of Jewish deportees from the Netherlands to work camps. In September 1943, most staff of the Joodse Raad was deported as well.

[21] On July 4, 2013, Anjes Brooijmans wrote that Peter’s widow, Marianne, told her how often her traumatized husband talked about that event, even during the final days of his own life.

[22] Established by the Dutch government in October 1939 to intern Jewish refugees who had entered the Netherlands illegally, the camp continued to function after the German invasion in 1940. From July 1942 until September 3, 1944, 97,776 inmates were deported from Westerbork.

[23] This information is based on Anfragekarte (inquiry card), ITS Object id: 27778712, which directs researchers to Tracing and Documentation File number 625 299 at the International Tracing Service archives in Bad Arolsen, Germany. The dates are also reflected on a list of victims from the Netherlands, “In Memoriam – Nederlandse Oorlogsslachtoffers”, Nederlandse Oorlogsgravenstichting (Dutch War Victims Authority), `s-Gravenhage.

[24] See: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. For May 18, 1945, Dr. Franz Loose and his wife in New York City and Walter Frank with his wife, Fanny, née Loose, in Newark, NJ, placed an obituary for their mother in the Aufbau.

[25] According to Anjes Brooijmans, Yvonic was born in Rotterdam on May 22, 1939, and sent to a Jewish orphanage in Paris, France. During an attempt to escape to Switzerland, a nurse took Yvonic out of the train, and passed her on to the Catholic Pointier family in Ennemain, within the Somme department of northern France.

[26] The information is based on a list of Jews from Hillegersberg and Schiebroek who perished during the Holocaust. According to Item 1066775, a “Page of Testimony” in the “Central Database of Shoah Victims’ Names” of Yad Vashem, Carla Weiss in Tivon erroneously declared on April 28, 1999 that her cousin, Gerda, died in France, “Shot trying to escape to Switzerland.” Another error on that page lists Gerda as born in 1906.

[27] Located in a Paris suburb, the Drancy internment camp confined Jews. Between June 22, 1942 and July 31, 1944, 64 trains deported 64,759 French, Polish, and German Jews to extermination camps. See: http://www.yadvashem.org/yv/en/exhibitions/this_month/resources/drancy.asp.

[28] Yvonic and her husband adopted two children. Anne was born in 1969, Remi in 1971. Both were nearly two years old.

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Mar 12 2024

Können fiktionale Erzähltexte Wissen über die Wende vermitteln?

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Drei Gründe, die Frage mit Ja zu beantworten, diskutiert am Beispiel von Jens Sparschuhs Roman Der Zimmerspringbrunnen

von Uwe Spörl

Jens Sparschuhs Roman Der Zimmerspringbrunnen ist ein erhellender, schmerzhaft komischer Text, der uns, seine Leserinnen und Leser, über das Leben als Ostdeutscher vor und nach der deutschen Wiedervereinigung unterrichtet – so die zweifellos richtige und prägnant formulierte These Jill Twarks im anderen Aufsatz dieser Ausgabe.[1] Ich möchte in meinem Beitrag diese These unterstützen. Genauer gesagt, möchte ich diese Art von Thesen untersuchen und stärken. Diese „Art von Thesen“ zeichnet sich dadurch aus, dass einem literarischen Text das Potential zugeschrieben wird, seine Leserschaft zu „unterrichten“ – etwa darüber, wie es ist, als Ostdeutscher nach der Wende jahrelang arbeitslos zu sein, oder darüber, was es heißt, die eigene Heimat zu verlieren, ohne den Wohnort zu wechseln.

Das Gesamtkonzept unseres „Wende-Readers“ entspricht ebenfalls dieser „Art von Thesen“: Unsere kleine Serie an Glossen-Ausgaben beansprucht ja, ein „Wende-Reader für den Unterricht“ zu sein. Er soll als Unterstützung dienen für die Lehrenden in den fortgeschrittenen Klassen an höheren Schulen oder den grundständigen Lehrveranstaltungen an Colleges und Universitäten auf beiden Seiten des Atlantiks. Die vier ausgewählten Erzähltexte (kurze Romane oder längere Erzählungen), mit denen sich die vier Ausgaben befassen – neben Jens Sparschuhs Der Zimmerspringbrunnen sind das Bernd Schirmers Schlehweins Giraffe, Kerstin Hensels Tanz am Kanal und Jens Wonnebergers Wiesinger –, sind in diesem Zusammenhang natürlich selbst Gegenstände unseres Interesses. Unsere Analysen und Interpretationen beziehen sich auf sie als literarische Werke, als die Kunstwerke oder Artefakte, die sie sind. Die vier Texte interessieren aber auch und ­vielleicht sogar in besonderem Maße als Mittel, um jungen Menschen in Schule und Universität Einblicke in diese besondere Phase der deutschen Geschichte zu geben, ja um ihnen Wissen über die Entwicklungen in Deutschland um 1989/90 und in den Jahren danach zu vermitteln. Denn für die nach 1990 Geborenen ist die Wende ja längst historisch geworden.

Anders gesagt: Man kann z.B. Jens Sparschuhs Zimmerspringbrunnen natürlich im Literaturunterricht im Fach Deutsch behandeln, man kann den Roman aber auch für den Geschichtsunterricht nutzen – etwa um Ostalgie zu verstehen –, für den Politikunterricht – „Warum tickt der Osten bis heute anders?“ – oder am besten in einem Projekt, das all diese Perspektiven verbindet.

Diese und ähnliche Verwendungsweisen von Literatur sind in Schule und Hochschule etabliert und weit verbreitet, sie werden in der Regel auch nicht in Frage gestellt. Sie haben aber eine problematische Voraussetzung, die in der Regel ungeprüfte Annahme nämlich, dass man mit Literatur Wissen über die Welt vermitteln kann.

In einem ersten Schritt werde ich erläutern, inwiefern diese Voraussetzung problematisch ist. Das hat mit der Fiktionalität von solcher Erzählliteratur zu tun. Wir wissen als Leserinnen, dass es Sherlock Holmes, Don Quijote und Hinrich Lobek, den „Helden“ aus Der Zimmerspringbrunnen, und die Geschichten, die von ihnen erzählt werden, gar nicht gibt. Und dennoch sollen wir annehmen, dass solche Texte Wissen vermitteln können? In den drei folgenden Abschnitten werde ich dann drei unterschiedliche, durchaus konkurrierende, aber in der Praxis wohl auch kombinierbare Ansätze vorstellen, die in jüngerer Zeit in Literaturtheorie und Literaturwissenschaft zur Lösung dieses Problems entwickelt worden sind. Als zur Veranschaulichung eingesetztes Beispiel soll dabei jeweils Sparschuhs tragisch-komischer Wende-Roman dienen.[2] Der erste vorzustellende Lösungsvorschlag geht davon aus, dass literarische Texte wie Der Zimmerspringbrunnen zwar insgesamt fiktional sind, dennoch aber Sätze enthalten können, die nicht-fiktional sind und deshalb potentiell wahr. Die Inhalte solcher wahren Sätze sind dann vermittelbare Gehalte von Wissen. Der zweite Ansatz setzt bei einer Standardpraxis der Wissensvermittlung im Alltag an: Wissen von Ereignissen vermitteln uns am besten Zeugen dieser Ereignisse. Jens Sparschuh hat – wie Hinrich Lobek, die von ihm erschaffene Hauptfigur aus Der Zimmerspringbrunnen – die Wende und die Nachwendezeit als DDR-Bürger bzw. Ostdeutscher selbst erlebt. Er kann deshalb auch in seinen fiktionalen Werken als glaubhafter Zeuge für die Wende gelten, also entsprechendes Wissen vermitteln. Die dritte und letzte Position versteht fiktionale Literatur als eine Institution, die zwar keine wahren Sätze enthalten kann, die aber in der Lage ist, Wahres zu zeigen und zu vergegenwärtigen. Der Zimmerspringbrunnen etwa vermittelt uns Lesern anschaulich Wissen darüber, wie es ist, sich mitten in Berlin wie Robinson auf einer einsamen Insel zu fühlen.

 

Können fiktionale Erzähltexte Wissen vermitteln?

Diese Frage kann mit guten Gründen verneint werden. Das hat mit den Begriffen und Ansprüchen von ‚Wissen‘ und ‚Fiktion‘ zu tun: Wissen setzt Wahrheit voraus. Um sagen zu können, dass jemand (die Person A) weiß, dass dies und das der Fall ist (die Tatsache x), muss A nicht nur von x überzeugt sein, sondern x muss auch wahr sein, eben eine Tatsache. Ein verbreiteter, noch anspruchsvollerer Wissensbegriff fordert darüber hinaus, dass A Gründe für seine Überzeugung, dass x eine Tatsache ist, angeben kann, etwa den, x als Zeuge beobachtet zu haben.[3] Fiktion wiederum gilt als Institution, die Wahrheit gerade nicht voraussetzt. Fiktionale Erzählungen etwa erzählen, wie eben schon angedeutet, ausgedachte Geschichten von Figuren, die es gar nicht gibt. Diese auf der Hand liegende Fiktivität der Geschichten und Figuren ist aber wohl gar nicht wesentlich für Fiktion. Wichtiger dürfte sein, dass die Erzählungen selbst gar nicht beanspruchen, Wahres zu erzählen. Ihre Autoren beabsichtigen das auch gar nicht. Und die Leserinnen fiktionaler Erzählungen wissen all das natürlich und rezipieren solche Texte entsprechend.[4]

Auf der anderen Seite gibt es aber auch die weit verbreitete Intuition und Praxis, fiktionaler Literatur Wahrheiten und Wissensvermittlung zuzutrauen. Was haben wir nicht alle aus Literatur über die Welt gelernt? Über fremde Länder, große Ereignisse der Geschichte, Abgründe der Seele, die Weiten des Weltraums, über Liebe, Trauer und vieles, vieles mehr …

Die Debatte um das Verhältnis von Literatur und Wahrheit bzw. Literatur und Wissen ist entsprechend alt und vielleicht nicht kontinuierlich, aber immer wieder geführt worden. Sie geht mindestens bis auf Platon und Aristoteles zurück: Jener schloss Literatur aus seinem Ideal-Staat aus, jedenfalls als Lektüre für die Personengruppen, die für den Erhalt des Staates zuständig sind. Einer der Gründe: Literatur ist Fiktion und deshalb zu weit von der Wahrheit entfernt. (Platon sieht Wahrheit in der göttlichen Idee, die von der wahrnehmbaren Realität nur unzureichend nachgebildet wird, die wiederum von der Literatur noch unzureichender abgebildet wird).[5] Sein Schüler und Nachfolger Aristoteles befasste sich, anders als Platon, in einer eigenen Schrift, der so genannten Poetik, nur mit Literatur. Sie ist, schreibt er, „etwas Philosophischeres und Ernsthafteres als Geschichtsschreibung“. Gerade weil sich Literatur nicht an den kontingenten Tatsachen historischer Geschehnisse orientiert, sondern an dem, „was geschehen könnte, d.h. [dem] nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit Mögliche“, hat sie Vorteile gegenüber der allein den Tatsachen verpflichteten Historiographie.[6] Mit nur ein wenig Zuspitzung kann man Aristoteles also so verstehen, dass Literatur gerade deshalb, weil sie fiktional ist, besonders wahr und relevant sei.

Argumentationen und Überlegungen der jüngeren Literaturwissenschaft und Literaturtheorie nehmen einige Aspekte dieser Debatte aus dem 4. Jahrhundert v. u. Z. durchaus wieder auf: Die aktuelle Literaturwissenschaft hat – so könnte man erkennbare Tendenzen der letzten gut 20 Jahre beschreiben – ihr Interessen- und Gegenstandsgebiet über die Literatur hinaus ausgeweitet. Insbesondere die jeweiligen historischen Kulturen, besonders die Wissenskulturen, denen Literatur entstammt, werden nun oft einbezogen. Dabei hat sich die ohnehin verbreitete Intuition einer Affinität von Literatur und Wissen (s. o.) zu einer Annahme verfestigt, die wissenschaftliche Forschungsprogramme begründen kann: „Literatur als konstitutives Element einer Geschichte des Wissens zu begreifen, [sei] möglich, sinnvoll [und] produktiv“, so eine Formulierung des einschlägig ausgewiesenen Literaturwissenschaftlers Roland Borgards.[7] Darauf, dass diese Annahme angesichts der Fiktionalität von (großen Teilen der) Literatur und den Ansprüchen, die ein fundierter Wissensbegriff nach sich zieht, nicht so ohne Weiteres zu halten ist, hat nun aber vor einigen Jahren ein anderer Literaturwissenschaftler sehr deutlich aufmerksam gemacht. In seinem Aufsatz „Vom Wissen in Literatur“[8] bezweifelt Tilmann Köppe, dass man Literatur Wissen zuschreiben kann, jedenfalls bei einem belastbaren Wissensbegriff wie dem auch hier skizzierten.[9]

Die Frage, ob Literatur, genauer: ob fiktionale Erzähltexte wahr sein oder wahre Anteile haben und somit Wissen enthalten oder ihre Leserschaft unterrichten können, darf somit als nach wie vor unentschieden und nicht konsensuell beantwortet gelten. Mit unserem „Wende-Reader“ ist nun aber der Anspruch der Wissensvermittlung verknüpft. Dieser Anspruch entspricht zwar einer etablierten Praxis, muss also vielleicht nicht zwingend theoretisch fundiert werden. Dennoch sollte ein Blick darauf lohnen, welche Begründungsstrategien für eine Antwort mit Ja die aktuelle Literaturwissenschaft und Literaturtheorie anbieten. Ich sehe hier vor allem drei Erfolg versprechende Vorschläge, die ich nun vorstellen möchte. Im Erfolgsfall, wenn diese Strategien (jeweils) überzeugen, dient das Unterfangen also der Stützung unseres „Readers“. Ich hoffe aber darüber hinaus auch ein wenig, dass sich für die Interpretation der literarischen Gegenstände neue Perspektiven ergeben, in diesem Fall also für Sparschuhs Roman Der Zimmerspringbrunnen, den ich zur Veranschaulichung heranziehen werde.

 

Kognitivismus und Kompositionalismus: Fiktionale Literatur kann wahre Sätze enthalten

Die analytische Philosophin Maria E. Reicher argumentiert in ihrem Aufsatz „Können wir aus Fiktionen lernen?“ für eine Beantwortung dieser unserer Frage mit einem klaren Ja:

Können fiktionale literarische Werke uns Wissen vermitteln? Wenn ja, wie ist das möglich, und welche Art von Wissen vermitteln uns fiktionale Werk? Ich werde argumentieren, dass fiktionale literarische Werke in der Tat Wissen vermitteln können, und zwar, unter anderem, propositionales Wissen über die „wirkliche Welt“.[10]

Die von Reicher hervorgehobene Propositionalität des Wissens meint dabei das auch hier eingangs eingeführte Wissen, dass (Tatsache) x. Jemand weiß, dass dies und das der Fall ist. Dieses x ist als Aussagesatz formulierbar und somit „propositional“. Es unterscheidet sich vom Wissen, wie – „ich weiß, wie man einen Erörterungsaufsatz schreibt“ –, und vom (nicht propositionalen) Vergegenwärtigen (s. u.).

In der philosophischen Diskussion wird die hier von Reicher vorgetragene und gestützte Position meist als „ästhetischer Kognitivismus“ bezeichnet, so auch von Reicher selbst.[11] In anderen disziplinären Umgebungen wird die betreffende Position aber durchaus etwas anders eingeführt, benannt und begründet. Ich möchte im Folgenden nicht auf Reichers Ausführungen zurückgreifen, sondern auf die Dissertation Eva-Maria Konrads, die – anders als Reicher, die als Philosophin fiktionale Kunstwerke insgesamt im Blick hat – als literaturwissenschaftliche Fiktionstheoretikerin auf fiktionale Erzählliteratur fokussiert. Bei Konrad heißt die (von ihr selbst vertretene) Position im Anschluss an Peter Blume[12] „Kompositionalismus“.[13] Dieser besagt, dass „aus der Charakterisierung eines Gesamttextes als fiktional nicht die ausschließliche Fiktionalität all seiner Textteile folgert.“[14]

Der Ausgangspunkt ist also die Fiktionalität eines Erzähltextes als Ganzem. Die Textganzheit und seine Textteile, insbesondere seine einzelnen, von der Erzählinstanz geäußerten Sätze sind im Standardfall fiktional, nicht wahrheitsbeanspruchend oder wissensvermittelnd. Sie sind – zwischen Autorin und Leserschaft quasi verabredet – letztlich Aufforderungen, sich das von den Sätzen Ausgesagte als fiktive Tatsache vorzustellen, aber nicht auch als wahr zu glauben.[15] Es kann aber eben, so die kompositionalistische These, innerhalb solcher fiktionalen Erzähltexte Textteile oder Sätze geben, die nicht (oder nicht nur) fiktional, also als bloße Vorstellungsaufforderungen von Fiktivem zu lesen sind. Solche Textpassagen können also (auch) als „faktuale“, nicht-fiktionale Äußerungen gelten und sind mit dem Anspruch versehen, Wahres über diese unsere Welt, die gemeinsame Welt der Autorin und ihrer Leser zu sagen.[16] Der Kompositionalismus hat also – darauf weist Konrad ausdrücklich hin – den Vorteil, „die verbreitete Annahme, fiktionale Literatur könne Wissen vermitteln, unmittelbar begründen“ zu können, weil er „anhand der faktualen Passagen für eine direkte Wissensvermittlung argumentieren kann.“[17] Historische Romane z. B. sind besonders gut als solche Texte zu verstehen: Sie erzählen fiktional eine spannende, fiktive Geschichte, die aber eingebettet ist in einen historischen Zusammenhang, der in entsprechenden Textpartien korrekt wiedergegeben wird.

Allerdings ist im Rahmen dieser Theorie noch zu klären, wie wir Leserinnen und Leser die faktualen Textstellen erkennen bzw. von ihrer fiktionalen Umgebung unterscheiden können. Völlige Sicherheit wird es bzgl. dieser Frage wohl nie geben, aber durchaus ein gutes Gespür, jedenfalls bei erfahrenen Leserinnen und Lesern. Konrad jedenfalls nennt eine ganze Reihe von Hinweisen auf mögliche Faktualität, darunter Textsorten, die in fiktionale Erzähltexte eingebettet werden (etwa Essays, selbstreflexive Äußerungen des Erzählers oder Montage-Elemente) oder Signale wie die Distanz zur erzählten Welt der fiktiven Geschichte, die Verwendung von Fachsprache, faktuale Namen, Tempuswechsel u. a. m.[18] Denkbar ist auch, so Konrad, dass Sätze fiktiver Figuren oder vom Autor klar zu unterscheidender Erzähler faktual sein können, jedenfalls solange der Erzähler nicht unzuverlässig agiert, also hinsichtlich Wissen oder Wertungen vom Autor gerade zu unterscheiden ist.[19]

Fiktionale Erzähltexte über die Wende kommen zweifellos als Texte in Frage, die dieser kompositionalistischen Fiktionstheorie entsprechend Sätze enthalten, die faktual sind, also (etwa historische) Tatsachen korrekt wiedergeben und so Wissen von diesen Tatsachen vermitteln. Diesbezüglich dürften sie sich als zeitgeschichtliche oder Zeitromane wohl ähnlich wie historische Romane verhalten.

Der Zimmerspringbrunnen ist aber wohl nicht wirklich gut geeignet, um auf der Grundlage dieser Theorie als Wissen vermittelnder Text verstanden werden zu können. Der homodiegetische Ich-Erzähler Hinrich Lobek erzählt ja im Wesentlichen von sich und seinen Erlebnissen als Vertreter für Zimmerspringbrunnen und Erfinder des „ostalgischen Kult-Produkt[s]“[20] und Erfolgsmodells Atlantis – und die sind allesamt fiktiv. Zudem erzählt er als pikareske, schelmenhafte Außenseiterfigur wohl auch nicht vollkommen zuverlässig: Er erscheint selbst mitunter als komische Figur, und er schätzt mindestens einige der Verhaltensweisen seiner Frau Julia (die Lobek wohl nicht mit ihrem Vorgesetzten betrügt, wie dieser annimmt) und einige Vermutungen seiner Vorgesetzten (die anzunehmen scheinen, er habe für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet, was er aber nicht erkennt) falsch ein. Der Erzähler des Zimmerspringbrunnens ist also keinesfalls mit dem Autor bzw. der Aussageabsicht des Gesamttextes in Übereinstimmung zu bringen. Deshalb dürften faktuale Äußerungen von ihm wohl eher unwahrscheinlich sein.

Es gibt sie aber dennoch, so meine Überzeugung: Lobek hat sich z. B. über „das Thema ‚der Zimmerspringbrunnen an und für sich‘“, als er von der Firma Panta Rhein als Vertreter angeheuert wird, „noch keine großen Gedanken gemacht. Das war völlig neues Terrain!“ Diese Reflexionen über sich selbst und das Neue führen aber sogleich zu der Einsicht: „Insofern aber natürlich nichts Neues – in den zurückgelegten letzten drei Jahren hatte sich ja alles fortlaufend erneuert.“[21] Für dieses „alles“ gibt Lobek, der Erzähler, im Folgenden eine ganze Reihe von Beispielen, darunter eindrücklich die „Postanschrift“ (durch Umbenennung der Straße, nicht durch Umzug) und natürlich den Verlust des „Heimatland[es]“, das er, Lobek, „[o]hne auch nur den Fuß vor die Tür zu setzen“, verlassen hat, „(bzw. – es mich)“.[22] Diese Beispiele werden natürlich in fiktionalen, auf den fiktiven Lobek bezogenen Sätzen formuliert, sie liefern aber den Gehalt, den Kontext und das bessere Verständnis des einleitenden Satzes, der durchaus als faktual verstanden werden kann: „[I]n den zurückgelegten letzten drei Jahren hatte sich ja alles fortlaufend erneuert.“ kann jedenfalls gut als eine wahre Aussage gelten über das, was von 1990 bis 1993/94 in der untergehenden DDR und den ganz neuen Bundesländern geschehen ist: eine als Wissen zu vermittelnde Tatsache also. Solche Sätze und Textpassagen sind mehrfach zu finden im Roman, freilich stets kurz und meist unmittelbar eingebettet in fiktionale Äußerungskontexte und von diesen kaum zu trennen – etwa der kurze Satz „Es gab ja auch nichts zu erzählen!“[23] im Kontext der Reflexionen über die eigene, Lobeks, Arbeitslosigkeit.

 

Die Zeugnis-Strategie: Auch Fiktionales kann Wissen vermitteln

Zeugnisse und Hörensagen sind weit verbreitete und durchaus respektable, weil recht verlässliche Quellen und Vermittlungsweisen von Wissen. Vor Gericht etwa kommt den Aussagen von Zeugen ggf. eine entscheidende Rolle zu. Und tatsächlich dürfte vieles von dem, was wir wissen, nicht auf eigene Erfahrungen, Prüfungen oder Überlegungen zurückgehen, sondern auf die Aussagen anderer, vom Freund über die Dozentin an der Uni bis zum wissenschaftlichen Sachartikel und seiner Autorin. Es ist also durchaus plausibel zu fragen, ob und inwiefern Literatur, auch fiktionale Erzählliteratur über eine Art Zeugnis-Strategie als eine Quelle oder Trägerin von Wissen eingeschätzt werden kann.

Tatsächlich gibt es mindestens zwei Typen von Argumenten und eine ganze Reihe von Genres, die eine solche Zeugnis-Strategie als plausibel erscheinen lassen: Wir (Leser und Literaturwissenschaftlerinnen) beurteilen die Authentizität und Verlässlichkeit von mancher fiktionaler Literatur durchaus nach den Zeugnis-Qualitäten ihrer Autorinnen und Autoren: Literatur über den Holocaust etwa kann durchaus fiktional sein, sie ist auf jeden Fall von anderer Qualität, wenn sie von tatsächlichen Opfern der Shoah geschrieben ist. Romane über den Ersten Weltkrieg, die im Kontext der politischen Auseinandersetzungen der späten Weimarer Republik einen Boom erlebten, wurden auch und besonders danach bewertet, ob ihr Autor Fronterfahrung hatte. Und aktuelle Wissenschaftsromane, die der breiten Leserschaft ein authentisches Bild von Wissenschaft, etwa der Klimaforschung vermitteln wollen, profitieren natürlich, wenn ihre Autoren selbst Naturwissenschaftler sind, bei Forschungsexpeditionen an Bord waren usw. Wenn direkte Zeugenschaft nicht vorliegt, so ist das am besten durch umfassende Recherchen zu kompensieren, auch in der Literatur: Auch das ist bei Wissenschaftsromanen der Fall, besonders aber natürlich bei Genres wie dem historischen Roman.

Ich folge hier und im Anschluss nun einem Aufsatz von Tobias Klauk, von dem auch der Terminus „Zeugnis-Strategie“ stammt.[24] Klauk und die Zeugnis-Strategie gehen über den eben vorgestellten Kompositionalismus hinaus: „Wir wollen sagen, dass man nicht nur aus nicht-fiktionalen Passagen fiktionaler Werke lernen kann, sondern aus fiktionaler Rede selbst, insofern mit dieser fiktionalen Rede gleichzeitig nicht-fiktionale Sprechakte begangen werden.“[25] Dafür muss aber die Beglaubigungsfunktion des Zeugnisses sichergestellt werden, eine Art Prinzip, im Standardfall zu glauben und als Wissen zu übernehmen, was Zeugen oder anderweitig kompetente Personen äußern. Dieses „Akzeptanzprinzip“ besagt, „dass dem Zeugnis Anderer zu vertrauen eine epistemische Defaultposition ist.“[26] Nur wenn es Gründe gibt für die Annahme, die Quelle sei nicht vertrauenswürdig, verliert das Prinzip seine Wirkung.

Die Sache hat aber, so Klauk, einen Haken: Das Akzeptanzprinzip gilt wohl nur, wenn man es hauptsächlich mit behauptender Rede zu tun hat: „Abweichende Verwendungen wie in Witzen, Ironie oder eben Fiktion müssen markiert werden, um verständlich zu sein.“[27]

Vielleicht gibt es aber ja Ersatz für das im Alltag so wirkungsmächtige Akzeptanzprinzip, ein Prinzip, das innerhalb von fiktionalen Lektürekontexten dafür sorgt, dass die Leserschaft bestimmte Informationen unter normalen Umständen als zuverlässig erachtet, und zwar als zuverlässig bzgl. unserer Alltags- und Lebenswelt. Ein solches Prinzip ist wohl als Lektürekonvention zu verstehen, als übliche Art und Weise mit einer bestimmten Art von Text umzugehen. Oben haben wir eine solche Konvention schon einmal kurz angetippt: Historische Romane erzählen fiktional eine spannende, fiktive Geschichte, die aber eingebettet ist in einen historischen Zusammenhang, der in entsprechenden Textpartien korrekt wiedergegeben wird.[28] Letztere sind also durchaus vertrauenswürdig. Solche Konventionen sind, das ist schon absehbar, nicht sonderlich präzise und genau. Und natürlich sind sie implizit, wirksam also, ohne expliziert oder formuliert zu werden. Die Leserinnen und Leser folgen solchen Konventionen also, ohne dass ihnen dies bewusst sein dürfte.

Eine solche Konvention entwickelt und formuliert Klauk nun also für die Verwendung im Kontext der Zeugnis-Strategie, als Ersatz für das Akzeptanzprinzip in fiktionalen Kontexten:

Ist die Handlung eines fiktionalen Textes raumzeitlich in unserer Welt verortbar, dann sind allgemeine Informationen über die Szenerie und den Hintergrund der Handlung alles in allem historisch [ich würde allgemeiner sagen wollen: sachlich – U.S.] akkurat. Je näher eine Information dagegen an der konkreten Handlung des fiktionalen Textes liegt, desto freier kann mit dem historischen Setting umgegangen werden.[29]

Eine solche Lesekonvention dürfte, so möchte ich ergänzen, besonders nahe liegen oder ausgeprägt verfolgt werden, wenn die Leserin weiß, dass die Autorin das ‚historische Setting‘, von dem sie schreibt, gut kennt, diesbezüglich also als verlässliche Quelle einzuschätzen ist.

Probieren wir es aus: Der Zimmerspringbrunnen erzählt ganz zweifellos eine Geschichte, die ‚in unserer Welt verortbar‘ ist. In dieser Welt fiel 1989 die Mauer, und 1990 wurde Deutschland ‚wiedervereinigt‘, Hinrich Lobek wurde aber im Gegensatz zu vielen anderen ‚Ost-Bürgern‘ nicht arbeitslos, weil er fiktiv ist.[30] Von seinem Autor dürfen wir zudem getrost annehmen, dass er das ‚historische Setting‘ der unmittelbaren Nachwendejahre in Berlin (Ost) bestens kennt. Sparschuh, Jahrgang 1955, lebte bis 1990 ausschließlich in der DDR. Während und nach der Wende wohnte er in (Ost-)Berlin, und lebt bis heute in dieser Stadt.[31]

Wie im Zusammenhang mit dem Kompositionalismus dürfte die homo- bzw. autodiegetische Anlage des Romans – Hinrich Lobek erzählt seine eigene Geschichte – dafür sorgen, dass allgemeine, nicht auf den fiktiven Lobek und seine Geschichte bezogene Informationen eher selten gegeben werden. Wo das geschieht, dürften sie aber in der Regel verlässlich sein im Sinne der Zeugnis-Strategie, also als Wissen über die tatsächliche Welt, in der die DDR mit der Wende ein Ende gefunden hat: Dazu zählen sicherlich die schon im letzten Abschnitt angeführten und ähnliche Passagen zur Schweigsamkeit und Einsamkeit des Arbeitslosen oder zur stetigen Erneuerung in den frühen neunziger Jahren, die wir als mögliche faktuale Wissensinhalte identifiziert haben. Und auch hier lässt sich feststellen, dass Informationen, die auf die fiktive Figur und ihre Geschichte bezogen sind, eng mit unsere Welt betreffenden Sachinformationen verwoben sind: „Da bemerkte ich: heimlich, über Nacht sozusagen, waren wir aus unserer Straße umgezogen worden. Sie trug jetzt einen anderen Namen“, stellt Hinrich Lobek fest.[32] Der letzte Satz dürfte ein gutes Beispiel sein für einen gleichzeitig fiktional und faktual zu verstehenden Satz im Sinne Klauks: Natürlich ist die Straße, um die es geht, die, in der Lobek wohnt, deshalb wohl eine fiktive Straße, deren Umbenennung sich die Leserin hier vorstellen soll. Dieselbe Leserin bekommt aber ebenso mitgeteilt, dass solche Umbenennungen damals üblich und häufig waren – etwa die (später im Roman explizit erwähnte und für das Zimmerspringbrunnenmodell Atlantis verwendete) (Rück-)Umbenennung von „Karl-Marx-Stadt“ in „Chemnitz“.[33]

Die Erwähnung und Einbettung lebensweltlich realer Informationen als ‚Szenerie‘ der fiktiven Geschichte im Klauk’schen Sinne dient im Roman – so lässt sich an einigen Stellen feststellen – auch der Komisierung der erwähnten Elemente: Im Kapitel „– A.I.D.A. oder im Würgegriff des Kleinhandels –“[34] wird von der höchst erfolgreichen Nutzung der AIDA-Verkaufstechnik durch Lobek erzählt, der so sein selbst entwickeltes Zimmerspringbrunnen-Modell Atlantis an die ostalgische Kundschaft bringt. AIDA ist real, wie wir wissen,[35] Lobek und Atlantis sind fiktiv. Dass ein Vertreter für (so etwas Nutzloses wie) Zimmerspringbrunnen nicht nur in der (komischen) Fiktion wie Der Zimmerspringbrunnen in derlei Verkaufstechniken geschult wird, ist also mehr als plausibel. Dass der Vertreter Hinrich Lobek mit der marktwirtschaftlichen Methode AIDA aber besonders schnell besonders großen Erfolg hat, liegt am Produkt, das er vertreibt und das in ideologischer und symbolischer Hinsicht keinen größeren Gegensatz zu AIDA bilden könnte: Atlantis ziert ja nicht nur der DDR-Fernsehturm – genauer: „Kugelschreiber in Form des DDR-Fernsehturms“[36] –, sondern auch eine „Kupferplatte“[37] mit den Umrissen der DDR. Mehr (symbolische) DDR geht also nicht. Doch Atlantis erzeugt schon beim stummen Auspacken „A wie attention“, eine Aufmerksamkeit, die „in diesem Fall fast automatisch“ in „ein spezielles Interesse (I = interest)“ verwandelt wird, so dass „keine drei Minuten später […] auch Punkt D (desire = Kaufwunsch) feste Gestalt“ annimmt und „[d]as abschließende A (= action)“ nur mehr „eine Formsache“ ist.[38]

Ganz unscheinbar, aber ebenfalls authentisch (und ein bisschen komisch) ist schließlich eine weitere Art von Informationen, die in Sparschuhs Roman hin und wieder angeführt wird: Hinrich Lobek hat ein Faible für Abkürzungen, gerade für solche aus seiner früheren Heimat, der DDR, aus seiner „KWV-Zeit“.[39] Als er bei seinen Verkaufsaktionen später auf „Werner Janowski“ trifft, erinnert er sich an ihn als „ehemalige[n] PGH-Chef“[40] und vermittelt so dem Leser ein authentisches und nicht ohne Weiteres auflösbares DDR-Akronym – „PGH“ steht für eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks. Dass Lobek die Neigung zur Verwendung von Akronymen mit seinen Westkollegen teilt, die von den zu verkaufenden Zimmerspringbrunnen am liebsten als „ZSB“ sprechen, ist eine andere kleine deutsch-deutsche Pointe des Romans, die genau an der Verbindungsstelle zwischen realer Szenerie und fiktiver Handlung angesiedelt ist.

 

Vergegenwärtigung von Wahrem

Die abschließend vorzustellende Theorie zur Begründung von gelingender Wissensvermittlung in fiktionalen Erzähltexten geht auf die Theorie der Exemplifikation zurück, die der Harvard-Philosoph Nelson Goodman in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt hat. In Languages of Art (1968) stellt er die Exemplifikation der Repräsentation als kunsttypische Symbolverwendungsweise zur Seite. Beide unterscheiden sich, so Goodman, in der „Richtung“[41] der Bezugnahme, in der Vertauschung des jeweiligen Verhältnisses des Besonderen zum Allgemeinen: Ein Symbol nimmt auf das Repräsentierte Bezug: Das Wort „rot“ bezieht sich auf alles Rote. Das Exempel jedoch hat eine bestimmte Eigenschaft, die es exemplifiziert: Etwas Rotes exemplifiziert die Eigenschaft der Röte. Das Exempel ist also, so Goodman, eine Art Probe – wie das Stoffmuster eines Schneiders –, die einige ihrer Eigenschaften nicht nur aufweist, sondern auch veranschaulicht.

Diese Goodman’sche Idee einer „Richtungsänderung des Bedeutens“[42] griff der deutsche Philosoph Gottfried Gabriel schon in seiner Konstanzer Antrittsvorlesung von 1980 auf, um das Wissensvermittlungspotential von fiktionaler Literatur zu erklären. Er vertiefte, differenzierte und erweiterte diese Konzeption seither in zahlreichen Aufsätzen und Publikationen. Von diesen möchte ich im Folgenden vor allem „Fiktion, Wahrheit und Erkenntnis in der Literatur“ von 2014 als Textgrundlage nutzen, weil Gabriel hier in besonders großer Übereinstimmung mit unserem Problemzusammenhang argumentiert.[43] Sein Ausgangspunkt ist hier der Satz „Es gibt fiktionale Literatur, die einen relevanten Erkenntniswert besitzt.“ Und „[s]eine Hauptthese besagt, dass dieser Erkenntniswert in einer Vergegenwärtigungsleistung besteht.“[44] Diese Vergegenwärtigungsleistung nach Gabriel ist eine besondere Art von Goodman’scher Exemplifikation und folgt wiederum der „Richtungsänderung des Bedeutens“.[45] Das Besondere ist die Fiktionalität der Literatur, deren Erkenntnispotential Gabriel hier ganz in Übereinstimmung mit Aristoteles und seiner eingangs zierten Auffassung, die fiktionale Literatur sei philosophischer als die tatsachenorientierte Geschichtsschreibung, wie folgt bestimmt:

Was Dichtung wesentlich meint, wird nicht in ihr gesagt oder als in ihr enthalten mitgeteilt, sondern gezeigt, und zwar in der Weise, dass ein fiktional berichtetes Geschehen aufgrund seiner Fiktionalität den Charakter des Historisch-Einzelnen verliert und so – zu einem Besonderen geworden – eine Vergegenwärtigungsleistung erbringt.[46]

Die Inhalte dieser fiktionale Literatur ausmachenden Vergegenwärtigungsleistung sind allerdings nicht-propositional. Gabriel geht zwar davon aus, dass „[i]n realistischen […] und historischen Romanen […] neue propositionale Erkenntnisse“ vermittelt werden können, die eigentliche „Erkenntnisleistung“ von Literatur besteht aber nicht „in der abstrakten Aufstellung einer allgemeinen Proposition oder These als vielmehr in der konkreten nicht-propositionalen Darstellung, nämlich in der narrativen Vergegenwärtigung von deren Inhalt.“[47] Diese „nicht-propositionale literarisch fiktionale Vergegenwärtigung der Lebenswirklichkeit“[48] ist laut Gabriel durchaus als Art von Wissen zu verstehen. Es ist aber eben kein (propositionales) Wissen, dass etwas so und so ist, sondern ein „nicht-propositionale[s] Wissen, wie es ist, sich in der-und-der Stimmung oder Situation zu befinden“.[49]

Gabriels Erweiterung des Wissensbegriffs auf Nicht-Propositionales wird Skeptiker wie den eingangs angeführten Tilmann Köppe mit einem eher engen, auf Propositionales beschränkten Wissensbegriff wohl nicht überzeugen können. Im Übrigen hat die Gabriel’sche Konzeption der Vergegenwärtigungsleistung von Literatur als Art von Wissensvermittlung aber sicherlich gegenüber den beiden anderen hier vorgestellten Ansätzen mindestens zwei Vorteile: Sie ist mit der in der Literaturwissenschaft üblichen Praxis, literarische Texte auf ihren Sinn hin zu interpretieren, verwandt und verträglich. Und sie kann in Sparschuhs Roman Der Zimmerspringbrunnen nicht nur einzelne kleine Passagen als Wissensinhalte auszeichnen, sondern längere Abschnitte oder sogar die Gesamtheit des Romans, allerdings mit abnehmender Konkretheit der textuellen Grundlage für das betreffende Wissen. So vergegenwärtigt Der Zimmerspringbrunnen etwa – darauf hat schon Matteo Galli hingewiesen – in Hinrich Lobek sicherlich nicht nur eine typische Figur aus Wendeliteratur und Wendefilm, sondern auch einen historischen Typus der Wendejahre selbst: Er ist „ein Abgewickelter.“[50] Lobek hat mit der DDR nicht nur seine Arbeit bei der KWV verloren, sondern auch sein soziales Umfeld, sein Einkommen, sein Selbstvertrauen und seine Würde – und er fürchtet nun, auch seine Frau zu verlieren. Den Hund nennt er „Freitag“,[51] das macht ihn zum Robinson und damit zu einem topischen Veranschaulichungsexempel von Einsamkeit. Wie Robinson hat er seine Heimat verloren, anders als dieser aber „ohne auch nur den Fuß vor die Tür“ gesetzt zu haben.[52]

Überhaupt wird der Untertitel des Romans „Ein Heimatroman“, der in der Taschenbuchausgabe von 1997 übrigens fehlt,[53] sehr anschaulich über die Vergegenwärtigungsfunktion des Romans erklärbar: Lobek fährt für das Vorstellungsgespräch bei der Zimmerspringbrunnenfirma Panta Rhein ja maximal weit in den Westen, in die alte BRD, eine abgelegene Kleinstadt im Schwarzwald. Und hier erlebt er einen bisher noch unbekannten Aspekt des ‚Westens‘, die Tristesse einer schäbigen Kleinstadt-Pension und eines Fernsehprogramms mit Softsex-Filmen „aus den siebziger Jahren […] in bayrischer Sprache“.[54] In Verbindung mit der ohnehin schon deprimierenden Einsamkeit kulminiert diese Szene in Lobeks Stoßseufzer, „‚Ich liebe meine Heimat, die Deutsche Demokratische Republik.‘“ Der Satz, so oder so ähnlich sicherlich oft gehört in der Schule oder der FDJ, ist Lobek „bisher noch nie in meinem Leben über die Lippen gekommen“.[55] Die Szene veranschaulicht also nicht nur, dass Heimat etwas ist, das man erst dann schätzt und liebt, wenn es verloren ist, sondern auch, dass auch die untergegangene DDR eine solche verlorene, nun geliebte oder nostalgisch-verklärte Heimat sein kann. Der Ausdruck „Ostalgie“ taucht im Roman zwar nicht auf. Das Phänomen Ostalgie aber bestimmt den zweiten Teil der fiktiven Romangeschichte ebenso wie die historischen Nachwendejahre.[56] Ostalgie wird im Roman natürlich über das von Lobek in einer für eine DDR-Sozialisation exemplarischen (?) Mischung aus mangelbedingter Improvisation und Pragmatismus entwickelte Zimmerspringbrunnenmodell Atlantis veranschaulicht, das im letzten Abschnitt schon als Symbol der DDR eingeführt worden ist. Atlantis steht mit seinen Konturen (DDR), seinen Elementen (Fernsehturm) und seinem Namen (Utopie, untergegangen) wie nichts anderes für die DDR, wird aber trotz der offenkundigen Nutzlosigkeit als Zimmerspringbrunnen von Lobeks Kunden in Massen gekauft, ja verehrt: „Es waren regelrechte Altarecken, wo er [der „ZSB“, U.S.] landete“.[57]

Ich gehe davon aus, dass die Reihe dessen, was der Roman vergegenwärtigt, zeigt und veranschaulicht, mit diesen drei kleinen Einblicken nicht abgeschlossen ist. Und ich gehe auch davon aus, dass Vergegenwärtigung im Roman nicht die einzige Art der Bezugnahme auf das Gezeigte ist, sondern mindestens eine gewisse Distanzierung oder Komisierung hinzu kommen.

 

Schluss

Das wesentliche Ziel meines Beitrags war es aber ja, theoretisch begründete Erklärungen für das angenommene wissensvermittelnde Potential fiktionaler Erzähltexte vorzustellen und diese am Beispiel von Sparschuhs Zimmerspringbrunnen zu veranschaulichen. Alle drei ausgewählten Positionen – Kompositionalismus, Zeugnis-Strategie und Vergegenwärtigung – haben Anteile und Aspekte des Romans identifizierbar gemacht, die nicht fiktional sind, wahrheitsfähig oder anderweitig als Wissensinhalte angesehen werden können. Das jeweilige Wissen bzw. die zugrunde liegende Textbasis wiesen dabei auch Überscheidungen auf. Die drei Ansätze konkurrieren theoretisch miteinander, schließen sich aber im Ergebnis keineswegs aus, im Gegenteil. Vieles deutet darauf hin, dass sie sich praktisch durchaus gegenseitig ergänzen können. Hinsichtlich Sparschuhs Roman hat sich die Vergegenwärtigung als der Ansatz erwiesen, der die größte Menge an Wissensinhalten hervorgebracht hat, während die beiden anderen Ansätze und insbesondere der Kompositionalismus eine eher geringe Menge an als Wissen vermittelte Textstellen ergeben haben. Die Probe kann aber – so meine Vermutung, die natürlich zu prüfen wäre – bei anderen fiktionalen Erzähltexten und vielleicht auch bei anderer Wendeliteratur durchaus andere Ergebnisse zeitigen.

 

[1] Twark, Jill. „Selling Ostalgie: Der Zimmerspringbrunnen as a Tragicomic Salesman’s Tale of German Unification“. In: Glossen. German Literature and Culture after 1945. Nr. 50 (2024), https://blogs.dickinson.edu/glossen/twark-selling-ostalgie/, hier: https://blogs.dickinson.edu/glossen/twark-selling-ostalgie/#Spoerl_1: „The novel and film version of Der Zimmerspringsbrunnen remain insightful, painfully funny texts that teach us about life as an Eastern German before and after German unification.“ Auch die in dieser Einleitung meines Beitrags beispielhaft angeführten Wissensinhalte aus Der Zimmerspringbrunnen finden sich in Jill Twarks Beitrag: Nachwende-Arbeitslosigkeit, -Heimatverlust und -Isolation.

[2] Sparschuh, Jens. Der Zimmerspringbrunnen. Ein Heimatroman. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1995.

[3] Die philosophische Beschäftigung mit dem menschlichen Wissen, seinen Möglichkeiten und Grenzen ist beinahe so alt wie die Philosophie selbst, entsprechend vielgestaltig. Einen sehr guten Einblick in die Wissens- und Erkenntnistheorie gibt etwa Moser, Paul K. (Ed.). The Oxford Handbook of Epistemology. Oxford: Oxford UP, 2002.

[4] Das Feld der literaturwissenschaftlichen und philosophischen Fiktionstheorien ist bei weitem zu breit und zu vielfältig, um hier einzelne Titel oder Positionen zu dokumentieren oder hervorzuheben: Einen sehr guten, aber nach gut 20 Jahren nicht mehr ganz aktuellen Überblick gibt Zipfel, Frank. Fiktion, Fiktivität, Fiktionalität. Analysen zur Fiktion in der Literatur und zum Fiktionsbegriff in der Literaturwissenschaft. Berlin: Erich Schmidt, 2001. Einen umfassenden Einblick in das Feld bietet Klauk, Tobias / Köppe, Tilmann (Hg.). Fiktionalität. Ein interdisziplinäres Handbuch. Berlin: de Gruyter, 2014.

[5] Platon spricht in seinen uns heute bekannten Texten selten in eigener Sache. Man kann also durchaus sagen, seine philosophischen Schriften in Dialogform seien selbst fiktional. Im Dialog Politeia (dt. Der Staat) argumentiert die historisch-fiktive Figur Sokrates jedenfalls so wie hier skizziert, vgl. Platon. Der Staat / Politeia. Übers. von Rüdiger Rufener. Hg. von Thomas A. Szlezák. Düsseldorf, Zürich: Artemis & Winkler, 2000, (Buch X, §§ 595-608) S. 804-847.

[6] Aristoteles. Poetik. Griechisch / Deutsch. Übers. und hg. von Manfred Fuhrmann. Stuttgart: Reclam, (§ 1451a/b) S. 29.

[7] Borgards, Roland. „Wissen und Literatur. Eine Replik auf Tilmann Köppe“. In: Zeitschrift für Germanistik. N. F. 17 (2007), S. 425-428, hier: S. 425.

[8] Köppe, Tilmann. „Vom Wissen in Literatur“. In: Zeitschrift für Germanistik. N. F. 17 (2007), S. 398-410. Dieser Aufsatz ist der Beginn einer Diskussion, die in Nr. 17 der Zeitschrift für Germanistik dokumentiert ist – eine der Repliken ist der eben zitierte Beitrag von Borgards –, die mit diesem Zeitschriftenband aber nicht abgeschlossen war. Köppes Dissertationsschrift etwa – K., T. Literatur und Erkenntnis. Studien zur kognitiven Signifikanz fiktionaler literarischer Werke. Paderborn: mentis, 2008 – wurde ebenfalls intensiv diskutiert.

[9] Auch zum weiten Feld des Verhältnisses und Zusammenhangs von Literatur und Wissen möchte ich auf eine Monographie hinweisen, die einen guten Ein- und Überblick gewährt: Klausnitzer, Ralf. Literatur und Wissen. Zugänge – Modelle – Analysen. Berlin, New York: de Gruyter, 2008.

[10] Reicher, Maria E. „Können wir aus Fiktionen lernen?“ In: Demmerling, Christoph / Vendrell Ferran, Íngrid (Hg.). Wahrheit, Wissen und Erkenntnis in der Literatur. Philosophische Beiträge. Berlin: de Gruyter, 2014, S. 73-95, hier: S. 73.

[11] Ebd., S. 74.

[12] Vgl. Blume, Peter. Fiktion und Weltwissen. Der Beitrag nichtfiktionaler Konzepte zur Sinnkonstitution fiktionaler Erzählliteratur. Berlin: Erich Schmidt, 2004.

[13] Konrad, Eva-Maria. Dimensionen der Fiktionalität. Analyse eines Grundbegriffs der Literaturwissenschaft. Münster: mentis, 2014. Konrad unterscheidet hier „Panfiktionalismus“ – alles ist fiktional, Nicht-Fiktionales gibt es nicht und damit auch keinen Gegensatz zwischen Fiktion und Wahrheit –, „Autonomismus“ – Fiktionen enthalten nur Fiktionales – und eben den hier vorzustellenden „Kompositionalismus“ (Kap. 4, S. 265-474).

[14] Ebd., S. 370. – Auf der Folgeseite 371 findet sich die komplette kompositionalistische Variante der Definition von Fiktionalität, die Konrad hier entwickelt.

[15] Dies entspricht der Auffassung von Fiktionalität als einer pragmatisch konventionalisierten Institution, die aktuell die Forschung dominiert, auch wenn sie vielleicht noch kein allgemeiner Konsens ist.

[16] „Faktual“ meint im fiktionstheoretischen Diskurs „nicht fiktional“. – Konrad sieht übrigens tatsächlich beide (hier mit den Einklammerungen angedeuteten) Fälle vor: zum einen Textpassagen, die eben nicht fiktional, sondern faktual (zu lesen) sind, zum anderen Textpassagen, die sowohl fiktional zu lesen sind als auch als faktual: „Der Autor intendiert hier sowohl, den Leser zu einer Imagination aufzufordern, als auch, ihn von etwas zu überzeugen oder ihn über etwas zu informieren“ (ebd., S. 442).

[17] Ebd., S. 405.

[18] Vgl. ebd., S. 430-474.

[19] Vgl. ebd., S. 461.

[20] Galli, Matteo. „Sparschuh, Jens: Der Zimmerspringbrunnen. Ein Heimatroman“. In: Tommek, Heribert / Galli, Matteo / Geisenhanslüke, Achim (Hg.). Wendejahr 1995. Transformationen der deutschen Literatur. Berlin, Boston: de Gruyter, 2015, S. 497-501, hier: S. 498.

[21] Sparschuh. Zimmersprungbrunnen, S. 38.

[22] Ebd.

[23] Ebd., S. 16.

[24] Klauk, Tobias. „Fiktion, Behauptung, Zeugnis“. In: Demmerling, Christoph / Vendrell Ferran, Íngrid (Hg.). Wahrheit, Wissen und Erkenntnis in der Literatur. Philosophische Beiträge. Berlin: de Gruyter, 2014, S. 197-217, hier: S. 197.

[25] Ebd., S. 207.

[26] Ebd., S. 208 f.

[27] Ebd., S. 209. – Klauk folgt hier im Übrigen dem Philosophen Tyler Burge: B., T. „Content Preservation“. In: The Philosophical Review 102.4 (1993), S. 457-488.

[28] Auch Klauk führt den historischen Roman als verwandt an (vgl. S. 213) und verweist auf entsprechende Überlegungen Umberto Ecos, vgl. E., U. Im Wald der Fiktionen. Sechs Streifzüge durch die Literatur. Aus dem Ital. von Burkhart Kroeber. München: Hanser, 1994, S. 141.

[29] Klauk. „Fiktion, Behauptung, Zeugnis“, S. 213.

[30] Jill Twark verweist in ihrem eingangs angeführten Beitrag ganz im Sinne meiner Ausführungen hier auf die Arbeitslosenzahlen in den neuen Bundesländern in den 90er Jahren als „some background infornation on the history of East Germany“ – Twark. „Selling Ostalgie“, https://blogs.dickinson.edu/glossen/twark-selling-ostalgie/#Spoerl_2.

[31] Wenn man derlei nicht ohnehin schon weiß, weil man den Autor, die Autorin kennt, helfen der Leserschaft hier auch gerne die Klappentexte der Bücher aus. Bei Jens Sparschuh kann man aber auch die heutzutage meistgenutzte Quelle für verlässliche Informationen (im Sinne der Zeugnis-Strategie) nutzen: Wikipedia, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Jens_Sparschuh (eingesehen am 25. August 2023).

[32] Sparschuh. Zimmersprungbrunnen, S. 38.

[33] Ebd., S. 105.

[34] Ebd., S. 97.

[35] Wenn wir nicht sicher bin, sehen wir wieder bei Wikipedia nach: https://de.wikipedia.org/wiki/AIDA-Modell (eingesehen am 25. August 2023).

[36] Sparschuh. Zimmersprungbrunnen, S. 95.

[37] Ebd., S. 104.

[38] Ebd., S. 103 f.

[39] Ebd., S. 13. – Lobek arbeitete also in einer der vielen Kommunalen Wohnungsverwaltungen der DDR.

[40] Ebd., S. 92.

[41] Goodman, Nelson. Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie. Übers. von Bernd Philippi. Frankfurt am Main: suhrkamp taschenbuch wissenschaft, 1997, S. 59. – Neben die Repräsentation und Exemplifikation tritt bei Goodman dann noch der Ausdruck, den der Philosoph als metaphorischen Exemplifikation bestimmt (vgl. S. 88).

[42] Gabriel, Gottfried. „Über Bedeutung in der Literatur. Zur Möglichkeit ästhetischer Erkenntnis“. In: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie 8 (1983), S. 7-21, hier: S. 14.

[43] Gabriel, Gottfried. „Fiktion, Wahrheit und Erkenntnis in der Literatur“. In: Demmerling, Christoph / Vendrell Ferran, Íngrid (Hg.). Wahrheit, Wissen und Erkenntnis in der Literatur. Philosophische Beiträge. Berlin: de Gruyter, 2014, S. 163-180.

[44] Ebd., S. 163.

[45] Ebd., S. 168.

[46] Ebd.

[47] Ebd., S. 172.

[48] Ebd., S. 175.

[49] Ebd.

[50] Galli. „Der Zimmerspringbrunnen“, S. 497.

[51] Sparschuh. Zimmerspringbrunnen, S. 17.

[52] Ebd., S. 38.

[53] Sparschuh, Jens. Der Zimmerspringbrunnen. Berlin: btb 1997.

[54] Sparschuh. Zimmerspringbrunnen (1995), S. 54.

[55] Ebd., S. 55.

[56] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ostalgie (eingesehen am 28. August 2023) und Twark. „Selling Ostalgie“.

[57] Sparschuh. Zimmerspringbrunnen, S. 105.

Comments Off on Können fiktionale Erzähltexte Wissen über die Wende vermitteln?

Mar 11 2024

Selling Ostalgie

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Der Zimmerspringbrunnen as a Tragicomic Salesman’s Tale of German Unification

by Jill Twark

The novel Der Zimmerspringbrunnen (1995) by Jens Sparschuh belongs to a large group of humorous and satirical texts, films, songs, cabaret performances, and cartoons created as reactions to the unification of East and West Germany.[1] The best-selling novel Helden wie wir (1995; Heroes like us, 1997) by Thomas Brussig, the popular film Sonnenallee (1999) directed by Leander Haußmann, and the graphic novel Kinderland (2014) by Mawil represent the wide spectrum of these comical responses to the Wende.[2] For a good laugh, one can also listen to the wacky pop eulogy “Erfurt & Gera” by Nina Hagen, from her 1991 album Street, in which the singer mocks the way East Germans threw themselves into West German consumerism after the Berlin Wall fell in November 1989.[3] Along with the more abundant, “serious” autobiographies, novels, and historiography that record life in the German Democratic Republic (GDR) and after unification,[4] humorous artworks testify not only to the hardships people faced in the East and in unified Germany, but also to the pleasure derived in hindsight from recognizing the many ironies of life under socialism and after its failure as an immense political experiment in Eastern Europe.[5]

When two distinct cultures, such as those of East and West Germany, come into contact with each other, their differences produce incongruities that can sometimes seem funny. After the fall of the Wall, East and West Germans traveled freely across the former border, and even though they had shared a common history until 1945 and spoke the same language, they discovered a lot of sometimes unexpected differences. One tangible contrast was in the clothing they wore. In the East, clothing production could not keep up with the demand for fashionable designs, and synthetic fibers like polyester and the GDR version of nylon, called Dederon—combining the acronym for “Deutsche Demokratische Republik” (“DDR”) and “nylon”—predominated.[6] Fashion trends in the East thus lagged behind the West, from the Western point of view, so Westerners often smiled—or cringed—when they saw how Easterners dressed.[7] After unification, differences in clothing fashion persisted for several years, as many eastern Germans with low post-Wall incomes[8] purchased the outdated sales apparel flooding the eastern German market from the West in the 1990s. The unemployed eastern German protagonist in Der Zimmerspringbrunnen describes the heaps of ridiculously ugly clothing he purchased compulsively, on sale, following unification: “seit der Wende hatten sich pinkfarbene Blousons, giftgrüne Jogginghosen und andere Sonderangebote bedrohlich und von selbst in den Fächern meines Kleiderschranks vermehrt.”[9] Cultural contrasts like this, in clothing fashion, workplace environments, and attitudes toward East and West Germany, are often treated with humor in Der Zimmerspringbrunnen.

By provoking laughter at such differences, Sparschuh helps us understand how and why eastern Germans have clung to their disappearing culture, in the 1990s and the decades that followed, for consumer products play a strong role in constructing our collective identities. Such products “communicate messages that contribute significantly to the creation and articulation of social identity patterns,” and “by no means reflect purely economic matters.” [10] Thus, Sparschuh’s novel helps us understand why eastern Germans developed Ostalgie—a feeling of nostalgia for East Germany and its shared consumer culture and identity. When they came in contact with a western German culture and mentality, as Sparschuh’s protagonist does when working for a western German company in the early 1990s, many eastern Germans reflected on their biographies and began to appreciate aspects of the past that they had earlier taken for granted. This nostalgia fuels the comical plot of the novel, as the protagonist exploits the eastern Germans’ “homesickness” for their past lives by selling them an otherwise useless, gimmicky consumer product that reminds them of the GDR.

Der Zimmerspringbrunnen is not only comical, however, as it also conveys the traumatic psychological effects of life in East(ern) Germany before and after German unification. Written by eastern German author Jens Sparschuh (who was born in East Berlin in 1955) and published in 1995, several years after the initial excitement of unification had worn off and the difficult reality of adjusting to the new circumstances had set in, the novel provokes both laughter and compassion toward the protagonist and his efforts to cope. Sparschuh prompts us to ask fundamental questions of this maladjusted protagonist as he describes his difficulties in finding employment after unification and loses the ability to interact with other people, including with his own wife. With irritation, the reader may wish to shout at the main character: “Why won’t you talk to your wife? How can you neglect your dog?” The bigger questions this book encourages us to ask, however, revolve around common East German and post-unification experiences such as these: What was it like to work for the socialist GDR government? How might unemployment affect citizens from a socialist society where employment was considered a civil right, and unemployment did not officially exist? What coping strategies were adopted by eastern Germans to maintain their mental health for an extended time in unemployment after unification? What perceptions and stereotypes of East(ern) and West(ern) Germans were propagated following unification and why? How does Sparschuh’s novel feed into these stereotypes, and how does it challenge them?

Giving his forty-something protagonist a voice as the first-person narrator of Der Zimmerspringbrunnen, Sparschuh shows how East Germans could be traumatized by their workplace conditions in the GDR, as well as by unemployment and the need to adopt new careers after unification. The reader must look beyond this narrator as an individual to understand what his biography means in the wider context of the post-unification period of German history. Sparschuh packs tightly—and also unpacks—the experience of living in the GDR and in eastern Germany after unification from the perspective of the middle generation of East German citizens who were born into and grew up in the GDR’s socialist regime. The author’s satire assists in interpreting the distinctly Eastern European sociopolitical transformation since the fall of the Iron Curtain. This transition is still taking place to this day, although other Eastern European countries did not enjoy the economic and political benefits of having a Western counterpart. Over 400 million people from the former Soviet Bloc experienced the transition from a repressive socialist society to an imperfect free-market situation—around 16 million of them from the GDR. In revisiting Sparschuh’s novel three decades after its publication, I first present the historical context in which Der Zimmerspringbrunnen was written, which includes a discussion of how the author deals with the important subjects of unemployment and differences in East(ern) and West(ern) German workplaces and attitudes toward work. Next, the strategies of humor employed to entertain and educate readers are explained, along with the author’s approach to Ostalgie (nostalgia for the east) and use of intertextual references, so that readers understand how the novel’s main messages are conveyed. The final section provides some compelling reasons for the novel to be read today as a means of passing on the cultural-historical memory of the GDR and the post-Wende period.

 

Hinrich Lobek as fictional case study of the unemployed East(ern) German

Understanding Der Zimmerspringbrunnen requires some background information on the history of East Germany, unification, and what happened when West Germany absorbed its eastern neighbor.[11] In the early 1990s, many easterners, including the protagonist in Sparschuh’s novel, were thrust into unemployment, which grew from less than 1 percent in the GDR to 10.2 percent in 1991, to 19.2 percent by the year 1998, in the eastern region of unified Germany.[12] Eastern Germans were forced to reorient themselves or to stagnate. This shift in employment status had a demoralizing psychological effect on many by lowering their social status and marginalizing them socially,[13] as well as driving them to live in greater poverty than in the western part of Germany, as extensive sociological research has shown.[14] Mentality differences between eastern and western Germans, deriving from their divergent educational backgrounds[15] and professional experiences, exacerbated the difficulties these two distinct cultural groups encountered as their societies were merged. Having his eastern German protagonist, Hinrich Lobek,[16] describe his respective professions in the GDR and in unified Germany, as well as three years of unemployment, Sparschuh helps us understand some fundamental differences between life under socialism and in a free-market economy. Under socialism, for example, the state ensured that all people of working age had steady employment, and combined with nationwide government housing-construction initiatives, eliminated homelessness. In capitalist countries, by contrast, unemployment levels fluctuate with the strength or weakness of the global and local economy, and workplaces in both the public and private sector can be quite competitive for applicants and jobholders. Thus, workers have to display greater initiative in seeking and maintaining jobs. Homelessness is also widespread in capitalist nations for various reasons, including unemployment, a lack of affordable housing, or mental illness. In the year 2022, for example, 262,200 people were living in Germany without a steady residence, either in temporary private housing, in homeless shelters, or on the street.[17] Sparschuh bookends Der Zimmerspringbrunnen with these two socioeconomic ills by opening it with his protagonist living in long-term unemployment and ending it with him living for several weeks among the homeless people at the Bahnhof Zoo, a western Berlin train station that symbolized for decades the social problems found in free-market economies like the Federal Republic of Germany.[18]

Being unemployed is difficult for most people, but in the aftermath of the fall of the Iron Curtain, it came as quite a shock to Eastern Europeans from socialist countries where the “right to work” was written into the Constitution as a civil right.[19] Because of this constitutional guarantee, unemployment remained insignificant in the GDR and did not officially exist, although underemployment was also not recognized by the government as a problem.[20] When easterners began losing their jobs by the hundreds of thousands in the early 1990s, reaching a peak of 1.3 million by 2003,[21] they thus suffered a kind of “culture shock” along with becoming unemployed. Another major reason why unemployment burdened eastern Germans so heavily was because easterners developed closer relationships with their coworkers than westerners, and thus losing these relationships meant more to them as it marginalized them socially as well as economically.[22] This social marginalization deriving from unemployment is a crucial topic in Der Zimmerspringbrunnen, because it affects the male protagonist in ways that his wife does not experience, for she is able to stay employed in the early 1990s.

In reading and discussing Der Zimmerspringbrunnen, it is important to understand the origins of this unemployment wave that struck eastern Germany throughout the 1990s and continues to this day to be higher in the east.[23] Its devastating effects stem from the speed with which West Germany took over the political and economic institutions in the east, along with macroeconomic investment mistakes western politicians made in dealing with this huge financial burden.[24] By the time East and West Germany were unified officially on October 3, 1990, GDR society had already begun to evolve from its original format as a socialist state, protected under the economic and political umbrella of the Soviet Union since the end of World War II, to a free-market economy. The first major economic change took place in July 1990, when the currency of West Germany, the Deutsche Mark, became the official currency in East Germany. At this time, many East Germans lost some of their savings, as not all their money was replaced one-to-one with the much stronger Deutsche Mark currency, and many East German industries began to orient themselves toward the West. Because most East German production methods, machines, and products were not up to western standards of quality, style, and environmental safety, and eastern Germans tended to prefer western products over eastern ones, many factories were soon shut down and/or sold at very low prices—sometimes for just one symbolic Deutschmark—to western German and foreign investors. Many such sales were arranged, in hindsight, too quickly by the Treuhandanstalt, an agency created in 1990 to facilitate the economic transition in the East.[25] After they were sold, most factories were shuttered, and this rapid closure led to mass unemployment. During the process of unifying the two separate nations in fall 1990, the GDR government was also dissolved, and its territory reconfigured as six new Bundesländer—Saxony, Saxony-Anhalt, Thuringia, Brandenburg, and Mecklenburg-Vorpommern—along with Berlin, which became its own Bundesland when East and West Germany merged.

These and other economic and political shifts meant that eastern German citizens had to adapt to a completely new life situation: western laws and government agencies; restructured educational institutions; and, at first, a further decaying infrastructure before massive waves of new construction and renovation, permanently changed their urban environments. The protagonist in Der Zimmerspringbrunnen reflects on these changes:

Ohne auch nur den Fuß vor die Tür zu setzen, hatte ich mein altes Heimatland verlassen (bzw.—es mich). Eines Tages stand, wie von einem Flugzeug abgeworfen, der Container einer neuen Versicherung auf der grauen Wiese vor unserem verwitterten Neubaublock (das “Basislager”, wie ich es in meinem Protokollbuch nannte). Von dort aus schwärmten die Missionare in die umliegende Gegend aus. Auch die Sparkasse war eine andere geworden, sie nannte sich jetzt Bank und schickte mir diskret, nach einem unergründlichen Bankgeheimnis, immer neue Geheimnummern für mein fast leeres Konto zu […]. Sogar die Postanschrift hatte sich von heute auf morgen geändert […] heimlich, über Nacht sozusagen, waren wir aus unserer Straße umgezogen worden. Sie trug jetzt einen anderen Namen.[26]

The biggest shift for Lobek, however, consists in losing his career. In the GDR, he had worked for the government for many years as a case worker in the Communal Housing Administration. This job required him to visit tenants in their pre-WWII or GDR government-built, centrally managed apartments to assess and record housing repair complaints from his assigned district in East Berlin. He describes in the novel’s ninth chapter, “Alle Jahre wieder! Countdown,”[27] how he typed up the complaints in his tiny basement office and reported them based on urgency to the Housing Administration, which then neglected to make the necessary repairs, as the repairmen were not held accountable for doing their jobs.[28] When the GDR ceased to exist, Lobek lost his position, as it was delegated to new government agencies, run by the FRG, and to private landlords who purchased formerly state-owned properties. Most likely because Lobek is middle-aged in an ageist job market[29] and worked for the GDR government, he is not hired anywhere else for several years, despite submitting applications. People who worked for the GDR state in any capacity were considered to have been ideological “conformists” to an unjust, repressive government, whereas many had also received special privileges in what was supposed to be an egalitarian, socialist society. Citizens like Lobek, who had worked for the state, often faced prejudices from both westerners and some easterners after unification, on top of lacking the educational degrees and work skills necessary to acquire and perform successfully in western careers.

The novel Der Zimmerspringbrunnen begins in media res, after Lobek has been unemployed for three years, feeling trapped in his apartment and reflecting on his vastly different past and present circumstances. Being unemployed has taken a toll on his mental health, as he spends “endlose Tage … von morgens bis abends in unserer Neubauwohnung,” becoming “schweigsamer,” because “[e]s gab ja nichts zu erzählen!”[30] Although he does not say much to others throughout the novel, Lobek does get to know several western Germans when he accepts a position working for an indoor fountain company from an unnamed city in the Upper Rhine region of Germany. Having Lobek interact with western Germans allows Sparschuh to document how harsh western judgments and stereotypes of eastern Germans could be in the 1990s. Not only do western Germans call easterners names such as “die beleidigten Zonendödels” (the insulted [eastern] zone idiots)[31]—putting them down for criticizing the difficult unification process and for appearing socially “backward”—but they also believe life in East Germany did not constitute “living” at all. Lobek’s western colleague, Uwe Strüver, sums up these judgments: “Das war ja kein Leben bei euch! Die Zeitungen waren keine Zeitungen. Die Wahlen waren keine Wahlen. Die Straßen keine Straßen. Nicht mal die Autos waren Autos.”[32] This focus on the measurable, material aspects of life in East Germany derives from the fact that the Federal Republic of Germany was wealthier and offered more freedoms than the German Democratic Republic. Citizens in the FRG had a higher standard of living, along with freedoms of speech, press, religion, and travel. GDR newspapers were censored strictly to conform to the socialist ideology and to government propaganda and thus were not considered in the West to be “real” newspapers presenting objective facts. In national and local elections, unlike in West Germany, East German voters were not offered a true choice of parties to vote for, as all political parties and state-supported, political organizations were bundled together into a “block party” coalition called the “Nationale Front.” All voters were pressured to vote for the “Nationale Front,” so that it received an undemocratic 99% or more of the votes in every election. Because the Socialist Unity Party (SED) held the most power in the “Nationale Front,” as well as a majority of seats in parliament, it dominated the GDR government throughout its existence.[33] Along with these authoritarian, “anti-modern” governmental and mass media institutions,[34] the infrastructure of East Germany also lagged behind the West. Many streets and highways had been built before WWII, or later of substandard paving material, and were thus in a state of bad repair, and the East German Trabi and Wartburg cars were vastly inferior to the West German Volkswagens and Mercedes. Differences like these formed the basis for many western prejudices against eastern Germany, and vice versa, which Sparschuh documents in his novel so that his readers see how each side of Germany viewed the other and how insulting such statements like Strüver’s could appear, whether they were objectively true or not.

Instead of using satire in this interaction between Strüver and Lobek, Sparschuh uses realism to document both perspectives and encourage reflection on them. As Lobek agrees with Strüver, he also calls the western perspective into question: “Innerlich mußte ich ihm in allen Punkten recht geben. Aber, was zum Kuckuck war es dann, was wir die ganze Zeit getrieben haben? Wer weiß. Man muß es schon selbst erlebt haben, um es nicht zu verstehen . . ..”[35] Lobek’s admission here that what East Germans experienced is “not understandable,” even to him and his fellow eastern Germans, supplies a thought process that reveals how hurtful western German insensitivity could be. In having Lobek not respond directly to Strüver, but only “[i]nnerlich” to the reader, Sparschuh conveys the feeling of easterners being “silenced” by the West. His speechlessness parallels the inability of many eastern Germans to express the “Angst,” “Ohnmacht,” und “Ausweglosigkeit,” which “bezeichnen Spuren der Erinnerung an die DDR, für die es kaum einen kommunikativen Ausdruck im öffentlichen Gedenken gibt.”[36] These eastern and western reactions to each other’s perspectives, expressed in Der Zimmerspringbrunnen, teach us today how each side experienced the other’s culture and the process of unification. Westerners took it for granted that easterners would welcome their assistance wholeheartedly in transitioning from a socialist dictatorship to a free-market democracy, but easterners experienced this transition as a “colonization” that coerced them into adopting nearly all western institutional, legal, and educational structures and many sociocultural expectations.[37]

Specific differences between eastern and western German occupational expectations and attitudes are displayed in Lobek’s first-person account of re-entering the workforce as a salesman for the western German indoor fountain company. To the naïve eastern German Lobek, who has no experience with working in the West, the expensive training seminars and high-powered sales strategies of the indoor fountain company are, at first, perplexing and embarrassing.[38] His nearly word-for-word notetaking from a training session for “Standardsituationen” turns the role-playing scenarios designed to practice sales pitches with customers into a comedy of errors—a situation “so full of mistakes and problems that it seems funny.”[39] The language westerners use to describe high-pressure sales tactics is furthermore rendered in complex, metaphorical terms, often derived from military campaigns (“Frontberichte”; “Überaschungsangriff”; “Überfallkommando”) or relationship conflicts (“der ‘klassische Dreieckskonflikt’”).[40] From Lobek’s first encounter with “capitalist” business strategies and practices, and as he gradually acclimates to working as a door-to-door salesman, the reader becomes aware of major differences between socialism and capitalism. Under socialism, for example, production quotas were set by the government in Five-Year Plans. Because workers did not receive adequate pecuniary or promotional incentives to exceed these quotas, they either did not or could not increase their salaries or standard of living up to the western standards that they saw while sneaking peeks at western television shows, whose broadcasts reached across the guarded border. In the free-market economy, Lobek struggles miserably at first to sell his required quota of indoor fountains, a decorative and thus “useless” product, and when his ingenuity and increasing product sales lead to great success, he is promoted to regional sales representative for eastern Germany by justifiably, yet cruelly, displacing his mentor. Lobek’s ability to “outwest” his western colleague gives positive agency to an easterner that is both comical and ominous, as Lobek comes to embody the cut-throat characteristics of capitalism and loses the “human” side of his life in East Germany.

As Lobek gradually acquires and eventually excels at western German sales tactics, Sparschuh turns him into an object of mockery—“der neue Mensch”[41] of capitalism instead of socialism—by having him internalize these new sales strategies too deeply. Lobek appears foolish applying high-powered sales tactics to an interaction with his wife, when she criticizes him for failing to take responsibility for their shared household, pet dog, and relationship.[42] Instead of engaging in a spoken dialogue with her as she pelts him verbally with accusations, he remains silent, quoting mechanically from the sales training manual in his mind, as if she were a customer to whom he is trying to sell a product: “‘Unterbrechen Sie Ihren Kunden nicht. Sie könnten sonst wichtige Hinweise verpassen. Haben Sie Geduld!’ riet Punkt 4 an dieser Stelle.”[43] Sparschuh depicts Lobek satirically, in absurd interactions like this, to give him both a comical and a tragic side.[44] He thereby calls attention to the often confusing and humiliating position in which eastern Germans found themselves while reorienting themselves to their new, post-Wall circumstances and internalizing a western professional and social alienation.

 

Strategies of satire and humor in Der Zimmerspringbrunnen

The satire in Der Zimmerspringbrunnen, as displayed above in Sparschuh’s caricatured portrayal of Lobek’s disjointed conversation with his wife, derives from the incongruity and hyperbole exhibited in four main modes of humor: epic humor, situational irony, slapstick, and verbal humor. The predominant mode in the novel is what literary historian Wolfgang Preisendanz refers to as “epic humor,” which is produced whenever there is a tension between a text’s subject matter and the way this subject matter is narrated.[45] It is “die (scheinbare) Unangemessenheit von Vorgang und Vortrag.”[46] We perceive “epic humor” when we notice that the way an author writes does not correspond to the way a participant might actually experience an event. “Epic humor” appears on two levels in Der Zimmerspringbrunnen. From the perspective of the author, Sparschuh, Lobek’s biography is often presented in an exaggerated, satirical way that is more entertaining to read about than a person would experience it in reality. But Lobek himself is also an “author” who uses writing as a coping strategy to deal with his life in the early 1990s. By recording his thoughts and experiences as if he were documenting Stasi (GDR secret police) observations of himself and the people around him, he appears comically megalomaniacal. Referring to his embedded, autobiographical texts as “Protokolle,” meaning “records,” or “logs,” similar to his case worker reports for the Communal Housing Administration, he gives them a heightened importance that produces epic humor. These “protocols” mimic Stasi reports when Lobek calls his wife, Julia, “Observationsobjekt J.” and proclaims that he is adding his latest document to his stored files: “ab damit zu den Akten!”[47]

In GDR times and to this day, any mention of “Akten” can connote the state security reports derived from spying on East German citizens, which could condemn anyone who spoke or acted out against the government to persecution or imprisonment. Thus, when the “average guy” Lobek refers to his writing as “protokollieren,”[48] it appears hyperbolic. He is portrayed as a caricature of an eastern German with a heightened sense of self-importance and a backward, “surveillance state” approach to life, who “protocols” instead of just “writing” as other diarists and autobiographers generally do. Considering the actual trauma he faced in the GDR and afterward, and the fact that he is writing after the Stasi was dissolved, this writing method appears to be an ironic way to cope with his new life situation. The sad irony of this narrative technique only becomes apparent at the end of the novel, however, when Lobek finally reveals the origin of his urge to write “protocols.” This compulsion derives from his prior experiences with isolation in his basement office while writing pointless housing repair complaints, which fostered in him an inability to speak to other people: “Worte halfen da nicht. Ich wußte auch nichts zu sagen und begann, mich in Schweigen zu hüllen. Ich verschanzte mich immer mehr in meinem Büro, war verzweifelt und nahe daran, mein Leben, zumindest mein Berufsleben, dem Alkohol zu widmen.”[49] Though depicted comically, Lobek’s speechlessness prompts us to seek reasons for it, thus creating a suspense that propels the narrative. Caused by his powerlessness to achieve the fulfillment of his carefully prepared repair requests at work in the GDR, even those marked as urgent with a “Dringlichkeitsvermerk,”[50] and carrying forward after unification, his speechlessness symbolizes an inability to communicate one’s needs, regardless of whether one lives in socialism or in a free-market democracy. As a manifestation of Lobek’s demoralization, this feeling of lacking agency echoed out from the powerlessness of the residents whose housing repair needs were not met in the GDR. This powerlessness is then matched by the irritable reactions of many of the isolated individuals to whom Lobek later attempts to sell indoor fountains after unification, who similarly lack agency, living in isolation and suffering from unemployment and/or alcoholism.[51] Whereas Lobek’s protocol approach to recording his life and speechlessness are often depicted using “epic humor,” the alienation of the socially marginalized in eastern Germany balances out the comedy.

“Situational irony” is another humor mode induced when Lobek interacts with others, including his wife, his western German work colleagues, and even his frisky dog, who plays a significant role as his only consistent companion and as a comical, canine provocateur. Some of these situations result from Lobek’s speechlessness and generally weak interpersonal skills, and others from the aforementioned “culture clash” when he meets western Germans.[52] “Situational irony” is “a literary technique in which an expected outcome does not happen, or its opposite happens instead. Situational irony requires one’s expectations to be thwarted and is also sometimes called an irony of events. The outcome can be tragic or humorous, but it is always unexpected.”[53] The central plot of Der Zimmerspringbrunnen constitutes situational irony, as it traces Lobek’s unexpectedly fast, upward trajectory from being long-term unemployed to suddenly finding success as a door-to-door salesman of a luxury good in a time of financial hardship for many people in eastern Germany. Lobek’s situation can furthermore be seen as ironic because, as his career blossoms, his marriage withers and eventually dies out altogether when his wife leaves him. The situational irony in Der Zimmerspringbrunnen also focuses attention on the cultural conflicts between eastern and western Germans, teaching us about them while making us smile, and deflating the anger and frustration they often produced in real life.

The slapstick scenes in Der Zimmerspringbrunnen complement the situational irony in drawing the reader’s sympathy toward Lobek, highlighting his bad luck, good luck, and fallibility. “Slapstick,” which has a long history in Europe but is best known from film comedies that include it,[54] is a form of physical humor that involves the infliction of pain or violence on protagonists who “get back up again” and carry on as if they had not been injured. Sparschuh describes Lobek’s experiences of physical pain as actual pain and embarrassment in great detail,[55] provoking a visceral reaction in the reader and revealing the protagonist’s vulnerability. Because Lobek is a tragicomic figure who is often not presented sympathetically by the author, however, his suffering comes across as humorous and may even provoke some Schadenfreude toward him as an object to be laughed at.

Slapstick scenes in Der Zimmerspringbrunnen occur when Lobek chokes on a piece of prosciutto (“Schwarzwälder Schinken”) at the buffet when he first meets his new boss, Alois Boldinger, at the orientation convention in Baden-Württemberg; when he gets sprayed in the face by a fountain during a sales training course at the same convention; and when he falls unwittingly into the clutches of a professional sado-masochist who treats him to a good whipping when he attempts to sell her an indoor fountain.[56] Alan Dale discusses slapstick as a universal, existential experience for the victim as well as for spectators like ourselves: “That’s the appeal of the slapstick outlook, even in life—we have to laugh at the loss of our dignity, which is what makes the constant recurrence of such losses bearable.”[57] Der Zimmerspringbrunnen, like much eastern German literature produced since 1989, depicts the humiliation of East Germans in the GDR and, after unification, by western Germans. Coming from a nation with a “failed” ideology, government and economy, with its accompanying lower standard of living, and then facing westerners who constantly pointed this out to them, humiliated eastern Germans. Sparschuh deals with this indignity cleverly by giving Lobek resilience—“the insistent regularity by which characters condemned to fail at the world are able to get back up and move on, using humor as a strategy to overcome hardship.”[58] Such resilience and stoicism enable Lobek to accept western criticism without renouncing his eastern German identity and to seize opportunities when they are offered.

In all three aforementioned cases of physical incapacity, in fact, Lobek not only gets past the humiliation, but he emerges more successful than before. In the first case, his inability to speak while choking allows him to listen to his new boss’s thoughts and plans, which impresses Boldinger, who places him into the sales seminar led by the successful western salesman, Uwe Strüver. Strüver then mentors Lobek, helping him with his career. Despite Strüver’s occasional displays of insensitivity toward eastern Germans, he is generally open-minded and gives Lobek a chance to prove himself in selling indoor fountains. In the second case of slapstick humor, when Lobek gets squirted in the face by the indoor fountain in Strüver’s seminar, this mishap is praised loudly by Boldinger as the perfect sales technique to garner customers’ sympathy and compel them to purchase an indoor fountain.[59] After having been beaten up by the sado-masochist in the third slapstick scenario, Lobek again progresses forward in his career, as his boss, Boldinger, calls the next day to offer Lobek the promotion to eastern regional representative for the indoor fountain company.[60] Lobek’s career then takes a steep, upward trajectory, in contrast to the downward trajectory of his marriage, thereby exhibiting slapstick’s capacity “to give voice to tragedy and comedy at once” and to serve as “starting points for commentaries about the political.”[61] Lobek’s “unstoppable rise” from an unemployed “Jäger in den eigenen vier Wänden,” fascinated by a housefly,[62] to a respected regional representative for indoor fountain sales, can be seen as “political” in showing how much good luck and effort it takes to pick oneself up from a political and economic situation from which one has been structurally excluded.

As slapstick scenes punctuate the flow of the narrative, so does verbal humor, which Sparschuh gives Lobek as a self-defensive weapon; it is a coping mechanism and a means to highlight the absurdities in his life. While unemployed and feeling trapped in his apartment, Lobek cynically renames the birds he watches from the window “Insektenvertilger.”[63] He expresses his dissatisfaction with western German consumer culture by calling the expansive, new clothing section at the department store a “Spiegelkabinett” (a hall of mirrors from an amusement park fun house), and the new, fluffy bread rolls at the bakery “die importierten Luftikusse.”[64] Lobek uses language as a means to protest against these inevitable changes, but also sometimes to his advantage, as when he turns the description of his political views from his GDR resumé into desirable professional experience: “Bin seit meiner Schulzeit überzeugter Vertreter der sozialistischen Ordnung,” is rewritten as the attractive phrase: “Langj­ährige Erfahrungen im Vertreterbereich.”[65] This shift in language use to fulfill western German expectations brings Lobek success immediately, when he is hired as a salesman, though it later leads to the opposite results in arguments with his wife. Overall, Sparschuh’s use of multiple forms of humor to depict Lobek’s monotonous life while unemployed, as well as the stress he faces as a salesman and failing husband, enables us to laugh at Lobek while sympathizing and identifying with him.

 

Selling Ostalgie

Ostalgie, referring to the nostalgia or longing of eastern Germans for aspects of their past lives in the GDR, became highly politicized in Germany following unification and persists to this day, reflected most visibly in its commercialized form. Like the other stereotypes and insults hurled at each other, with westerners being called “Besserwisser,” “Besserwessis” or “Superwessis”[66] and easterners labeled “Zonendödels” or “Sensibelchen,”[67] the term Ostalgie was initially used as an insult to dismiss categorically any positive feelings eastern Germans had toward their former lives. It indicated a lack of understanding, on the part of those who used it disparagingly, that one’s identity is constructed holistically and not “backward-looking or eternally stuck in the past.”[68] As Rainer Gries writes: “The decision by eastern Germans in favor of the traditional products of their home and the profession of loyalty to these products by their potential consumers can […] by no means be devalued as a nostalgic yearning for a socialist past.”[69] The author Sparschuh confirmed this statement in an interview with me in January 2000, when asked what the word “socialism” meant to him:

Die DDR war für mich eine Gesellschaft, mit der ich nichts anfangen konnte. Ich habe an dem Rand der Gesellschaft meine Existenz gesucht, und das klappte ja. Wenn ich mir jetzt im Nachhinein klarmache, dass Sozialismus für viele Leute etwas mit Sicherheit zu tun hatte, ist das ein positiver Aspekt. Wenn ich mir im Nachhinein klarmache, was mir damals in der ganzen Tragweite nicht klar war, nämlich dass viele Leute eingesperrt waren und auf ganz schreckliche Weise behandelt worden sind, bekommt er [der Sozialismus] einen kriminellen, negativen Aspekt. Und so verändert sich die Semantik eines Wortes, was mir vorher eher gleichgültig war. Es bekommt nach der Wende mehr Power auf beiden Seiten, im Plus- und Minusbereich.[70]

Tied to the—in many ways justly vilified—socialist past in which they lived, the word Ostalgie can nevertheless be seen, in its creation and initial use in the early 1990s, as an attempt to coerce eastern Germans into letting go of their past and thereby to erase this past so that they conform to western concepts of politics, economics and society.

In the years following unification, however, as entrepreneurs came to see the money-making potential of reproducing and marketing consumer products from the East, Ostalgie soon began to assume more positive connotations. These positive connotations derive from the realization by people of all nationalities that viewing tacky, campy and/or retro GDR products when commodified in shops, at the DDR-Museum, or in the Ostel Hotel in Berlin, can be a lot of fun. Living in a post-socialist society lacks the surveillance and fear of persecution formerly prevalent in the Eastern Bloc, while enabling each nation’s socialist-style consumer products to still be enjoyed.

Sparschuh’s Zimmerspringbrunnen helps us understand the complex nature of Ostalgie because it depicts both the serious and the “campy” sides of the eastern German longing for the past. Lobek’s appreciation for the GDR, although his life was difficult there, comes into focus three years after unification, while he attends the indoor fountain company conference in the West:

Mein Gott! Ich stöhnte auf. Ich dachte an Julia, an Zuhause. Und auf einmal, ich wußte nicht, wie, kam es über mich, und ich mußte hier, im Aufenthaltsraum des “Föhrentaler Hofs”, unter dem imitierten Holzbalken der Decke, eingerahmt von Schwarzweißfotografien des Schwarzwalds, vor mir auf dem Tisch einen verjährten Fahrplan, dem längst alle Züge davongefahren waren – musste ich plötzlich, ohne mich dagegen wehren zu können, wie zwanghaft, einen Satz sagen, der mir so bisher noch nie in meinem Leben von den Lippen gekommen war: “Ich liebe meine Heimat, die Deutsche Demokratische Republik.”[71]

The images that Sparschuh includes in this monologue, leading Lobek to the sudden compulsion—“wie zwanghaft”—to admit that he loves his home country after all, constitute an ingenious counterargument to the western prejudice against eastern Germans for being “backward.” The fake wooden ceiling beam, black-and-white photographs of the Black Forest, and out-of-date train schedule point to the “backward,” kitschy appearance of some places in western Germany that parallels the retrograde appearance of much of eastern Germany.

The feeling of Ostalgie later receives a quite different, comical treatment in Der Zimmerspringbrunnen, when it drives Lobek’s success as a salesman. Although trying to sell indoor fountains to unemployed or low-income eastern Germans should be nearly impossible, Lobek’s invention of a new model that feeds into their emotional attachment to their lost nation generates record sales, catapulting his career. The new fountain, which Lobek produces by reconfiguring an existing model, displays a pen in the shape of the Berlin TV tower, rising up from a volcano-shaped centerpiece bearing a copper plate sawed in the shape of the GDR. By selling quickly, this uniquely tacky product demonstrates the power of eastern German nostalgic feelings while mocking their bad taste. Calling the fountain “Atlantis,” Lobek equates the GDR hilariously to a mythical, lost island rising from the sea, and the title of the chapter in which he achieves this success, “Haifischbecken der Gefühle,”[72] emphasizes his shark-like, predatorial capturing of his eastern German customers’ emotions in turning them into profit.

 

Digging for a deeper meaning behind Sparschuh’s intertextual references

Sparschuh prefaces his book with a quote from the British author Oscar Wilde (1854-1900): “Nur die Oberflächlichen kennen sich gründlich.” In English this quote reads: “Only the shallow know themselves.” Starting Der Zimmerspringbrunnen with this assertion gives the reader a preview of the novel’s protagonist as someone who is not a profound thinker and yet is capable of seeing his own self and situation clearly—as is the case with Hinrich Lobek. This literary quote foreshadows the many other intertextual references embedded in the novel, ranging from literary masterpieces and philosophical treatises to biblical quotes and parables, to commonly used marketing and sales approach methodologies. Including abundant intertextual references in their texts provided a way for GDR authors, dramatists, and other artists to communicate with their readers, viewers, and listeners while circumventing censorship. No longer needing to fear censorship after unification, yet continuing to recognize the power of intertextual references to invoke multiple layers of meaning, Sparschuh inserts them into his novel to connect his protagonist to other literary and historical figures in similar situations, while increasing the comic impact of the epic humor and situational irony.

The predominant, comical intertextual reference in Der Zimmerspringbrunnen equates Lobek’s isolation, in his honeycomb-like, high-rise apartment in East Berlin, to that of Robinson Crusoe on a deserted Caribbean island as depicted in the eponymous eighteenth-century novel by Daniel Defoe. Lobek nicknames his dog “Freitag,” alluding to Crusoe’s native companion, and calls their partnership “unseren hübschen kleinen Robinson-Club.”[73] This incongruous comparison of Lobek—living in a densely populated district of Berlin, the biggest city in Germany—with Crusoe, who lived for 28 years on a deserted island in the Caribbean Sea near the coast of Venezuela, is, on the surface, ironic. The analogy nevertheless helps us understand the emotional isolation Lobek feels in his East German basement office; later while unemployed; and even after finding success as a salesman, because he loses his wife.

The fast trajectory he takes, rising to become the regional sales representative in eastern Germany and thereby displacing his mentor, also begs comparison with the play The Resistible Rise of Arturo Ui (1941) by the German playwright Bertolt Brecht.[74] Here, the comparison of Lobek with the gangster protagonist Arturo Ui, who represents Adolf Hitler, is, once again, absurdly ironic in its hyperbole. Lobek’s admission, however, that he does not have a bad conscience about displacing his mentor, nor any conscience at all, makes this comparison less outrageous than it may seem at first: “Nein, ich hatte kein schlechtes Gewissen – überhaupt kein Gewissen hatte ich, das war es!”[75] This statement fits the pattern of Lobek’s obsession with succeeding like a good Westerner in his career, as well as the alienation of his wife. It also contradicts his earnest efforts in the GDR to help his fellow citizens get their run-down apartments fixed. The numerous biblical references that Lobek uses to describe his situation furthermore point to his inflated equation of himself with Jesus Christ. “Hört! Ich will mein Brot mit euch teilen,” he proclaims to the homeless people at the Zoo train station at the novel’s end, as if he were Christ performing the miracle of feeding a crowd with five loaves and two fish.[76] This multitude of intertextual references, when placed into the mind and mouth of a comical figure such as Hinrich Lobek, serve to emphasize both the tragedy and comedy of his biography, preventing the reader from getting too emotionally connected to him. Sparschuh uses humor to avoid depicting his narrator as a helpless, plaintive victim and object of pity, thus countering western German stereotypes of eastern Germans as “Sensibelchen.”

 

Hinrich Lobek as awkwardly comical Zeitzeuge

The tale of Hinrich Lobek, the tragicomic eastern German salesman, is locked in time, like all novels depicting a specific moment in history. Because it focuses on the “Heimat” or “home” that Sparschuh and his character Lobek know best—(East)ern Germany—it bears the subtitle “Ein Heimatroman.” Referring to the novel as a “Heimatroman” can, however, also be seen as ironic, as the book focuses on the process Lobek undergoes in opportunistically pursuing a “western” careerist identity after the Wende. To the novel’s detriment, Sparschuh’s quirky humor and awkward, at times unlikeable, protagonist have prevented some readers from appreciating the author’s original contribution to post-Wall literature, and it received mixed reviews from mass media critics.[77] Critic Andreas Platthaus, for instance, rejects the author’s subtitle altogether: “[a]ls Heimatroman”, den der Untertitel verspricht, ist Sparschuhs Roman heimatlos.”[78] The novel’s literary and documentary quality also suffer from the artificiality of Lobek’s “protocol” method of recording his experiences, the overemphasis on his speechlessness, and the superficial characterization of his wife. Lobek’s replacement of verbal with written communication that takes the form of Stasi-like reports, instruction manuals, and legal briefs can be annoying and at times difficult to read. For these reasons, as well as a general consumer preference for new, trendy artworks, and for films rather than literature, Der Zimmerspringbrunnen risks being forgotten. Even resurrecting its storyline in 2001 as a movie of the same title, directed by Peter Timm—who made the popular Go, Trabi, Go movies in the early 1990s—did not contribute much to the novel’s lasting popularity, as the film did not reach a wide viewership and received middling reviews.[79]

Despite its caveats, however, the novel and film versions of Der Zimmerspringbrunnen remain insightful, painfully funny texts that teach us about life as an eastern German before and after German unification.[80] As the political scientist Richard Rose writes: “The collapse of the Berlin Wall was an event, while transformation and its aftermath is a process of learning.”[81] Moreover, “[t]ransformation is unsettling, because it introduces unpredictability.”[82] The biggest strength of Der Zimmerspringbrunnen lies in how it shows the gradual, unpredictable learning process that easterners (and some westerners) went through in reflecting on life in East Germany and adjusting to the experience of unification. Sparschuh gives Lobek an ironic and cynical view of unification’s effects as a way to critique them and to highlight Lobek’s transitional status. Using humor, while taking a “bottom up” approach to unification history “from the point of view of ordinary people,”[83] Sparschuh shows us what unification, and the culture clashes it brought, could mean for ordinary citizens in forcing them to reorient themselves. Because Lobek’s profession as a door-to-door salesman brings him into contact with diverse eastern German residents, including the unemployed, an alcoholic and a lonely housewife,[84] we receive a panoramic view of reunification’s effects in eastern Germany.

On the one hand, Sparschuh’s humorous depiction of the awkward protagonist Hinrich Lobek creates an emotional distance that turns his successes and failures into an entertaining narrative about the personal experience of socialist inefficiency and the capitalist obsession with productivity and earning money. Lobek’s fictional autobiography mocks the ways some easterners overcompensated for their perceived shortcomings to succeed in the West and to understand how a free-market democracy works. On the other hand, the protagonist’s bumbling adjustment to various situations binds us to him as a victim, as we realize that such failures are human, and thus we sometimes share his pain. The author’s depiction of Lobek and of many people he encounters after unification serves to condemn capitalism as destroying livelihoods, interpersonal connections, and relationships. The complexity of the narrative takes its readers on an emotional and intellectual rollercoaster ride as it interprets the unification process. It will certainly provoke divergent responses as it impresses this historical transition into our cultural memory, making this book fruitful for discussion as a Wenderoman.

Notes

[1] Sparschuh, Jens. Der Zimmerspringbrunnen. Ein Heimatroman. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1995.

[2] Further examples of humorous and satirical texts written since 1990 include Thomas Rosenlöcher’s Die Wiederentdeckung des Gehens beim Wandern. Harzreise (1991), Erich Loest’s Katerfrühstück (1992), Bernd Schirmer’s Schlehweins Giraffe (1992), Matthias Biskupek’s Der Quotensachse (1996), Reinhard Ulbrich’s Spur der Broiler (1998), Ingo Schulze’s Simple Storys: Ein Roman aus der ostdeutschen Provinz (1998), and Kerstin Hensel’s Gipshut (1999). The many film comedies include Go, Trabi, Go I and II (1991 and 1992), Sonnenallee (1999), Helden wie wir (1999), the film version of Der Zimmerspringbrunnen (2001), Good-bye, Lenin! (2003), and NVA (2005).

[3] Mercury Records, 1991.

[4] See, for example, Martin Sabrow, Erinnerungsorte der DDR. Munich: Beck, 2009; Renate Rechtien and Dennis Tate, eds., Twenty Years On: Competing Memories of the GDR in Postunification Culture. Rochester, NY: Camden House, 2011; and Karen Leeder, “After-images – afterlives: Remembering the GDR in the Berlin Republic.” Rereading East Germany: The Literature and Film of the GDR, edited by Karen Leeder, Cambridge, UK: Cambridge University Press, 2015, pp. 214-237.

[5] Elemer Hankiss refers to the outward compliance coupled with inner resistance of many Eastern Europeans under socialism as “ironic freedom” in East European Alternatives, Oxford: Clarendon Press, 1990, p. 7. Roland Jahn discusses the strategies eastern Germans adopted to cope with living in a repressive, socialist dictatorship in Wir Angepassten: Überleben in der DDR, München: Piper, 2015.

[6] “Das trug der Osten: Ein Ausflug in die ostdeutsche Modewelt.” In: Norddeutscher Rundfunk 25. September 2022, https://www.ndr.de/fernsehen/programm/epg/Das-trug-der-Osten,sendung1285530.html (cited on 17. Jul. 2023).

[7] “Mode in der DDR: Der Westen war immer Vorbild.” In: MDR.de 10. Jun. 2011, https://www.mdr.de/geschichte/ddr/alltag/reisen-freizeit/mode-in-der-ddr-102.html (cited on 17. Jul. 2023).

[8] Wolfgang Voges and Olaf Jürgens provide statistics on poverty and income differences between eastern and western Germany and conclude that, from 1990-1996, “as regards deprivation, the situation in the former East Germany was worse than that of the former West Germany” (“The dynamics of social exclusion in Germany: solving the east-west dilemma?” In: The Dynamics of Social Exclusion in Europe: Comparing Austria, Germany, Greece, Portugal and the UK. Edited by Eleni Apospori and Jane Millar. Northampton, MA: Edward Elgar, 2003, pp. 63-86.

[9] The protagonist’s wardrobe in the early 1990s consists of clothing items worn in the West in the 1980s, as documented by Ann-Kathrin Schöll in “Mode der 80er: Alle Trends und die besten 80er-Looks!” In: gofeminin, 11. Mar. 2019, https://www.gofeminin.de/modetrends/80er-mode-s355705.html (cited on 8. Aug. 2023). Author citations of Sparschuh, such as this from p. 23, are taken hereinafter from the 6th edition of Der Zimmerspringbrunnen (1995).

[10] Gries, Rainer. “‘Hurrah, I’m still alive!’: East German Products Demonstrating East German Identities.” Over the Wall/After the Fall: Post-Communist Cultures through an East-West Gaze. Edited by Sibelan Forrester, Magdalena J. Zaborowska, and Elena Gapova. Bloomington and Indianapolis, IN: Indiana University Press, 2004, pp. 181-199, 182.

[11] For a more detailed history than can be provided here, see Peter C. Caldwell and Karrin Hanshew. Germany Since 1945: Politics, Culture, and Society by New York, NY: Bloomsbury Academic, 2018, and Horst Möller. Deutsche Geschichte – die letzten hundert Jahre, München: Piper, 2022.

[12] “Registrierte Arbeitslose und Arbeitslosenquote nach Gebietsstand.” Statistisches Bundesamt, 2023, https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Konjunkturindikatoren/Lange-Reihen/Arbeitsmarkt/lrarb003ga.html (cited on 2. Aug. 2023).

[13] Vogel, Bertold. Ohne Arbeit in den Kapitalismus: Der Verlust der Erwerbsarbeit im Umbruch der ostdeutschen Gesellschaft. Hamburg: VSA: Verlag, 1999. See, in particular, Vogel’s final chapter, summarized in his journal article, “Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland: Konsequenzen für das Sozialgefüge und für die Wahrnehmung des gesellschaftlichen Wandels.” In: SOFI-Mitteilungen no. 27 (1999), pp. 15-22, http://webdoc.sub.gwdg.de/edoc/le/sofi/1999_27/vogel.pdf (cited on 2. Aug. 2023).

[14] Voges and Jürgens, pp. 63-86.

[15] Lenhardt, Gero, and Manfred Stock. “Bildung der Bürger und Qualifikation der Arbeitskräfte: Schulentwicklung in BRD und DDR in soziologischer Perspektive.” In: Schule und Jugendhilfe: Neuorientierung im deutsch-deutschen Übergang. Edited by Gaby Flösser, Hans-Uwe Otto, and Klaus-Jürgen Tillmann. Reihe Schule und Gesellschaft, vol. 12. Opladen: Leske + Budrich, 1996, pp. 54-62.

[16] Hinrich’s Eastern European-sounding last name, “Lobek,” was likely selected by Sparschuh to identify him as an eastern German. The suffix “-ek” is a common diminutive morpheme in Czech and Polish, used to describe an object as small or “cute.” Because the eastern part of Germany has shared a shifting border with the Slavic states of what are now Poland and the Czech Republic for centuries, and many Germanic and Slavic peoples immigrated back and forth, Slavic names that end in “-ow” or “-ek” are common in eastern Germany. Spelled slightly differently as “Heinrich Lobeck,” this character’s name could also refer to the founder of the Berlinische Lebens-Versicherungs-Gesellschaft, Heinrich Lobeck (1787-1855), who has a street named after him in the western Berlin neighborhood of Kreuzberg. See “Heinrich Ludwig Lobeck.” Wikipedia, 15. Dez. 2018, https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Ludwig_Lobeck (cited on 2. Jan. 2024).

[17] “Erstmals belastbare Zahlen über Wohnungslosigkeit in Deutschland,” In: Bundesministerium für Arbeit und Soziales 8. Dez. 2022, https://www.bmas.de/DE/Soziales/erstmals-belastbare-zahlen-ueber-wohnungslosigkeit-in-deutschland.html (cited on 2. Aug. 2023).

[18] The Zoo train station is the location of the true story of “Christiane F.,” a teenage drug addict who documented her decline into homelessness and prostitution in Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, written by Kai Hermann and Horst Rieck, published by Stern Magazin in 1978 and made into a film of the same title in 1981. The widespread success of the book and film cemented the Zoo station’s symbolic status as a widely recognized locus of poverty, drug addiction, and social exclusion, as documented in articles such as Stefan Thomas’s “Identität und Exklusion unter Postadoleszenten: ‘Die Kinder vom Bahnhof Zoo’,” Psychologie und Gesellschaftskritik 35, no. 2 (2022), pp. 93-112, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-389676.

[19] “Constitution of the German Democratic Republic (7 October 1949).” United States Department of State. Documents on Germany 1944-1985, Washington: Department of State, Department of State Publication 9446, pp. 278-306, https://www.cvce.eu/content/publication/1999/1/1/33cc8de2-3cff-4102-b524-c1648172a838/publishable_en.pdf (cited on July 12, 2023). Whereas the GDR constitution guaranteed all citizens the right to work, as a way to achieve economic equality and social justice, many were also forced to work to fulfill the socialist ideal of full employment and to avoid being considered a criminal by engaging in “asozialem Verhalten,” which was against the law in the GDR. This practice led to some underemployment—professions held that were below the employee’s skill set—and to a shirking of duties. Sparschuh’s protagonist describes the government-employed, residential building maintenance crews, for example, as intractable: “Unsere marodierenden Handwerkertrupps zu bekommen, sie überhaupt aufzuspüren, grenzte ans Unmögliche. Ganze Bauwagen, samt ihren Besatzungen, galten tagelang als verschollen. Von wochenlangen undurchsichtigen Skatturnieren war die Rede, auch von mehrtägigen Schwarzarbeitseinsätzen außerhalb der Stadt” (137-38). The term “right to work” in socialist countries should, moreover, be taken literally as “the right to have a paid occupation,” and not in its more limited meaning as legislated in half of the US states as “the right of persons to work” that “shall not be denied or abridged on account of membership or nonmembership in any labor union or labor organization or association.” See, e.g., Steve Doyle, “Bill to cement ‘right-to-work’ status into North Carolina constitution filed by Rep. Jon Hardister.” Fox 8 14 April 2023, https://myfox8.com/news/north-carolina/piedmont-triad/bill-to-cement-right-to-work-status-into-north-carolina-constitution-filed-by-rep-jon-hardister/ (cited on July 20, 2023).

[20] Hildebrandt, Axel. “Politics and Prekariat in Christoph Hein’s Novels Frau Paula Trousseau and Weiskerns Nachlass.” In: Envisioning Social Justice in Contemporary German Culture. Eds. Jill E. Twark and Axel Hildebrandt. Rochester, NY: Camden House, 2015, 145-164, pp. 148-49.

[21] André, Tim. “Arbeitslosigkeit in den ostdeutschen Bundesländern. Entwicklung seit der Wiedervereinigung und Stand heute.” In: Zentrum digitale Arbeit, Arbeit und Leben, Sachsen e.V. 11 May 2021, https://www.zentrum-digitale-arbeit.de/en/wissenspool/demografie-und-arbeitsmarkt/arbeitsmarkt/arbeitslosigkeit-in-den-neuen-bundeslaendern  (cited on 3 Aug. 2023). See also the statistics provided by Statistisches Bundesamt Destatis, which includes the entire city of Berlin and thus higher unemployment numbers.

[22] Vogel, 1999, pp. 114-136.

[23] Statistisches Bundesamt, Destatis, 2023.

[24] See Jörg Bibow’s criticisms of financial policies in the Federal Republic of Germany in the 1990s for macroeconomic reasons for the economic failures of the 1990s in “The Economic Consequences of German Unification: The Impact of Misguided Macroeconomic Policies.” In: The Levy Economics Institute of Bard College Public Policy Brief Series, 67 (2001), pp. 1-36.

[25] For brief history of the Treuhandanstalt, see the MDR report, “Zwischen Euphorie und Goldgräberstimmung” from 15. Jul. 2020, at https://www.mdr.de/geschichte/ddr/deutsche-einheit/treuhand/betriebe-privatisierung-arbeitslosigkeit-schulden-100.html (cited on 2. Jan. 2024). For a thorough assessment of the Treuhandanstalt’s  activities, see Constantin Goschler and Marcus Böick, “Studie zur Wahrnehmung und Bewertung der Arbeit der Treuhandanstalt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie,” Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 9. Nov. 2017: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/wahrnehmung-bewertung-der-arbeit-der-treuhandanstalt-lang.pdf.

[26] Sparschuh, p. 38.

[27] Because the book’s chapters are not numbered, their titles are provided here, italicized as in original.

[28] Sparschuh, pp. 137-8.

[29] Frerich Frerichs and Gerhard Naegele document the prevalence of ageism in Germany in the 1990s in “Discrimination of Older Workers in Germany: Obstacles and Options for the Integration into Employment.” In: Journal of Aging and Social Policy 9, no. 1 (1997), pp. 89-101.

[30] Sparschuh, p. 16.

[31] Ibid. p. 100.

[32] Sparschuh, p. 112.

[33] See, e.g., Sigrid Meuschel. “Überlegungen zu einer Herrschafts- und Gesellschaftsgeschichte der DDR.” In: Geschichte und Gesellschaft, Sozialgeschichte der DDR 19, no. 1 (1993), pp. 5-14.

[34] Rose, Richard. Understanding Post-Communist Transformation: A Bottom-Up Approach. London and New York: Routledge, 2009, pp. 19-26.

[35] Sparschuh, p. 112.

[36] Sabrow, p. 13.

[37] The “colonization” metaphor has been used since the early 1990s to refer to the unification process. See, for example, Wolfgang Dümcke and Fritz Vilmar, eds., Kolonialisierung der DDR. Kritische Analysen und Alternativen des Einigungsprozesses, Münster: agenda Verlag, 1995.

[38] Sparschuh, pp. 40-53.

[39] “Comedy of Errors, The.” Longman Dictionary of Contemporary English. Pearson, 2023, https://www.ldoceonline.com/dictionary/comedy-of-errors (cited on Aug. 3, 2023).

[40] Sparschuh, pp. 56, 79, 79, 57.

[41] Ibid. p. 131.

[42] Ibid. pp. 63-66.

[43] Ibid. p. 64.

[44] See Sparschuh, qtd. in Jill E. Twark, Humor, Satire, and Identity: Eastern German Literature in the 1990s. Berlin: de Gruyter, 2007, p. 371.

[45] Preisendanz, Wolfgang. Humor als dichterische Einbildungskraft. Studien zur Erzählkunst des poetischen Realismus, 2nd. ed. München: Fink, 1976, p. 11.

[46] Ibid., p. 15.

[47] Sparschuh, pp. 10, 11.

[48] Sparschuh, pp. 11, 40.

[49] Sparschuh, p. 138.

[50] Ibid.

[51] Ibid. pp. 73-76, 80-82.

[52] E.g., Sparschuh, pp. 27-37.

[53] Kittelstad, Kat. “Examples of Situational Irony.” YourDictionary, July 19, 2022, https://www.yourdictionary.com/articles/examples-situational-irony (cited on July 20, 2023).

[54] Babiak, Paul Michael. “The Descent of Slapstick.” In Slapstick: An Interdisciplinary Companion. Edited by Ervin Malakaj and Alena E. Lyons. Berlin: Walter de Gruyter, 2021, pp. 15-36.

[55] For example, Sparschuh vividly describes Lobek’s choking repeatedly on a piece of gristle: “Ich schüttelte atemlos den Kopf, wobei sich allerdings mein Schinkenkloß in Erinnerung brachte – er war ein Stück in den Hals hinabgerutscht. Mit einem kurzen, kräftigen Würger, ich musste die Augen fest zusammenpressen, brachte ich ihn wieder, ehe es zu einem Erstickungsanfall kam, in die Ausgangslage . . . Boldinger sah mich forschend an. Ich atmete schwer” (35-36).

[56] Sparschuh, pp. 35-37, 52, 115-19.

[57] Dale, Alan. Comedy is a Man in Trouble: Slapstick in American Movies. Minneapolis, MN and London, UK: University of Minnesota Press, 2000, p. 11.

[58] Klinkowitz qtd. in Ervin Malakaj and Alena E. Lyons, “Introduction: Interdisciplinary Approaches to Slapstick,” Slapstick: An Interdisciplinary Companion, edited by Ervin Malakaj and Alena E. Lyons, Berlin: Walter de Gruyter, 2021, pp. 1-7, p. 3.

[59] Sparschuh, p. 52.

[60] Sparschuh, p. 120.

[61] Malakaj and Lyons, p. 6.

[62] Sparschuh, pp. 9, 12; italics in original.

[63] Ibid. p. 13.

[64] Ibid. p. 39.

[65] Ibid. pp. 20-21.

[66] Krüger, Sönke. “Wie man überzeugte Wessis zur Weißglut bringt.” In: Welt 20 Jun. 2014,  https://www.welt.de/reise/article129282567/Wie-man-ueberzeugte-Wessis-zur-Weissglut-bringt.html (cited on 20. Jul. 2023).

[67] Seipp, Bettina. “Wie man gebürtige Ostdeutsche zur Weißglut bringt.” In: Welt, 13 Jun. 2014,  https://www.welt.de/reise/article129026967/Wie-man-gebuertige-Ostdeutsche-zur-Weissglut-bringt.html (cited on 30 Jul. 2023).

[68] Gries p. 195.

[69] Ibid.

[70] Twark, 2007, pp. 381-82.

[71] Sparschuh, p. 55.

[72] Sparschuh, p. 83.

[73] Sparschuh, pp. 20, 146.

[74] Translated by Ralph Mannheim. New York: Arcade Publishing, 2001 (orig. 1941).

[75] Sparschuh, p. 122.

[76] Matthew 14: 17-19; Sparschuh, p. 152.

[77] See, e.g., Andreas Platthaus, “Nun plätschert es wieder. Aufbau Ost: Jens Sparschuh installiert einen Zimmerspringbrunnen,” in: Faz.net 14. Dez. 1995, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-belletristik-nun-plaetschert-es-wieder-11310228.html (cited on 3. Aug. 2023).

[78] Ibid.

[79] For a positive, scholarly analysis of the film, see Roswitha Skare, “Text und Paratext und deren Remedierung im Film: Jens Sparschuhs Heimatroman Der Zimmerspringbrunnen (1995),” in: A Document Return, edited by Roswitha Skare, Niels Windfeld Lund and Andreas Vårheim, Frankfurt am Main: Peter Lang, 2007, pp. 135-51.

[80] The pedagogical benefits of the novel are undisputed, as it has been didacticized for schoolchildren and university students by diverse educators and educational institutions. See, e.g., Sparschuh, Jens: Der Zimmerspringbrunnen. Text & Kommentar, kommentiert von Wolfgang Reitzammer, Buchners Schulbibliothek der Moderne, no 27. Bamberg: C. C. Buchners Verlag, 2007. Reitzammer’s book is listed as recommended reading, along with the novel, on the website of the Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, 2024, https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/vermitteln/bildung/bildungskatalog/jens-sparschuh-der-zimmerspringbrunnen (cited on 2 Jan. 2024). See also Annette van Rossum, “Didaktisierungen von Der erste Frühling, Wie Licht schmeckt und Der Zimmerspringbrunnen im Rahmen des literaturdidaktischen Projekts ‘Lezen voor de Lijst,’” Bachelor’s Thesis, University of Utrecht, 2012.

[81] Rose, p. 2.

[82] Rose, p. 3.

[83] Rose, p. 2.

[84] Sparschuh, pp. 73, 76; 74-75; 80-82.

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Sep 18 2023

Jens Sparschuh und sein Werk

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Biografisches zu Jens Sparschuh
Primärliteratur von Jens Sparschuh
Kinder- und Bilderbücher
Sekundärliteratur

 

Biografisches zu Jens Sparschuh

1955 wurde Jens Sparschuh in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) geboren. Sein Abitur legte er in Halle an der Saale ab. Sparschuh studierte 1973 bis 1978 Philosophie und Logik in Leningrad (heute St. Petersburg). Dann übernahm er 1978 eine Assistenzstelle an der Humboldt-Universität in (Ost-)-Berlin und wurde 1983 zum Doktor der Philosophie promoviert. Seitdem arbeitet er als freiberuflicher Schriftsteller. Sparschuh veröffentlichte eine Vielzahl von Romanen, Hörspielen und Kinderbüchern. Zur Umbruchszeit engagierte er sich in der Bürgerrechtsbewegung der DDR und war Mitglied im „Neuen Forum“. Er lebte und lebt in Berlin.  

Sparschuhs vielfältiges schriftstellerisches Werk ist geprägt von Themen wie Identität und Ich-Verlust, Regression und Verstummen, der Analyse herrschender Rationalitätsstrukturen sowie innere Leere und Orientierungslosigkeit. Zur Darstellung nutzt er, so von Bormann und Nause in  Killys Literaturlexikon, „ein[en] leichte[n], anspielungsreiche[n] Erzählton voller Sprachwitz, Humor, Parodie, Groteske.“[1] Einige seiner Werke sind: Der große Coup (Berlin 1987), Der Schneemensch (Köln 1993), Der Zimmerspringbrunnen (Köln 1995), Lavaters Maske (Köln 1999) und Schwarze Dame (Köln 2007). Sein aktuellster Roman ist Jakobs Muschel (Hildesheim 2019). 

[1] Von Bormann, Alexander / Nause, Tanja. „Jens Sparschuh“. In: Killy Literaturlexikon. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Bd. 11: Si – Vi. Berlin, Boston: de Gruyter, 2011 , S. 88-89, hier: S. 89. 

 

Primärliteratur von Jens Sparschuh

Waldwärts. Eine Reiseroman von A bis Z erlogen. Berlin: Buchverlag Der Morgen, 1985, wieder aufgelegt: Frankfurt am Main: Edition Büchergilde, 2004.

Der große Coup. Aus den geheimen Tage- und Nachtbüchern des Johann Peter Eckermann. Berlin: Buchverlag Der Morgen, 1987, wieder aufgelegt: Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1996.

KopfSprung. Aus den Memoiren des letzten deutschen Gedankenlesers. Berlin: Buchverlag Der Morgen, 1989.

Indwendig. Winsen / Luhe: Winsener Verl.-Vermittlung, 1990.

Der Schneemensch. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1993.

Der Zimmerspringbrunnen. Ein Heimatroman. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1995.

Ich dachte, sie finden uns nicht. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1997.

Lavaters Maske. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1999.

Eins zu eins. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2003.

Silberblick. Zwei Unterhaltungen. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2004.

Ich glaube, sie haben uns nicht gesucht. Zerstreute Prosa. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2005.

Schwarze Dame. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2007.

[mit Sten Nadolny] Putz- und Flickstunde. Zwei Kalte Krieger erinnern sich. München: Piper, 2009.

Im Kasten. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2012.

Ende der Sommerzeit. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2014.

Das Leben kostet viel Zeit. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2018.

Die Matrosen der Zeit. Ein Logbuch. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2021.

Nicht wirklich. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2023.

 

Kinder- und Bilderbücher

Parzival Pechvogel. Kinderroman. Zürich: Nagel & Kimche, 1994.

Die schöne Belinda und ihr Erfinder. Zürich: Nagel & Kimche, 1997.

Stinkstiefel. Zürich: Nagel & Kimche, 2000.

Mit Lieschen Müller muss man rechnen. Eine Geschichte mit Zahlen. Zürich: Nagel & Kimche, 2006.

Morgens früh um sechs… Die Geschichte von der kleinen Hexe und dem dicken Heinz. Bilderbuch. Rostock: Hinstorff, 2009.

Sibylle Prinzessin von Schwanstein. Rostock: Hinstorff, 2012.

Der alte Mann und das Meerschweinchen. Hildesheim: Gerstenberg, 2017.

Jakobs Muschel. Hildesheim: Gerstenberg, 2019.

Julia und ihr kleiner Großvater. Hildesheim: Gerstenberg, 2022.

 

Sekundärliteratur

Bachmann, Robert. Jens Sparschuh und die Wende: „Der Zimmerspringbrunnen“ im Kontext der Wiedervereinigung. München: GRIN, 2011.

Bonitz, Sven. Das Wendebild in Jens Sparschuhs „Der Zimmerspringbrunnen“. München: GRIN, 2009.

Cosentino, Christine. „Sparschuh, Jens: Der Zimmerspringbrunnen“ [Rezension]. In: Glossen 1998, H. 5. Online verfügbar unter: http://www2.dickinson.edu/glossen/heft5/sparschuh.html (abgerufen am 06.11.23).

Cosentino, Christine. „Scherz, Satire und Ironie in der ostdeutschen Literatur der neunziger Jahre“. In: The Journal of English and Germanic Philology 1998, 97:4, 467-487. Online verfügbar unter: https://www.jstor.org/stable/27711725

Criser, Regine. „Zwischen Anpassung und Instrumentalisierung. Hybride Lebensnarrative in der Literatur nach 1989“. In: Ostdeutsche Erinnerungsdiskurse nach 1989. Narrative kultureller Identität. Hg. Goudin-Steinmann, Elisa / Hähnel-Mesnard, Carola. Berlin: Frank & Timme, 2013, S. 199-212.

Depka Prondzinska, Danuta. Der spanische Schelmenroman und seine deutschen Verwandten. München: GRIN, 2008.

Fuchs, Mareen: Dazwischen. Between the GDR and a United Germany. Diss. New Brunswick, New Jersey, 2016. Online verfügbar unter: https://doi.org/doi:10.7282/T3DV1N6C

Galli, Matteo. „Sparschuh, Jens: Der Zimmerspringbrunnen. Ein Heimatroman (Köln: Kiepenheuer & Witsch)“. In: Wendejahr 1995. Transformationen der deutschsprachigen Literatur. Hg. Tommek, Heribert / Galli, Matteo / Geisenhanslüke, Achim. Berlin / Boston: de Gruyter, 2015, S. 497-501.

Gebauer, Mirjam. Wendekrisen: der Pikaro im deutschen Roman der 1990er Jahre, Trier: Wissenschaftlocher Verlag, 2006.

Grub, Frank Thomas. „Gestürzte Denkmäler – ratlose Helden: Autorenporträt Jens Sparschuh“. In: Der Deutschunterricht LII (2000) H. 1, S. 87-95.

Kormann, Julia. „Satire und Ironie in der Literatur nach 1989. Texte nach der Wende von Thomas Brussig, Thomas Rosenlöcher und Jens Sparschuh“. In: Mentalitätswandel in der deutschen Literatur zur Einheit: Hg. Wehdeking, Volker. Berlin: Erich Schmidt, 2000, S. 165-176.

Nause, Tanja. Inszenierungen von Naivität. Tendenzen und Auswirkungen einer Erzählstrategie der Nachwendeliteratur. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2002.

Neumann, Christian. „Ostalgie als Abwehr von Trauer. Zur Heimatsehnsucht in Jens Sparschuhs Nachwenderoman Der Zimmerspringbrunnen“. In: Literatur für Leser 2004, H. 2, S. 102-112.

Nilges, Yvonne. „Frei-Zeit im Konsum-Dispositiv. Gleichzeitigkeit, Beschleunigung, Zeichenprozesse im deutschsprachigen Roman der Jahrtausendwende“. In: Hg. Dies. Frei-Zeit in der Gegenwartsliteratur. Wissensordnungen im Wandel. Göttingen: V & R Unipress 2021, S. 51-73.

Orth, Dominik. „Literarisch archivierte Zeitgeschichte? Das Leben nach der Wende in Jens Sparschuhs Der Zimmerspringbrunnen und Alexander Osangs Die Nachrichten“. In: Nach-Wende-Narrationen. Das wiedervereinigte Deutschland im Spiegel von Literatur und Film. Hg. Lüdeker, Gerhard Jens. Göttingen: V & R Unipress, 2010, S. 103-118.

Peters, Peter. [Art.] „Jens Sparschuh“. In: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur – KLG. Hg. Arnold, Heinz Ludwig.  46. Nlg. (Stand: 1.1.1994, 4 + 4 S.). Online verfügbar unter: http://www.nachschlage.net/search/klg/Jens+Sparschuh/534.html (abgerufen am 06.11.23)-

Reitzammer, Wolfgang. Sparschuh, Der Zimmerspringbrunnen. Text & Kommentar. Bamberg: Buchners Schulbibliothek der Moderne, 2007.

Schmidt, Karl-Wilhelm. „Ein rasanter Gegenwartsroman“. In: Praxis Deutsch 1998, H. 150: Unterhaltungsliteratur.

Skare, Roswitha. „Text und Paratext und deren Remedierung im Film: Jens Sparschuhs Heimatroman Der Zimmerspringbrunnen (1995)“. In: A Document (Re)turn. Hg. Skare, Roswitha / Windfeld Lund, Niels / Vårheim, Andreas. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2007, S. 135-151.

Stöhr, Anna. Klischee- oder Charakterstudie? Selbst- und Fremdbilder in Jens Sparschuhs „Der Zimmerspringbrunnen“. München: GRIN, 2010.

Twark, Jill. „The Comic Survivor: Self-Irony and Defensiveness in the Post-Wende Transition“. In: Twark, Jill. Humor, Satire and Identiy, Berlin: de Gruyter, 2007, S. 25-71.

Wilczek, Reinhard. „Vergleichende Textaufgaben und ihre Bewertung. Beispiele aus einer Unterrichtssequenz zu Jens Sparschuhs Zimmerspringbrunnen. In: Deutschunterricht 2000, H. 53, S. 50-59.

 

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Dec 29 2022

Herausgabe, Redaktion und Mitwirkende | Wende-Reader

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Wende-Reader für den Unterricht ist eine Vierfachausgabe von Glossen.

Glossen 49 | Bernd Schirmer, Schlehweins Giraffe (1992)
Glossen 50 | Jens Sparschuh, Der Zimmerspringbrunnen. Ein Heimatroman (1995)
Glossen 51 | Kerstin Hensel, Tanz am Kanal. Erzählung (1994)
Glossen 52 | Jens Wonneberger, Wiesinger. Der Mann mit Hacke und Spaten (1999)

Materialien wurden geschrieben sowie herausgegeben von Janine Ludwig und Uwe Spörl unter Mitarbeit von Julia Müller

Glossen-Redaktion: Sarah McGaughey und Abby Jones

Weitere Beiträge der vier Ausgaben von: Carsten Gansel, Janine Ludwig, Jill Twark uvm.

 

Kurzbiografien

Carsten Gansel, Studium der Germanistik/Slawistik, Promotion und Habilitation, Lehre an verschiedenen Hochschulen und Universitäten, bis 1995 Universität Greifswald, 1992 Lehrstuhlvertretung Universität Bielefeld, 1993 Gastprofessur an der Universität Frankfurt/M., seit 1995 Professor für Neuere deutsche Literatur und Germanistische Literatur- und Mediendidaktik am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen. Mitglied des P.E.N-Zentrums Deutschland, Vorsitzender der Jury zur Verleihung des Uwe-Johnson-Literaturpreises, Sprecher des Beirates der Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption (Kamenz), seit 2021 Vorsitzender der Christa-Wolf-Gesellschaft. 2017 Bundesverdienstkreuz. Lehr- und Forschungsschwerpunkte: Deutsche Literatur des 19.-21. Jahrhunderts; System- und Modernisierungstheorie; kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung, KJL, Medien- und Filmanalyse; Literaturkritik; Popkultur und Adoleszenzforschung, Narratologie. Letzte Publikation: Kind einer schwierigen Zeit. Otfried Preußlers frühe Jahre. Berlin: Verlag Galiani 2022.

Janine Ludwig studierte NdL, Theaterwissenschaft/Kulturelle Kommunikation und Philosophie. Publikationen: Heiner Müller, Ikone West. Das dramatische Werk Heiner Müllers in der Bundesrepublik. Peter Lang 2009; Macht und Ohnmacht des Schreibens. Späte Texte Heiner Müllers. Kadmos 2009; Literatur ohne Land? Schreibstrategien einer DDR-Literatur im vereinten Deutschland, 2 Bde., hrsg. mit Mirjam Meuser. FWPF 2009, 2014, BasisDruck Verlag 2015; derzeit zus. mit Florian Becker: Müller-Handbuch. Sie ist Akademische Direktorin des Durden Dickinson Bremen Program und Contributing Faculty Member, German Dept. Außerdem Stellvertretende Sprecherin des Instituts für kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien an der Universität Bremen (ifkud). Forschungsschwerpunkte: DDR-Literatur; Heiner Müller; Gegenwartsliteratur; Film, Theater. Sie unterrichtete mit Uwe Spörl das Seminar „Vergessene/übersehene/überlesene Wendeliteratur“, in Kooperation mit dem ifkud (https://www.deutschlandstudien.uni-bremen.de/).

Uwe Spörl, born 1965, is a Senior Lecturer in modern German literature at the University of Bremen. In 1997 he received his Ph.D. from the University of Erlangen with a dissertation on German fin de siècle literature. He is the author of the Basislexikon Literaturwissenschaft (2004) and has taught and published in numerous fields, including the relationship between knowledge and literature, modes of literary perception, space and order, and reception of antiquity. His research interests include narrative theory, hermeneutics and literary theory, contemporary literature, and the crime novel, and, most recently, science in fiction. With Janine Ludwig, he taught the seminar „Vergessene/übersehene/überlesene Wendeliteratur“, in cooperation with ifkud (https://www.deutschlandstudien.uni-bremen.de/).

Jill Twark is Professor of German at East Carolina University. Her research interests include late twentieth- and early twenty-first-century German literature and culture. She has published widely on humor and satire in post-unification German literature, including the book Humor, Satire, and Identity: Eastern German Literature in the 1990s and the edited volume Strategies of Humor in Post-Unification German Literature, Film, and Other Media. She recently shifted her focus to social-justice dilemmas with the edited volumes Envisioning Social Justice in Contemporary German Culture and Invested Narratives: German Responses to Economic Crisis. She is currently working on a textbook for teaching German graphic novels.

 

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Dec 29 2022

Sekundärliteratur zur DDR- und Wendeliteratur

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Besondere Empfehlungen für den Unterricht

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Grub, Frank Thomas. „Wende“ und „Einheit“ im Spiegel der deutschsprachigen Literatur. Bd. 1: Untersuchungen. Berlin / New York: de Gruyter, 2003, insbes. S. 68-90.

Ludwig, Janine. „Was war und ist DDR-Literatur? Die Debatten um die Betrachtung der DDR-Literatur nach 1989“. In: Eke, Norbert Otto (Hg.): „Nach der Mauer der Abgrund“?: (Wieder-)Annäherungen an die DDR-Literatur. Amsterdam: Rodopi (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 83), 2013, S. 65-82.

Schroeder, Klaus: Die DDR. Geschichte und Strukturen. Kompaktwissen. Stuttgart: Reclam, 2011.

Weber, Jürgen: DDR und deutsche Einheit. Buchners Kolleg. Themen Geschichte. Bamberg: Buchners Verlag, 2010.

 

Allgemeine Übersicht

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Anz, Thomas (Hg.). „Es geht nicht um Christa Wolf“. Der Literaturstreit im vereinten Deutsch­land. München: Ed. Spangenberg, 1991.

Arnold, Heinz Ludwig (Hg.). DDR-Literatur der neunziger Jahre. Sonderband, München: Ed. Text + Kritik, 2000.

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Bach, Susanne. „Wende-Generationen/Generationen-Wende. literarische Lebenswelten vor dem Horizont der Wiedervereinigung“. In: Beiträge zur neueren Literaturgeschichte, Band 363, Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2015.

Bahrmann, Hannes und Christoph Links. Chronik der Wende. 2 Bde. Berlin: Ch. Links, 1994, 1995.

Barck, Simone, Martina Langermann und Jörg Requate. „Kommunikative Strukturen, Medien und Öffentlichkeiten in der DDR“. In: Berliner Debatte INITIAL 4/5, 1995, S. 25-38.

Barck, Simone, Martina Langermann und Siegfried Lokatis. „Jedes Buch ein Abenteuer“ Zensursystem und literarische Öffentlichkeit in der DDR. Berlin: Akademischer Verlag, 1997.

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Ledanff, Susanne. „Trauer und Melancholie: ‚Weibliche‘ Wenderomane zwischen 1993 und 1994“. In: GDR Bulletin: Vol. 25: Iss. 1., 1998, Online verfügbar unter: https://newprairiepress.org/cgi/viewcontent.cgi?article=1937&context=gdr (abgerufen am 22.09.20).

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Ludwig, Janine und Miriam Meuser (Hg.). Literatur ohne Land? Schreibstrategien einer DDR-Li­teratur im vereinten Deutschland. Band 1: Freiburg 2009. Band 2: Freiburg: FWPF, Fördergemeinschaft Wiss. Publ. von Frauen, 2014. Wiederauflage im BasisDruck Verlag Berlin 2015.

Lüdeker, Gerhard Jens und Dominik Orth. Nach-Wende-Narrationen. das wiedervereinigte Deutschland im Spiegel von Literatur und Film, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht unipress, 2010.

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Schulze, Stefan. „Der fliegende Teppich bietet wenig Raum.“ Schriftstellerinnen der ehemaligen DDR vor, während und nach der Wende. Dissertation an der Universität Leipzig 1997.

Skare, Roswitha. „1989/90: Eine Wende in der deutschen Literaturgeschichte? Tendenzen der neueren Literaturgeschichtsschreibung“. In: Dies.; Hoppe, B. Rainer (Hg.): Wendezeichen? Neuere Sichtweisen auf die Literatur der DDR. Amsterdam, Atlanta: Rodopi, 1999.

Skare, Roswitha und Rainer B. Hoppe (Hg.). Wendezeichen? Neue Sichtweisen auf die Lite­ratur der DDR. Amsterdam, Atlanta: Rodopi, 1999.

Städtke, Klaus und Wolfgang Emmerich. „DDR-Literatur und Literaturwissenschaft in der DDR. Zwei kritische Bilanzen“. In:  Materialien und Ergebnisse aus Forschungsprojekten des Institutes / Institut für Kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien an der Universität Bremen (FB 10); Heft 2, 1992.

Steinecke, Hartmut. “From Two German Literatures to One Literature? Reflections on German Unity and Certain Literary Developments from 1976 to 1990”. In: London German Studies 14 (1993). Ed. Martin Swales. University of London: Institute of Germanic Studies, S. 187-203.

Stenger, Cordula. „Stolz und Vorurteil.“ Junge deutsche Dichter über deutsche Dinge nach der Wende 1989. KWD Heft 11 des Instituts für kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien der Universität Bremen (ifkud). Bremen: Universitätsdruckerei, 1997.

Stephan, Inge und Alexandra Tacke (Hg.). NachBilder der Wende. Köln; Weimar: Böhlau, 2008.

Stillmark, Hans Christian (Hg.). Rückblicke auf die DDR-Literatur. Amsterdam, New York: Rodopi, 2002.

von Hallberg, Robert (Ed.). Literary Intellectuals and the Dissolution of the State. Professionalism and Conformity in the GDR. Chicago: The University of Chicago Press, 1996.

Wehdeking, Volker. Die deutsche Einheit und die Schriftsteller. Literarische Verar­beitung der Wende seit 1989. Berlin; New York: Walter de Gruyter, 1997.

Wehdeking, Volker (Hg.). Mentalitätswandel in der deutschen Literatur zur Einheit (1990-2000). Berlin: Erich Schmidt, 2000.

Wehdeking, Volker. „Die DDR in der Literatur nach der Friedlichen Revolution“. In: Veen, Hans-Joachim: Das Bild der DDR in Literatur, Film und Internet. Köln; Weimar; Wien: Böhlau, 2015, S. 25-50.

Welzel, Klaus. „Utopieverlust. Die deutsche Einheit im Spiegel ostdeutscher Autoren“. In: Epistemata, Reihe Literaturwissenschaft, Band 242, Würzburg: Königshausen & Neumann, 1998.

Wichner, Ernest und Herbert Wiesner. „Literaturentwicklungsprozesse“ Die Zensur der Literatur in der DDR. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1993.

Winkler, Heinrich August. Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung. 6., durchgesehene Auflage. München: Beck, 2005.

Wölfel, Ute (Hg.). Literarisches Feld DDR. Bedingungen und Formen literarischer Produktion in der DDR. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2005.

Wolle, Stefan. „Der zerbrochene Dialog. Gespaltene Erinnerungskultur im wiedervereinigten Deutschland“. In: Internationale Schulbuchforschung Band 22, Heft 4, Hannover: Verlag Hahnsche Buchh., 2000, S. 417-430.

Wrobel, Dieter. „Literatur zur Wende“. In: Praxis Deutsch. Nr. 36, Vrebel: Friedrich, 2009, S. 4-13.

Zimmermann, Hans Dieter. Literaturbetrieb Ost/West. Die Spaltung der deutschen Literatur von 1948 bis 1998, Stuttgart: Kohlhammer, 2000.

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Dec 29 2022

Umstrittene Begriffe

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„Friedliche Revolution“ | „Ossi“/ „Wessi“ | „Ostalgie“„Wende“ | „Wiedervereinigung“ |  „Zone“

 

„Friedliche Revolution“

Als „friedliche Revolution“ werden die Prozesse in der Gesellschaft der DDR und die darauf folgenden politischen Veränderungen in Ostdeutschland in den Jahren 1989/1990 bezeichnet, die letztendlich zum Ende der DDR, zum Fall der Mauer sowie der innerdeutschen Grenze und zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands geführt haben. In Abgrenzung zu anderen Revolutionen in Deutschland, wie der 1848er-Revolution oder der Novemberrevolution 1918/19, zeichnet sich diese durch ihre Gewaltlosigkeit aus. Ist es denn überhaupt korrekt, hier von einer „Revolution“ zu sprechen? Günter de Bruyn sieht den Revolutionsbegriff aufgrund der historischen Perspektive kritisch:

Auch der Begriff Revolution ist historisch beladen. Benutzt man ihn für die Ereignisse vom Herbst 1989, liegt der Verdacht der Heroisierung nahe, zumindest aber der der Einseitigkeit. Denn der Aufruhr der Straße (nach Feierabend) war nur ein Glied einer längeren Ursachenkette, die sich durch Stichworte wie Gorbatschow, Massenausreise, Ungarn und Polen grob andeuten läßt. Vielleicht sogar waren die Aktionen der Menge nicht Ursache, sondern schon Folge. Da das System bereits ökonomisch und politisch bankrott war, ließ es sie zu.[8]

Der Historiker Andreas Rödder hingegen schätzt die Ereignisse als revolutionär ein, da das Kriterium der fundamentalen Veränderung der politischen und sozialen Ordnung noch zutreffender sei als 1848 oder 1918.[9]

Vielfach wird gefordert, dass die Bezeichnung „friedliche Revolution“ anstelle des Begriffs der „Wende“ benutzt werde, denn diese Bezeichnung „würdig[e] die Besonnenheit der Revolutionäre, der Menschen auf der Straße.“[10] Trotzdem ist sich die Forschung nicht einig darüber, ob die Bezeichnung der „Revolution“ letztlich passend ist.[11]

Besonders hervorzuheben ist dennoch der Gewaltverzicht auf Seiten der Demonstranten, die Parolen wie „Keine Gewalt!“ skandierten. Aber auch auf Seiten der SED-Regierung wurde unter Egon Krenz auf Gewalt verzichtet, denn Krenz nimmt für sich in Anspruch, im Vorfeld den Ablauf in Leipzig dahingehend geklärt zu haben, dass es nicht zu einem gewalttätigen Eingreifen kommen konnte, wenn nicht die Sicherheitskräfte selbst angegriffen wurden.[12] Vor allem nach den Ereignissen in China im Juni 1989 auf dem Tian’anmen-Platz bzw. Platz (am Tor) des Himmlischen Friedens, wo eine studentische Demokratiebewegung von der chinesischen Regierung gewaltsam niedergeschlagen wurde, stand eine solche Vorgehensweise der Regierung im Raum und wurde befürchtet.

Der Begriff soll dabei nicht den Eindruck erwecken, als gebe es keine Opfer, denn trotz des friedlichen Demonstrierens auf der Straße wurden im Herbst 1989, vor allem am 7. Oktober 1989 viele Menschen verhaftet, verhört oder bedroht.[13]

Was allerdings der Grund dafür war, dass diese gewaltfreie Revolution zum Erfolg führen konnte, schätzt der Historiker Heinrich August Winkler folgendermaßen ein:

Ohne die Rückendeckung der Sowjetunion konnte sich keine der von ihr abhängigen Diktaturen längerfristig gegen revoltierende Massen behaupten. Weil die sowjetische Führung aus politischer Einsicht und wirtschaftlicher Schwäche nicht mehr zu Interventionen nach dem Muster von 1953, 1956 und 1968 bereit war, konnten sich die Emanzipationsbewegungen von 1989, beginnend mit der polnischen, weitgehend friedlich durchsetzen.[14]

„Ossi“/ „Wessi“

Umgangssprachliche Bezeichnungen für Personen, die jeweils entweder Staatsbürger der ehemaligen DDR oder der BRD waren. Ursprünglich war der Begriff des „Wessis“ eine Bezeichnung der West-Berliner für diejenigen, die aus der damaligen Bundesrepublik („Wessiland“) zu Besuch kamen oder zuzogen. Im Laufe der Jahre 1989/90 und im Zuge der Wiedervereinigung veränderten sich die Bezeichnungen jedoch: Als „Ossis“ werden diejenigen bezeichnet, die aus den neuen Bundesländern stammen, als „Wessi“ dagegen diejenigen, die aus den alten Bundesländern kommen. Auch Wessi-Ossi-Witze fingen an, sich zu entwickeln.

In der Literatur fanden die Begriffe bereits vor der Wiedervereinigung Verwendung. Schon in Thomas R. P. Mielkes Polit-Thriller Der Tag an dem die Mauer brach aus dem Jahr 1985 oder bei Hans Magnus Enzensbergers Ach Europa (1987) wurden die Begriffe „Wessi/Wessie“ und „Ossi/Ossie“ verwendet.

Synonyme Bezeichnungen für die „Wessis“ sind „Westler“ oder „Bundis“, die vor allem in der (ehemaligen) DDR benutzt wurden. Aus „Wessi“ entstand auch das 1991 von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gewählte Kofferwort „Besserwessi“ (aus „Besserwisser“ und „Wessi“), das eine Person aus den alten Bundesländern meint, die sich durch ihre Überheblichkeit und Geringschätzigkeit gegenüber ehemaligen Bürgern der DDR auszeichnet.

Als Pendant gab es auch andere (oft geringschätzig gemeinte) Synonyme für den „Ossi“, beispielweise „Zoni“. Ebenso gab es die Bezeichnung des „Jammerossis“ bzw. „Meckerossis“ – wie Ostdeutsche von einigen Westdeutschen nach der Wende gesehen wurden: undankbar und jammernd.

Es entstand auch das Kofferwort „Wossi“ (aus „Wessi“ und „Ossi“), das zunächst eine Person bezeichnete, die nach der Wende aus den alten Bundesländern in die ehemalige DDR zuzog, mittlerweile aber auch Ostdeutsche meint, die ihre deutsche Identität als gemischte definieren oder nicht mehr als „Wessi“ oder „Ossi“ zuzuordnen sind.

Die Sprachwissenschaftlerin Doris Steffens vom Mannheimer Institut für Deutsche Sprache (IDS) macht deutlich, dass die Begrifflichkeiten „Ossi“/„Wessi“ als „Inbegriffe für die Schwierigkeiten des Vereinigungsprozesses“[15] von Ost und West gesehen werden konnten. Ihre negativen Konnotationen hätten sie jedoch mittlerweile abgelegt.[16]

„Ostalgie“

„Ostalgie“ ist ein Kofferwort aus den Wörtern „Osten“ und „Nostalgie“ und meint damit die spezifische Sehnsucht nach (bestimmten Lebensformen) der DDR. Diese Sehnsucht entwickelte sich Anfang der 1990 Jahre in Teilen der ostdeutschen Bevölkerung im Zusammenhang mit einer gewissen Distanzierung zur Bundesrepublik und einer immer positiveren Rückbesinnung auf die DDR. Diese DDR-Nostalgie wurde vor allem durch die Auseinandersetzung mit dem schwierigen wirtschaftlichen Transformationsprozess und die Anpassung an das neue Rechtssystem vieler ehemaligen DDR-Bürger in der neuen Bundesrepublik und somit letztlich durch eine Enttäuschung über die Folgen der Wiedervereinigung ausgelöst. Ab den späten 1990er Jahren gab es eine regelrechte Ostalgie-Welle, die um 2000 herum ihren Höhepunkt fand: Es wurden (und werden bis heute) ehemalige Ost-Produkte in den Supermärkten angeboten (beispielsweise die Knusperflocken von Zetti, Club-Cola, Club-/Juwel-/Karo-Zigaretten, Spreewälder Gurken, Halloren-Kugeln oder das Waschmittel Spee; es kam zu sogenannten „Ostalgie-Partys“, wo die Menschen in DDR-typischen Kleidungsstücken und mit entsprechenden Requisiten zu DDR-Schlagern oder -Popsongs feierten. Auch die sogenannte „Ampelmännchen-Industrie“ verstärkte bei vielen „Ostalgikern“ den Wunsch danach, an Gegenständen und Symbolen der ehemaligen DDR als Identitätsanker festzuhalten. Schließlich kam die Ostalgie-Welle in den Medien an: Es wurden nicht nur Fernsehsendungen oder Filme gezeigt, die an die DDR erinnerten (etwa Sonnenallee, 1999), oder Figuren übernommen, wie beispielsweise das DDR-Sandmännchen, sondern auch ostalgische Romane verfilmt, wie Jens Sparschuhs Der Zimmerspringbrunnen, oder andere ostalgische Filme produziert, wie Good Bye, Lenin!, die beide Anfang der 2000er in die Kinos kamen.

Die Wortschöpfung „Ostalgie“, geht auf den Dresdner Kabarettisten Uwe Steimle zurück.[17] Thomas Ahbe macht deutlich, dass der Begriff „Ostalgie“ sowohl wertneutral als auch negativ konnotiert gemeint sein kann: zum einen als „eine berechtigte Form der Erinnerung oder eine erfolgversprechende Geschäftsidee“[18] oder als Abwertung und Rückschrittlichkeit entgegen dem Zeitgeist der neuen und „besseren“ Lebensweise der BRD.

„Wende“

Die „Wende“ bezeichnet den Prozess des gesellschaftspolitischen Wandels in der DDR 1989/1990, der schließlich zum Ende der SED-Herrschaft sowie zur Wiederherstellung eines gesamtdeutschen Staates 1990 führte. Erstmals trat der Begriff „Wende“ im politischen Kontext des Machtwechsels in der BRD unter Helmut Kohl auf, der eine „geistig-moralische Wende“ verkündete. In der DDR wurde dieser Begriff durch Egon Krenz geprägt, der in seiner Antrittsrede im Oktober 1989 von einer „Wende“ sprach, die die „politische und ideologische Offensive“ zurückbringen werde, um die Wogen der Unruhe im Volk etwas zu glätten.[1] Bei der Demonstration auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989 wurde dieser Begriff von der Schriftstellerin Christa Wolf aufgegriffen und ironischerweise mit einer Segel-Metapher in Verbindung gebracht, um ihre Kritik an dem Begriff der „Wende“ zu verdeutlichen.[2] Daraus entwickelte sich auch die umgangssprachliche Bezeichnung „Wendehals“ als Bezeichnung für Bürger der DDR, die sich dem neuen System zuwendeten, um das Beste für sich herauszuholen, obwohl sie zuvor Anhänger des DDR-Systems gewesen waren. Lothar de Maizière, der letzte demokratisch gewählte DDR-Ministerpräsident, fasst die Kritik am Wendebegriff passend zusammen:

„Noch heute bin ich ärgerlich, dass die Zeit des Herbstes 1989 als ‚Wende‘ bezeichnet wird und damit ein Begriff von Krenz aufgegriffen wird, statt sie als das zu bezeichnen, was sie wirklich war, nämlich die Zeit einer friedlichen Revolution.“[3]

Diese Einschätzung dürften manche ehemalige Bürgerinnen und Bürger der DDR teilen, da die synonyme Verwendung des Begriffs „Wende“ für die friedliche Revolution und Wiedervereinigung als „sprachliche[r] Vereinnahmungsversuch“[4] gesehen werden kann.

„Wiedervereinigung“

Der Begriff der deutschen Wiedervereinigung oder Vereinigung bezeichnet den am 3. Oktober 1990 gesetzlich vollzogenen Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland, aus dem der Nationalfeiertag, der Tag der Deutschen Einheit hervorgegangen ist. Gesetzessprachlich wird hier von der „Herstellung der Einheit Deutschlands“ gesprochen. Maßgeblich waren dabei die Verhandlungen über den Einigungsvertrag und schlussendlich die Abstimmung der Volkskammer am 23. August 1990, die den Termin des Beitritts festlegten. Historisch ist jedoch die Verwendung des Terminus „Wiedervereinigung“ ungenau. Das liegt darin begründet, dass am 3. Oktober 1990 die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes auf Grundlage des Artikels 23 des Grundgesetzes der BRD beitrat. Diese neu gebildeten Bundesländer besaßen jedoch noch keine demokratisch legitime(n) Landesregierung(en), da diese erst nach dem Vollzug des Beitritts gewählt wurden. So ist es eigentlich unpräzise, von einer Wiedervereinigung zu sprechen.

Ebenso stand zur Diskussion, nach Artikel 146 des Grundgesetzes, der besagt, dass das GG seine Gültigkeit verliere, an dem Tag, da vom deutschen Volk eine neue Verfassung beschlossen worden ist, zusammen mit der Volkskammer der DDR eine komplett neue Verfassung zu gestalten. So hätte es sowohl für West als auch Ost einen Neubeginn gegeben. Allerdings hat man sich dagegen entschieden, denn vor allem von Seiten der Bundesregierung wurde deutlich gemacht, dass das Grundgesetz nur an Qualität (vor allem an Freiheiten) verlieren könne.[5] Das wurde seitens mancher ehemaliger DDR-Bürger kritisch aufgefasst.

Sie sahen in dem Begriff „Wiedervereinigung“ den Beitritt als Unterordnung sprachlich zementiert und bevorzugten den Begriff „Vereinigung“, um wenigstens semantisch die Vorstellung einer Vereinigung zweier Staaten auf Augenhöhe zu suggerieren, auch wenn diese so nicht stattgefunden hat. Doch auch im Westen war der Begriff nicht unumstritten, da das „Wieder“ eine Rückkehr zu einem vorherigen Zustand Deutschlands, quasi des Deutschen Reiches, sowie die Korrektur der vierzigjährigen deutschen Teilung als eines historischen ‚Irrwegs‘, impliziere, mithin einen revisionistischen Unterton enthalte. Denn nicht nur in der BRD, sondern auch in Frankreich oder Großbritannien herrschte eine erhebliche Sorge vor einer möglichen Rückkehr deutschen Großmachtstrebens und vor einer Wiederkehr des Gespenstes eines deutschen Nationalismus. Besonders die westdeutsche Linke pflegte erhebliche Vorbehalte gegen die deutsche Einheit oder lehnte sie rundweg ab. Stellvertretend für diese Position argumentierte Günter Grass, die deutsche Teilung müsse bestehen bleiben, da sie die Strafe für Auschwitz sei.[6] Dies wiederum empfanden viele Ostdeutsche als zynisch, da ihrer Meinung nach sie diese Strafe absitzen mussten, eingesperrt in ihrem Land, während die Westdeutschen in Freiheit ihrer Italien-, Frankreich- oder Amerikabegeisterung frönen konnten.

„Zone“

Geht auf die Bezeichnung der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zurück, die als eine der vier Besatzungszonen aus der Konferenz von Jalta der alliierten Staatschefs 1945 hervorging. Anders als die Namen für die Besatzungszonen der Westmächte, hält sich die Bezeichnung „Zone“ oder „Ostzone“/„Sowjetzone“ auch nach der Gründung der DDR 1949 in der Umgangssprache vor allem der Bürger der Bundesrepublik mit einer abwertenden Konnotation. Diese lässt sich darauf zurückführen, dass die Bundesregierung in den Jahren nach 1949 die Existenz eines ostdeutschen Staates nicht anerkennen wollte und somit weiterhin das Kürzel SBZ anstelle von DDR verwendete. Bis sich die Ostpolitik der BRD in den 1970er Jahren änderte und auch in der Presse der Begriff „DDR“ (in Anführungszeichen) Verwendung fand, kann man „Zone“ auch noch nach Ende der DDR in vielen Kontexten als Bezeichnung ausmachen, wie etwa bei der Bezeichnung des „Zonenrandgebiets“ in dem damit verbundenen „Zonenrandförderungsgesetz“, das noch bis 2006 seine Gültigkeit behielt, oder der Bezeichnung des Status „Sowjetzonenflüchtling“ im Bundesvertriebenengesetz, die eine Person meint, die vor dem 1. Juli 1990 die DDR verlassen hat. Diese Bezeichnung gilt noch bis heute und zeigt, dass selbst 30 Jahre nach dem Ende der DDR die „Zone“ noch nicht überwunden ist. Auf dem Titelbild der westdeutschen Satirezeitschrift Titanic wurde im November 1989 „Zonen-Gaby im Glück: Meine erste Banane“ abgebildet. Diese Abbildung zeigte eine sehr stereotyp aussehende Ostdeutsche, die anstelle einer Banane eine Gurke in der Hand hielt. Zum einen diente dies als Karikatur der Mangelwirtschaft der DDR, zum anderen wurde die Darstellung jedoch ambivalent aufgenommen – und so wurde die „Zonen-Gaby“ so etwas wie Kult- und Reizfigur, im Osten wie im Westen.[7] Im Titel von Jana Hensels Buch Zonenkinder, in dem sie ihr Schicksal (und das anderer „Zonenkinder“), die in jungen Jahren das Ende der DDR und den darauf folgenden Umbruch miterlebten, beschreibt, findet man dann einen (selbst-)ironischen Bezug zur Verwendung des Begriffs „Zone“.

[1] Lindner, Bernd (BPB). „Begriffsgeschichte der Friedlichen Revolution. Eine Spurensuche“, Kapitel „Wende.“ (3. Juni 2014), https://www.bpb.de/apuz/185602/begriffsgeschichte-der-friedlichen-revolution-eine-spurensuche?p=2 (eingesehen am 22. Nov. 2022).

[2] Wolf, Christa. „Rede auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989“, https://www.youtube.com/watch?v=SSk-ytE9c20 (eingesehen am 20. Mai 2020).

[3] De Maizière, Lothar. „Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen“. Meine Geschichte der deutschen Einheit. Freiburg: Herder, 2010, S. 52.

[4] „‚Wende‘? ‚Friedliche Revolution‘? ‚Mauerfall‘?“ (Memento vom 23. Juni 2013 im Internet Archive), Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vom 19. Oktober 2009, https://web.archive.org/web/20130623211005/http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/20Jahre/2009-10-20-wende-oder-wie.html (eingesehen am 20. Mai 2020).

[5] Vgl. Münch, Ursula. „1990: Grundgesetz oder neue Verfassung?“ https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-einheit/deutsche-teilung-deutsche-einheit/43813/die-frage-nach-der-verfassung (eingesehen am 18. Juni 2020).

[6]  Vgl. hierzu Winkler, Heinrich August. „Lesarten der Sühne.“ In: Der Spiegel Nr. 35 24. Aug. 1998, https://www.spiegel.de/consent-a-?targetUrl=https%3A%2F%2Fwww.spiegel.de%2Fspiegel%2Fprint%2Fd-7969480.html&ref=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F (eingesehen am 1. Aug. 2020).

[7] Sticht, Christina. „‚Zonen-Gaby‘ und ihre komische Sucht nach Bananen“. In: Die Welt 13. Okt. 2014, https://www.welt.de/geschichte/article133212183/Zonen-Gaby-und-ihre-komische-Sucht-nach-Bananen.html (eingesehen am 21. Mai 2020).

[8] De Bruyn, Günter. „Jubelschreie, Trauergesänge“. In: Die Zeit 7. Sept. 1990.

[9] Vgl. Rödder, Andreas. Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung. München: C.H. Beck 2009, S.117.

[10] Vgl. „‚Wende‘? ‚Friedliche Revolution‘? ‚Mauerfall‘? (Memento vom 23. Juni 2013 im Internet Archive), Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vom 19. Oktober 2009, https://web.archive.org/web/20130623211005/http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/20Jahre/2009-10-20-wende-oder-wie.html (eingesehen am 20. Mai 2020).

[11] Vgl. Grub, Frank Thomas. „Wende“ und „Einheit“ im Spiegel der deutschsprachigen Literatur. Berlin / New York: de Gruyter, 2003, S. 118-120.

[12] Vgl. Krenz, Egon. Herbst ’89. Berlin: Neues Leben, 21999, S. 90 f.

[13] Vgl. „‚Wende‘? „Friedliche Revolution“? „Mauerfall“?“ (Memento vom 23. Juni 2013 im Internet Archive), Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vom 19. Oktober 2009, https://web.archive.org/web/20130623211005/http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/20Jahre/2009-10-20-wende-oder-wie.html (eingesehen am 20. Mai 2020).

[14] Winkler, Heinrich August. Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung. Fünfte, durchgesehene Auflage. München: C.H. Beck, 2002, S. 561.

[15] Steffens, Doris. „Wer sagt noch Jammerossi und Besserwessi?“ In: Märkische Allgemeine 14. Mai 2014.

[16] Vgl. ebd.

[17] Vgl. Ahbe, Thomas. Ostalgie. Zum Umgang mit der DDR-Vergangenheit in den 1990er Jahren. Erfurt: Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, 2005, S. 7.

[18] Ebd.

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Dec 29 2022

Bernd Schirmer und sein Werk

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Biografisches zu Bernd Schirmer
Primärliteratur von Bernd Schirmer
Sekundärliteratur zu Bernd Schirmer und seinem Werk

 

Biografisches zu Bernd Schirmer

Bernd Schirmer wurde am 23. Februar 1940 in Leipzig als Sohn eines Lehrers und einer Köchin geboren. Er verbrachte seine Kindheit und Jugend in Scheibenberg im Erzgebirge (Sachsen). 1958 legte er sein Abitur ab, danach absolvierte er einen zweijährigen Dienst in der Nationalen Volksarmee (NVA). Von 1961-1965 studierte er Germanistik und Anglistik an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Ab 1965 bis 1968 arbeitete er als Hörspieldramaturg in Berlin. In den Jahren 1969-1972 war er als Deutschdozent an der Universität Algier in Algerien und von 1973-1991 als Dramaturg beim Deutschen Fernsehfunk in Berlin tätig. Zum Zeitpunkt des Mauerfalls war Schirmer 49 Jahre alt. Seit 1992 arbeitet er als freiberuflicher Autor. Außerdem ist er Mitglied des P.E.N.-Zentrums Deutschland, des Verbands Deutscher Drehbuchautoren und des Verwaltungsrats der VG Wort. Heute wohnt Bernd Schirmer in Waldesruh bei Berlin. In der DDR galt Schirmer nicht als Bestsellerautor (von jedem seiner Werke wurden in DDR ca. 20.000 Exemplare verkauft).

Einige seiner Werke sind Sindbads Mütze (1980), Schlehweins Giraffe (1992), Cahlenberg (1994), Der letzte Sommer der Indianer (2005) oder Silberblick (2017). Als Dramaturg wirkte er unter anderem bei den Produktionen Hedda Gabler (1980) oder der Verfilmung von Bahnwärter Thiel (1982) mit.

 

Kontakt zum Autor

Herr Schirmer ist gern bereit, an Seminarsitzungen online teilzunehmen und mit Studenten zu sprechen.

E-Mail: b-schirmer@gmx.de

Webseite: http://www.berndschirmer.de/

 

Primärliteratur von Bernd Schirmer

Prosa

Wo Moths wohnt. Erzählungen. Halle: Mitteldeutscher Verlag, 1973.

Doktorspiel. Roman. Halle: Mitteldeutscher Verlag, 1976.

Sindbads Mütze. Erzählungen. Halle: Mitteldeutscher Verlag, 1980.

Die Hand der Fatima auf meiner Schulter. Algerische Reisebilder. Halle: Mitteldeutscher Verlag, 1984.

Fensterplatz in Japan. Bilder einer Reise. Halle: Mitteldeutscher Verlag, 1989.

Der Große Eisfresser. Kinderbuch. Berlin: Altberliner Verlag, 1991.

Schlehweins Giraffe. Roman. Frankfurt/Main: Eichborn Verlag,1992, Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1994, Berlin: Edition Schwarzdruck, 2000.

Cahlenberg. Roman. Leipzig: Connewitzer Verlagsbuchhandlung, 1994.

Der Holzwurm und der König. Ein Märchen. Berlin: Edition Schwarzdruck, 2004.

Der letzte Sommer der Indianer. Roman. Berlin: Eulenspiegel Verlag, 2005.

Auszeit in Neapel: Eine Liebesgeschichte. Berlin: Edition Schwarzdruck, 2010.

Silberblick. Roman. Leipzig: Connewitzer Verlagsbuchhandlung, 2017.

Das leise Ticken der Sonnenuhr. Erzählungen. Berlin: Edition Schwarzdruck, 2020.

 

Theater

Ein Stuhl bleibt leer. 1979

Weinverkostung. Komödie. 1993

Kellertheater. Komödie. 1998

 

Hörspiele

Windstärke 13. 1966

Christian Kleeberg. 1970

Mitten in der Woche. 1974

Disco mit Einlage. 1975

Der Patentschlüssel. 1976

Ein Stuhl bleibt leer. 1977

Der schönste Tag meines Lebens. 1979

Der kleine König. 1981

Fahrschule. 1983

Das hölzerne Schloß. Kinderhörspiel. 1985

Gemischtes Doppel. 1991

Weinverkostung. 1992

 

Herausgaben

Erkundungen. 1973

Brot und Salz. 1982

Das Wunder von Wien. 1987

 

Fernsehen

Disco mit Einlage. Fernsehspiel. 1978

Nach Jahr und Tag. Fernsehfilm. 1978

Der schönste Tag meines Lebens. Fernsehspiel. 1983

Narrenweisheit. Zweiteiliger Fernsehfilm. 1989

Das hölzerne Schloß. Fernsehfilm. 1990

Tandem. Fernsehfilm. 1992

Viel Spaß mit meiner Frau. Fernsehfilm. 1997

Der Landarzt. Fernsehserie. 1994-2003

 

Film

Fahrschule. Spielfilm. 1986

Rückkehr aus der Wüste. Spielfilm. 1990

 

Sekundärliteratur zu Bernd Schirmer

Ehrlich, Lutz. „Der längste Hals der Wende“. In: taz 9. Okt. 1992, S. 27, online verfügbar unter: https://taz.de/!1649222/ (eingesehen am 22. Nov. 2022)

Fuchs, Mareen. Dazwischen – Between the GDR and a United Germany. Diss. New Brunswick, New Jersey, 2016.

Gansel, Carsten. „‚Ich war zu spät dran.‘ Gespräch mit Bernd Schirmer“. In: Gansel, Carsten: Literatur im Dialog. Gespräche mit Autorinnen und Autoren 1989-2014. Berlin: Verbrecher Verlag, 2015, S. 267-278.

Gerisch, Margot. „Bildentwürfe – Bildkorrekturen. Zu den Erzählungen Bernd Schirmers“. In: Weimarer Beiträge 31.2 (1985), S. 239-251.

Gerisch, Margot. „Gespräch mit Bernd Schirmer“. In: Weimarer Beiträge 31.2 (1985).

Grub, Frank Thomas. ‚Wende‘ und ‚Einheit‘ im Spiegel der deutschsprachigen Literatur. Ein Handbuch. 2 Bde. Berlin: De Gruyter, 2003, S. 110.

Schütt, Hans-Dieter. „Ein Autor der Freundlichkeit. Ein Gespräch mit Bernd Schirmer“. In: Film und Fernsehen 8 (1982).

Twark, Jill. „So larmoyant sind sie im Osten gar nicht. Gespräch mit Bernd Schirmer“. In: GDR Bulletin 26.1 (1999).

Twark, Jill. „‚Ko … Ko … Konolialismus, said the giraffe: Humorous and Satirical Responses to German Unification.“ In: Costabile-Heming, Carol Anne / Halvetson, Rachel J. / Foel, Kristie A. (Ed.): Textual Responses to German Unification. Processing Historical and Social Change in Literature and Film. Berlin / New York: de Gruyter, 2001, S. 151-169.

Twark, Jill. „The Comic Survivor: Self-Irony and Defensiveness in the Post-Wende Transition“. In: Twark, Jill. Humor, Satire and Identiy, Berlin: de Gruyter, 2007, S. 25-71.

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Dec 29 2022

„Von der Erfahrung zur Erinnerung – Wenderomane im Wandel.“ (Nachdruck)

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von Janine Ludwig (reprint)

 

Bernd Schirmer hat im Laufe eines Vierteljahrhunderts mehrere Wenderomane verfasst: In den 1980er-Jahren schrieb er Cahlenberg (1994), 1992 in kurzer Zeit Schlehweins Giraffe, in den 2000er-Jahren Der letzte Sommer der Indianer (2005) und dann zehn Jahre lang an dem vorerst letzten: Silberblick (2017). Im Vergleich dieser Werke lässt sich herausarbeiten, wie sich mit dem Vergehen von Zeit der erzählerische Blick bzw. der Fokus auf die Ereignisse ändert, und zwar inhaltlich, bezogen auf die umfasste Zeitspanne der erzählten Zeit, wie auch formal-ästhetisch, also im Einsatz von Erzähltechniken und Erzählerposition. Während der erste Roman, Cahlenberg, direkt aus der Zeit heraus die Ahnung anbrechender Veränderungen in der DDR atmet, erzählt der zweite von den Umbruchserfahrungen im Zuge der deutschen Wiedervereinigung, mit eingeschobenen Rückblicken auf die Zeit davor. Der dritte beschreibt einen multiperspektivischen Liebes- und Bruderkampf zwischen Ost und West im gerade wiedervereinigten Land und endet mit einem Epilog, der diese Zwistigkeiten in das Reich alter Legenden verweist. Der vierte spielt wieder größtenteils in der DDR und beschwört die Erinnerung an eine tote Jugendliebe herauf. Man kann quasi beobachten, wie historische Erfahrung zu Erinnerung gerinnt.

 

1. Die Wende erleben und erinnern
2. Cahlenberg – gelebte Erfahrung und Vorausahnung
3. Schlehweins Giraffe – Umbruchserfahrungen der (Nach-)Wendezeit
4. Der letzte Sommer der Indianer – verschachtelte Erinnerung an Umbruchserfahrungen
5. Silberblick – gelebte Erinnerung und abschließender Rückblick
6. Überblick, Vergleich und Schlussbemerkungen

 

1. Die Wende erleben und erinnern

Carsten Gansel (Gansel 2010a: 13; Kursivschreibungen im Original) fasst den Forschungsstand zu Fragen kulturwissenschaftlicher Gedächtnisforschung dergestalt zusammen, „dass Literatur erstens ein Medium ist, über das in Form von narrativen Inszenierungen individuelle und generationenspezifische Erinnerungen für das kollektive Gedächtnis bereitgestellt werden“, und dass deshalb diese Inszenierungen etwas über die „Prozesse der Gedächtnisbildung“ aussagen können. Zweitens, so Gansel weiter, werden in literarischen Texten diese kollektiven Formen von Erinnerungen „gewissermaßen ‚abgebildet‘ und damit wiederum beobachtbar“. Deshalb wird hier ein Vergleich von vier Werken desselben Autors mit Blick darauf angestrebt, wie sich Form und Fokus von Erinnerung und Gedächtnis im Laufe der Jahre verschieben und jeweils distinkt verschiedene Erzählstrategien oder „narrative Inszenierungen“ hervorbringen. Damit kann letztlich sogar näherungsweise etwas über die Entstehung und den Wandel kollektiver ostdeutscher Narrative und Identitätskonstruktionen ausgesagt werden, weil Schirmer meist die jeweiligen zeitgenössischen Diskurse im Erzählen mitreflektiert.

Nach dem Ende der DDR und der deutschen Teilung bezog sich die ‚Erinnerungsarbeit‘ in der deutschen Literatur auf drei wesentliche Felder oder Phasen: erstens erfolgte eine Neuaufnahme teilweise lange ausgeblendeter oder abgeschlossener Erinnerungen, etwa an den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust, Flucht und Vertreibung (Gansel 2010b: 19); zweitens dominierten die unzähligen Rückblicke auf die untergegangene DDR, die unter die hochproblematischen Stichworte ‚Aufarbeitung der Vergangenheit‘ oder ‚Vergangenheitsbewältigung‘ subsumiert wurden. Zeitgleich entstand jedoch, hauptsächlich in den 1990er-Jahren, ein drittes Feld, nämlich die Dokumentation ostdeutscher Erfahrungen der Wendezeit und der folgenden Jahre, die mit gewaltigen Umbrüchen und gesellschaftlichen Transformationen einhergingen, also ‚Wendeliteratur‘[1] im engeren Sinne. Der eben etwas unscharf verwendete Begriff ‚Dokumentation‘ deutet schon an, dass diese Texte zunächst quasi ‚aus der Zeit heraus‘ entstanden und eben nicht schon beim Verfassen etwas bereits Abgeschlossenes, zu Erinnerndes behandelten – dies konnte logischerweise erst nach mehreren Jahren konzipiert werden. Solchen Texten sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, als es oft der Fall ist – denn gleichwohl das Feuilleton der frühen 90er-Jahre unablässig nach dem großen Wenderoman verlangte, wurden viele tatsächlich vorgelegte Bücher kaum rezipiert oder kanonisiert (mit Ausnahme von Thomas Brussigs Helden wie wir, Ingo Schulzes Neue Leben und Uwe Tellkamps Der Turm, mit Abstrichen noch Jens Sparschuhs Zimmerspringbrunnen oder Kerstin Hensels Tanz am Kanal).

Warum sind diese Bücher als Gedächtnisräume wichtig? Nun, zum 30-jährigen Jubiläum von Wende und Einheit wurde viel über die Besonderheiten der ostdeutschen Mentalität und Identität sinniert, meist unter dem Blickwinkel des ‚Anderen‘, also vom westlichen Muster abweichenden, zumal angesichts eines atypischen Wahlverhaltens. Oft wurde dies abschätzig mit einer Art ‚Deformation durch die Diktaturerfahrung‘ oder einer angeblich nicht gelernten Demokratiefähigkeit begründet. Nur selten trat die Einsicht auf, dass für viele ehemalige DDR-Bürger, besonders der jüngsten Generation, die Erlebnisse der Wende- und Nachwendezeit mindestens genauso prägend waren wie das zuvor gelebte Leben in der DDR. Viele maßgebliche Erfahrungen entstanden in dieser Zeit, auch bedauerliche, wie das Minderwertigkeitsgefühl mancher, sich als ‚Bürger zweiter Klasse‘ zu fühlen, oder negative Narrative, etwa einer sogenannten ‚Übernahme‘ oder ‚Kolonisierung‘ durch den Westen. Weit weniger reflektiert wurden und werden gewonnene Kompetenzen aus den Transformationserfahrungen und -leistungen, die die Ostdeutschen in den 90er-Jahren erbracht haben und die sie instand setzten, einen souveränen Blick auf die Jetztzeit zu entwickeln: allein aus der Erfahrung und dem Wissen heraus, dass die Welt keineswegs immer so war oder sein muss, wie sie gerade ist, also dass man ein Geschichtsverständnis von Vergangenheit und Zukunft entwickeln kann, welches über das hinausgeht, was Heiner Müller „die totale Besetzung mit Gegenwart“ genannt hat (Müller 2008: 375). Deshalb ist es aufschlussreich, sich mit Wenderomanen zu beschäftigen. Dies insbesondere im Vergleich der frühen, aus der gelebten Erfahrung heraus entstandenen, und der heutigen, sozusagen im Modus der erlebten Erinnerung geschriebenen Literatur.

 

2. Cahlenberg – gelebte Erfahrung und Vorausahnung

Die Handlung des Romans wird aus der autodiegetischen Perspektive des Journalisten Richard Ostricharz erzählt und spielt im Jahr 1988/89 in der DDR. Ostricharz hat seine Stelle bei der Zeitung verloren, weil er sich über die erzwungene euphemistische, realitätsblinde, ja verlogene Berichterstattung echauffiert hatte (Schirmer 1994a[2]: 36, 56- 63). Ein Professor namens Sommerfeld verschafft ihm eine Doktorandenstelle, damit er eine Dissertation über den „Einfluß des Gedankenguts von Jean-Jacques Rousseau auf die Bewegung der Grünen unter besonderer Berücksichtigung seines Naturbegriffs“ schreibe. Doch anstatt dies zu tun, nutzt er seine Zeit im Lesesaal der Bibliothek, um das hier vorliegende Textkonvolut zu verfassen. Er ist Figuren-Ich (homodiegetisch) und Autor-Ich (autodiegetisch), also Erzähler, Autor und Hauptfigur in einem.

Sein Text hat zwei Ebenen. Auf der einen beschreibt er realistisch die krisenhaften Zustände in seinem Land und die Ereignisse, Feiern und Gespräche in seinem Freundeskreis, zu dem unter anderem gehören: seine ihm entfremdete Frau Gisela, der Außenhandelsvertreter Thierfelder, der zynische, dissidentische Theatermacher Clawohn und der regimetreue Birr nebst Ehefrau. Dabei zeichnet er das Bild einer Gesellschaft im Zustand der Stagnation und des Zerfalls, jedoch auch eines sich andeutenden Rumorens und möglichen Wandels. Seine eigene Kritik und rousseauistische Erklärung für das Scheitern des Sozialismus beschreibt er im Doktorandenseminar: „Der Sozialismus habe den Kapitalismus nur nachgeahmt, wenngleich höchst dilettantisch. Und ohne ihn annähernd zu erreichen. Er habe nichts Eigenes entgegengesetzt. Er habe genausoviel Natur zerstört wie die alte Ordnung, wenn nicht mehr“ (CB: 171). Seine Überlegungen gipfeln in der These,

die Rückkehr zur Natur sei zwar vielleicht nicht möglich, aber sie sei absolut notwendig. […] Falls die Menschheit überleben wolle, müsse der Fortschritt radikal verlangsamt werden, vor allem in den hochentwickelten Ländern, und eine strikte Einschränkung des Konsums und der Bedürfnisse sei die unabdingbare Grundvoraussetzung dafür. (CB: 170f.)

Einen solchen „Naturzustand“ nach Rousseau und dessen Bedürfnistheorie malt er sich in der zweiten, fiktiven Ebene seiner Erzählung anhand des mysteriösen Ortes (bzw. Nicht-Ortes, ou-topos) Cahlenberg aus, was Gerüchten zufolge ein Aussteigerdorf im Brandenburgischen sein soll. Er stellt sich vor, wie Maria, die verschwundene Ehefrau Thierfelders, in die sowohl er als auch Clawohn verliebt sind, in dieses Dorf gezogen ist, und was sie dort für ein entbehrungsreiches, schlichtes, jedoch sinnstiftendes Leben führen mag. Die viel naheliegendere Möglichkeit, dass sie, wie so Viele, in die Bundesrepublik ausgereist ist, erwägt er zwar, möchte sie jedoch nicht akzeptieren, zumal ihn ein Forschungsbesuch in Westberlin eher abschreckt.

Die vom Ich-Erzähler in elegischem Tonfall imaginierte Utopie trägt Züge sowohl einer Hippiekommune als auch urchristlicher oder urkommunistischer Gemeinschaften und wird von ihm verteidigt, obwohl er um ihre Schwächen wie Unmöglichkeiten weiß: keine Medizin, keine Kinder, Konformismus und soziale Kontrolle (CB: 99): „Cahlenberg, sagte er, ist eine Idylle, rückwärtsgewandt, fortschrittsfeindlich und praktisch undurchführbar. Trotzdem, sagte ich, trotz allem.“ „Cahlenberg ist das andere. Cahlenberg ist die Sehnsucht. […] Cahlenberg ist ein Versuch. Cahlenberg ist der letzte Versuch“ (CB: 55, 6).

Durch den Fokus auf die Umweltproblematik und den zivilisations-, moderne- und kapitalismuskritischen Grundtenor des Romans bestätigt Schirmer die in der Literaturwissenschaft etablierte „Konvergenzthese“, der zufolge sich die literarischen Felder beider deutscher Staaten ab den späten 1970er-Jahren wieder angenähert und ähnliche Themen behandelt haben. Deshalb ist es eigentlich verwunderlich, dass die Figur Ostricharz zu dem Schluss gelangt, die westlichen Grünen hätten mit Rousseau und seinen Theorien, vom Antikapitalismus und der Eigentumsfrage (Diskurs über die Ungleichheit) bis hin zum ‚Zurück zur Natur‘ herzlich wenig zu tun, obwohl es doch realiter im ökologischen Milieu der Bundesrepublik durchaus solche Aussteigerkommunen gab. Zugleich kommentiert Schirmer eine zeitgleiche Tendenz der DDR-Literatur, den angestrebten ‚wahren‘ Sozialismus vom realexistierenden zu trennen und die zu bewahrende Utopie in eskapistischen, auf dem Land zurückgezogenen Freundeskreisen zu schildern, wofür Christa Wolf mit Sommerstück und der Kommune am Skamander in Kassandra berühmte Beispiele gab. Dieses irreale Festhalten Intellektueller an der Utopie führte zu einer veritablen Enttäuschung, als die Wende, an deren Spitze sie anfangs durchaus noch standen und die sie als letzte Möglichkeit begriffen, den Sozialismus doch noch einmal neu und ‚richtig‘ aufzubauen, von Seiten der Bevölkerung rasch in eine andere Richtung, hin zur Übernahme des kapitalistischen Systems ging.

Der im Roman ausgestellte Schreibvorgang [3] und auch die subjektive Erzählposition tragen einerseits Züge realistischen Erzählens, denn Ostricharz fungiert als Chronist der sich abzeichnenden Veränderungen – als beschleiche ihn schon eine Vorahnung, dass für die Nachwelt festgehalten werden müsse, was hier an Merkwürdigkeiten passiert. Andererseits tritt er als rein fiktionaler Erfinder der Cahlenberg-Passagen auf und problematisiert seine eigene Erzählerfunktion (erfüllt also Merkmale unzuverlässigen Erinnerns und somit des Erinnerungsromans laut Gansel 2010a: 28), indem er zugibt:

Da ich nur auf meine schwache Erinnerung angewiesen bin, will ich nicht den Versuch unternehmen, den Brief in Gänze zu rekonstruieren. Ich kann nur Eindrücke wiedergeben, Bruchstücke, und ich kann mich nicht dafür verbürgen, daß ich nicht eigene Erfahrungen, eigene Gedanken hineinprojiziere, seit wir so häufig und so hitzig über Cahlenberg gesprochen haben. (CB: 20)

Die Entstehungsgeschichte und das Schicksal dieses Romans sind paradigmatisch für die Konstruktion eines kollektiven Gedächtnisses mittels Inklusion und Exklusion von Material: Schirmer schrieb an dem Text seit Anfang der 1980er-Jahre und präsentierte Auszüge am 1.7.89 im Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, wo er den größten Publikumserfolg erzielte und von der Jury das Stipendium der Verlage erhielt. Hätte er den Roman zu dem Zeitpunkt beziehungsweise noch vor dem Wendeherbst veröffentlicht, hätte er sich große Chancen auf einen Bestseller und persönlichen Ruhm ausrechnen können. Doch da er es erst Ende des Jahres fertigstellte, wurde seine prophetische Vorwegnahme der Wende von den realen Ereignissen überholt. Die zehn westdeutschen Verlage, mit denen Schirmer in Verhandlungen gewesen war, hatten plötzlich kein Interesse mehr, und da das Verlagswesen der DDR zusammenbrach, konnte er den Text zunächst gar nicht veröffentlichen. Er erschien erst 1994 in einem kleinen Leipziger Verlag und wurde mit etwa 500 verkauften Exemplaren kaum wahrgenommen. Insofern wirft diese Publikationsgeschichte ein bedenkenswertes Licht auf die gesellschaftlich-politischen Kanonisierungsprozesse eines kulturellen Gedächtnisses, vor allem hinsichtlich der sich gegenseitig beeinflussenden literarischen Felder beider deutscher Staaten bis 1989, nämlich der Bevorzugung dissidentischer Texte in der Bundesrepublik wie auch der besonderen Rezeption verbotener westlicher Literatur in der DDR. Zudem stellt sich die Frage, wie viele Texte womöglich aufgrund arbiträrer, kontingenter Entstehungsumstände nie eine Verbreitung in der Öffentlichkeit erfuhren und von der gezielten Konstruktion eines kollektiven Gedächtnisses ausgeschlossen wurden.

 

3. Schlehweins Giraffe – Umbruchserfahrungen der (Nach-)Wendezeit

Dieser Text, der alle Merkmale eines Erinnerungsromans erfüllt, spielt in Ostberlin und ist aufgeteilt in eine Rahmenhandlung beziehungsweise Basiserzählung, die von der zweiten Jahreshälfte 1990 bis Ende 1991 reicht, und darin eingeschobene chronologische Analepsen über die DDR-Zeit seit den 70er-Jahren. Der namenlose, autodiegetische Ich-Erzähler, ein arbeitsloser Germanist, schildert seine völlig veränderten Lebensumstände und die seines ebenfalls in Arbeitslosigkeit gerutschten Freundeskreises, der aus prototypischen Figuren der untergegangenen DDR besteht: Da wären der regimetreue Bröckle, Experte für Revolutionen, dessen Gewissheiten bröckeln und dessen jüngere Frau Lydia (mit dem Ich-Erzähler) fremdgeht; der Meteorologe Hasselblatt, der Döner verkauft; der verbitterte Archivar Kleingrube, der sich auf die ‚Aufarbeitung der Vergangenheit‘ fixiert und überall Verantwortliche sowie Mitläufer des Systems entlarven will; der verschwundene ehemalige Dissident Schlehwein sowie Kristina, die Ex-Frau des Erzählers, die ihn vor Einsetzen der Basiserzählung zum dritten Mal verlassen hat – ein Verlust, der schwerer wiegt als der des Landes. Sie alle bilden ein amüsantes, ironisiertes Panoptikum von Umgehensweisen des Sich-Durch-schlagens oder Sich-Anpassens an die neue Zeit, die darin gipfelt, dass ausgerechnet Bröckle in der Lotterie gewinnt (oder vom beiseite geschafften Parteivermögen der SED profitiert) und damit eine Kneipe namens „Zur Alten DDR“ eröffnet – eine Vorwegnahme des spätere Ostalgie-Phänomens.

Im Mittelpunkt steht die fantastische, groteske Figur einer Giraffe, die Schlehwein vor der Schlachtung in einem abgewickelten Zoo gerettet und in der hohen Parterrewohnung seines Freundes im Prenzlauer Berg abgestellt hat. Ihr stumpfer, verständnisloser Blick auf ihre neue Umgebung spiegelt überspitzt den ratlosen Blick des Erzählers auf die neue Zeit. Sie kann auch symbolisch für die Ostdeutschen insgesamt stehen, die nach einem quasi geschützten Leben in der Umzäunung nun in die Freiheit entlassen worden und einer möglichen Überforderung ausgesetzt sind.[4] Sie symbolisiert zugleich die Absurditäten eines völlig auf den Kopf gestellten Lebens, in dem alles möglich scheint, selbst eine Giraffe als Haustier. („Es wundert sich keiner mehr über irgendwas“ Schirmer 1994b[5]: 29.) Da die Giraffe nach Meinung des Erzählers angeblich sprechen und zuhören kann, sucht er den Dialog mit ihr, doch da sie eigentlich kaum redet, gerät dieser zum Selbstgespräch des Erzählers, das sich in der Niederschrift der vorliegenden Geschichte niederschlägt. „Ich muß einfach erzählen“ (SchG: 55).

Dies macht den fürchterlich unambitionierten Germanisten und Kommasetzer, der zuletzt bei der SERO (VEB Kombinat Sekundär-Rohstofferfassung) gearbeitet hatte, zu einem verhinderten Schriftsteller und damit mehr als nur äußerlich zum Alter Ego einer weiteren Figur, die als sein Doppelgänger vorgestellt wird: der Schriftsteller Ralph B. Schneiderheinze. Diese Figur ist zugleich ein Alter Ego des Autors Schirmer, der an ihr einen ironischen, selbstreferentiellen Verweis auf Cahlenberg eingebaut hat (beides gegenüber der Verfasserin persönlich bestätigt):

Eine Wende musste kommen, und er wollte mit seinem Buch die Wende vorbereiten. Er schrieb und schrieb, atemlos, hektisch. Aber die Wende kam schneller, als er schreiben konnte, um die Wende vorzubereiten. Am liebsten wäre es ihm gewesen, es wäre, so sehr er die Wende auch herbeisehnte, langsamer gegangen mit ihr, damit er sie noch gebührend hätte vorbereiten können mit seinem Buch. Aber ehe er auch nur andeutete, daß es knisterte im Gebälk, zerfiel schon alles. […] Es ging alles schneller, als es einer wie Ralf B. Schneiderheinze schreiben kann. Wer zu spät kommt mit seinem Buch, den bestraft die Zeitung. (SchG: 45)

Die Schriftsteller-Figur transportiert zudem eine gesellschaftsreflexive Referenz, indem er im Kulturhaus aus seinem neuesten Werk liest. Es handelt sich um ein Märchen von einem schüchternen Mädchen aus kleinen Verhältnissen, das von einem „etwas angefetteten“ (SchG: 115), reichen Prinzen mit Schlössern und Glasperlen gelockt und gefreit wird. Doch die lieblose Ehe entpuppt sich als eine Unterwerfung und Entwürdigung, denn die Braut verliert ihre Ehre, ihren Stolz und jeden positiven Bezug zu ihrer Vergangenheit; sie muss sich in allem dem dominanten Ehemann anpassen. Das macht sie trotzig und verbittert; schließlich tötet sie ihn dreifach (SchG: 115f.). Die Episode lässt sich unschwer als Parabel auf die Wiedervereinigung und die wachsende Unzufriedenheit der Ostdeutschen lesen, denn das Narrativ von einer Hochzeit zwischen der armen Braut DDR und dem potenten Bräutigam BRD geisterte zu dieser Zeit tatsächlich im öffentlichen Diskurs herum. Schirmer kontextualisiert es jedoch nicht-affirmativ: Bei der Lesung ist niemand anwesend außer unserem Erzähler, der Schneiderheinze bemitleidet. Zugleich wird hier das Narrativ der ‚westlichen Übernahme‘ zitiert, welches auch die Giraffe bekräftigt, die immerzu von Kolonialismus redet – doch auch dies wiederum ironisch gebrochen, denn sie kann das Wort nicht richtig aussprechen und sagt „Konolialismus“ (SchG: 5). Auf diese Weise leistet Schirmer mit seinem Text nicht nur einen Beitrag zur Erinnerungskultur, sondern schreibt sich auf einer Metaebene auch kritisch in den Diskurs um Konstruktion und Erarbeitung eines kulturellen Gedächtnisses und gesellschaftlicher Narrative ein.

Von besonderer Bedeutung für das Thema des kulturellen Gedächtnisprozesses ist Schirmers Behandlung des Mauerfalls. Es ist hochinteressant, dass ein erheblicher Teil der Wendeliteratur die Beschreibung dieses historischen Ereignisses (oder der Wende überhaupt) ausspart und nur indirekt oder lakonisch am Rande darauf verweist. Dies lässt sich leicht mit der schieren Größe dieses Jahrhundertereignisses erklären, das sich einer Beschreibung geradezu entzieht, zumal jedes subjektive Erleben dieser Nacht nur einen Mosaikstein in der Erfahrung von Millionen darstellt und sich eine Festlegung daher verbietet. Es gibt nur wenige Ereignisse von solchem Stellenwert, vielleicht eines für jede Generation, erkennbar an der jeweils typischen Frage: Wo warst du, als JFK erschossen wurde? Was hast du gedacht, als die Amerikaner auf dem Mond gelandet sind? Wo warst du, als die Mauer fiel? Was hast du gemacht, als die Türme des World Trade Centers einstürzten?

Schirmer geht mit dieser Herausforderung elegant um, indem er seinen Erzähler in doppelter Distanzierung berichten lässt: Zunächst knapp und ironisch: „Kristina, die Mauer ist weg. Sie gähnte. Und wo ist sie hin?“ (SchG: 73). Dann schildert er die Nacht als eine Art Traumgespinst, denn die gerade geweckte Kristina läuft in Morgenmantel und Pantoffeln mit ihm zur Mauer, und als sie erwacht, sagt sie, sie habe einen schönen Traum gehabt. Zudem hat sie einen Pantoffel verloren, was der Sache mit dem Verweis auf Aschenputtel zusätzlich eine märchenhafte Note gibt. Vor allem aber sichert sich Schirmer mit dem erzählerischen Kniff ab, dass die ursprüngliche, erste Niederschrift seines Erzählers von der Giraffe aufgefressen wurde:

Es war das Beste, was ich je geschrieben habe, alles sehr plastisch und in einem schönen, flüssigen Stil. Aber was man einmal geschrieben hat, kann man nicht noch einmal so schreiben. Es sind die Feinheiten, die Nuancen, die nicht zu wiederholen sind. Ich kann mich nur noch schwer daran erinnern, wie ich mich erinnert habe. (SchG: 73)

So verweist Schirmer präzise auf ein grundsätzliches Problem des privaten wie kulturellen Erinnerns, dass nämlich mit jeder Wiederholung die ursprüngliche Erfahrung verändert, verfälscht, verdichtet, um Widersprüche bereinigt und quasi wie ein Kieselstein im Wasser abgeschliffen wird zu etwas, was im schlimmsten Fall zum flachen Klischee geraten kann. Sicher ist diese Gefahr besonders groß bei Wende und Mauerfall, durch die mediale, visuelle Verarbeitung und Wiederaufbereitung in sich wiederholenden Zyklen. Wer kennt sie nicht, die immer gleichen Bilder, sie sich tief in das kulturelle Gedächtnis eingebrannt und mitunter sogar die persönliche Erinnerung überlagert haben: Schabowski und sein Zettel, sofort, unverzüglich; auf der Mauer jubelnde Menschen; hupende Autos auf dem Kudamm; das ständig wiederholte ‚Wahnsinn!‘, die aufgebrachte Frau, die die betreten ins Leere stierenden Grenzbeamten anschreit, ‚ich war noch nie da drüben!‘ usw.

Schirmers Erzähltechnik verweist auf alle fünf von Astrid Erll unterschiedenen Modi der „Rhetorik des kollektiven Gedächtnisses“ (Erll 2005: 168): Den „erfahrungshaftigen“ bedient er in der Schilderung des Nachwendealltags, der durch eingestreute Hinweise auf historische Ereignisse wie Währungsreform, neue Regierung etc. authentifiziert wird, den „monumentalen“ umschifft er angesichts des Mauerfalls, einen „historisierenden“ karikiert er anhand von Bröckles Revolutionstheorien. Den „antagonistischen“ Modus bespielt er durch sein gesamtes Figurenpanoptikum, im Dissens des Erzählers mit dem gutmütigen, aber in Ost-Klischees denkenden bayerischen Onkel Alfred, der ihn nachträglich zum Systemopfer machen will (SchG: 78-81), und schließlich bespielhaft im Streit des Erzählers mit Kleingrube, dessen manischer Detektivarbeit er entgegenhält, es hätten doch letztlich alle mehr oder weniger, jeder auf seine Weise, mitgemacht (SchG: 40, 66, 110). Einen „reflexiven Modus“[6], ja selbstreflexiven, erfüllt er besonders in den eben beschriebenen Schneiderheinze-Episoden. Dass dieses kleine und vergnügliche, aber komplexe Buch in keinem Kanon vorkommt, ist unerklärlich.

 

4. Der letzte Sommer der Indianer – verschachtelte Erinnerung an Umbruchserfahrungen

Diesem Roman merkt man sofort an, dass er auf einem tatsächlich existierenden Drehbuch basiert, denn Schirmer verwendet hier eine neue Erzähltechnik, nämlich ein multiperspektivisches Erzählmosaik als Dokumentarfilm-Montage: Eine Gruppe Ostdeutscher erzählt ohne jede Einführung aus ihrer jeweiligen Ich-Perspektive von den ein paar Monate zurückliegenden Ereignissen der Wendezeit. Die Regisseurin ist eine Skandinavierin namens Gylfe Gyftel, die mit einem wohlgesonnenen ethnografischen Blick diese in ihren Augen faszinierenden Menschen studiert. Es gibt keine Basiserzählung in der Gegenwart, sondern nur unvermittelt einsetzende ‚spätere Narration‘ im Präteritum mit einigen proleptischen Kommentaren – und da die Geschichte rückblickend erzählt/erinnert wird, liegen zwischen den Erzählpositionen und dem Erlebten Zeit, Erfahrung und teilweise eine bereits herausgebildete Haltung. Zudem entsteht dadurch, dass man die Geschichten für die Kamera ‚vorspricht‘, eine narrative Brechung, indem z. B. einige ‚Ossis‘ sich selbst und ihr DDR-Leben in Romantisierungen stilisieren oder eine gesellschaftlich erwünschte Unterdrückungsrhetorik bedienen (Schirmer 2005[7]: 89). Durch die Bannung auf Zelluloid (wobei noch unklar ist, ob es ein Dokumentarfilm wird oder ein fiktionaler Spielfilm; SI: 209 – auch Fragen der Deutungshoheit klingen an) ist eine Historisierung des Gezeigten dieser Geschichte unweigerlich eingeschrieben. Schirmer verweist damit auf die zunehmende Tendenz, Geschichte nicht mehr über Literatur, sondern über das Medium Film zu vermitteln.

All dies erschließt sich jedoch nicht sofort (wenn man den Prolog nicht genau studiert), weil die Interviewten sich in Indianermontur mit entsprechenden Namen, etwa Schwellende Knospe, Alter Rabe, Pfeifender Atem, Einsamer Wolf usw., vorstellen. Erst sukzessive erklärt sich, dass es sich um eine Gruppe von sächsischen Freunden handelt, die in der DDR einen Indianerverein gegründet und jeden Sommer in Tipis, mit Pferden und allen Utensilien auf der Grünen Aue an der Elbe verbracht und Poww-Wowws abgehalten haben. Solche Indianergruppen[8] hat es tatsächlich gegeben; Der Spiegel nannte sie eine „ökoromantische Gegenbewegung zum staatlich verordneten Dasein“[9].

Zugleich wird auf einer metaphorischen Ebene das Ost-West-Thema augenzwinkernd als Verteidigungskampf der Indianer gegen die Cowboys inszeniert, jedoch wieder, ohne dem mittlerweile verbreiteten ‚Kolonialismusnarrativ‘ zu erliegen. So beginnt der Roman mit einer ironischen Inversion dieses Narrativs, nämlich damit, dass die Indianer am Tag nach dem Mauerfall beritten und in Tracht mit großem Tohuwabohu in eine beschauliche Kleinstadt im Fränkischen ‚einfallen‘, wodurch auch die Perspektive der westdeutschen Städte in Grenznähe, die über Monate hin jedes Wochenende von Busladungen und Trabant-Karawanen von Ostdeutschen ‚heimgesucht‘ wurden, Erwähnung findet. Letztlich werden kulturelle Unterschiede und Verständnisschwierigkeiten anhand der Metapher Rothaut vs. Weißer Mann verhandelt, und zwar als genau die (romantisierten) Klischees, die sie sind: ,Ossis‘ als angeblich aus einer quasi präzivilisatorischen Zeit stammend, unberührt von den Segnungen der Technik und Industrie, mit altehrwürdigen Werten und Zusammenhalt im Stamme, ungewohnter Sprache und Gebräuchen, die ,Wessi-Cowboys‘ als breitbeinig auftretende, joviale, aber gutmütige Kraftmenschen. Durch die Analogie der Westwerdung des Ostens zum Modernisierungskampf auf dem amerikanischen Kontinent wird die DDR-Zeit in eine längst vergangene (und verklärte) Urzeit gerückt. Im Mittelpunkt stehen zunächst die Ereignisse der zweiten Zeitebene (also bereits nach der DDR-Normalität, die kaum vorkommt) vom Herbst ‘89 bis zum Frühjahr ‘90.

Auf der Handlungsebene dreht sich die Geschichte um ein Liebesdreieck aus dem Ehepaar Maria und Christian Osterkamp (Wahtawah und Häuptling Grüner Pfeil) sowie Ludwig Wesphal (Einsamer Wolf), der einst selbst zur Gruppe gehört hatte, jedoch vor 17 Jahren über Nacht in die Bundesrepublik verschwunden war und nun als reicher Bierbrauer aus München zurückkehrt. Der Kampf der beiden Männer um Maria und vor allem um die Frage, wer damals den Osterkamp-Sohn Heiner gezeugt hat, gipfelt im Sommer 1990, als wieder die Indianerfestspiele abgehalten werden, in einer High-Noon-Situation und dem Raub der Squaw (SI: 226ff.). Verschärft wird der Konflikt noch dadurch, dass Wesphal, dessen Eltern einst das Land um die Grüne Aue gehört hatte und die enteignet worden waren, dieses nun zurückverlangt (Thema ‚Rückgabe vs. Entschädigung‘). Das ruft die ganze Indianergruppe auf den Plan und führt zu einer filmreifen Verfolgungsszene, in der die ‚Apachen‘ auf Pferden mit wildem Geheul Wesphals weißen Mercedes verfolgen, live gefilmt von Gyftels Team.

Die Erzählebene zu dieser dritten erzählten Zeit ist hier bereits eine vierte Zeitebene (nach DDR- und Wendezeit sowie Sommer 90), denn der zweite Teil des Textes, der Bericht über die Dreharbeiten, wird in der dritten Person erzählt aus der halb heterodiegetischen, jedoch nicht auktorialen Beobachterperspektive der Filmemacherin, die erst die ihr vermittelten Erzählungen wiedergibt und anschließend aus einer homodiegetischen Perspektive die dramatischen Ereignisse während des Filmdrehs schildert, bei denen sie in teilnehmender Beobachtung anwesend war. Leider geht das Filmmaterial dazu auf mysteriöse Weise verloren – und damit auch die Live-Bilder, die eine authentische Wiedergabe des Sommerkampfes um das Land geliefert hätten – wir müssen mit dem nachträglichen Bericht der Filmemacherin vorliebnehmen, von dem wir nicht wissen, in welcher Zeit und wem eigentlich sie erzählt werden. Ein Film ist nie entstanden.[10] Dieser komplexen narrativen Auffächerung fügt ein Epilog noch eine fünfte Ebene hinzu:

Es waren einige Jahre vergangen, die Indianer erzählten immer noch. Wenn sie sich zufällig auf der Straße trafen oder im Supermarkt, raunten sie sich die alten Geschichten zu. Oder wenn sie in den Kneipen saßen und das Wesphal-Bier tranken, das seit einiger Zeit auch in diesen Breiten gebraut wurde, schwelgten sie in ihren Erinnerungen. […] Sie konnten das alles nicht vergessen. Manchmal genügte ein einziges Wort, und sie brachen in Gelächter aus. Sie lachten Tränen. (SI: 252)

Die hier angedeutete versöhnliche Auflösung und ironische Brechung wird noch auf die Spitze getrieben durch das entstandene Gewerbegebiet auf dem einst umkämpften Land (in der Realität nannte man es in diesen Jahren ‚auf der grünen Wiese‘ gebaut). Hier hat neben „Teppich-Paradies“ und „Schuh-Paradies“ ein folkloristisches „Indianer-Paradies“ eröffnet, in welchem die ehemaligen DDR-Indianer für zahlendes Publikum gelegentlich ihre Kunststücke zum Besten geben und sogar die „Schlacht an der Grünen Aue“ nachspielen.[11] Bernd Schirmer hat also mit diesem Werk und dem Abstand von fast 15 Jahren eine weitere Stufe kollektiver Gedächtnisbildung und ihrer Kommentierung erreicht, in einem Modus, der in Erlls Auflistung gar nicht recht erfasst ist: sicher ein „reflexiver“ Modus, aber zudem ein ironisierender, Mythen- und Legendenbildung kommentierender und zugleich weiterspinnender; im Prinzip ein Meta-Roman.

 

5. Silberblick – gelebte Erinnerung und abschließender Rückblick

In diesem Roman wird bei dem homodiegetischen Ich-Erzähler Josef Birnbaum durch ein ungewöhnliches Ereignis – er glaubt, seine längst verstorbene Jugendliebe Anna gesehen zu haben – ein Erinnerungsprozess angeregt. Lange verdrängte, traumatische Ereignisse werden aus dem Speichergedächtnis ins Funktionsgedächtnis zurückgeholt. Die Basiserzählung im vereinten Deutschland, in der er alte Freunde aufsucht und Andenken aus Zigarrenkisten und Schuhkartons ausgräbt, ist klein gehalten im Vergleich zu den dadurch ausgelösten langen, chronologischen Erinnerungen von der Jugendzeit in den 60er-Jahren, als die Protagonisten in Leipzig Germanistik bzw. Romanistik oder Jura studiert hatten, bis 1990.

Anna ist französischer Abstammung, hat einen leichten Silberblick und gibt den drei gleichermaßen in sie verliebten Freunden Schlotheim, Clausberger und Birnbaum Französischunterricht. Alle träumen von Paris, was halb ein Ausbruchswunsch und halb eine Liebesvision ist. Doch nur Clausberger ist wirklich entschlossen, die DDR zu verlassen; er ergreift im Urlaub in Bulgarien die Chance zur Flucht und lässt seine Freunde zurück. Seitdem geht es auf dem Lebensweg des Protagonisten, vom Lehrer in einem Kaff im Oderbruch über eine Stelle beim ideologisch kontrollierten Radio in Berlin, eigentlich immer darum, wie weit er bereit ist, sich anzupassen an das bis ins Detail politisch überformte Lebensmodell und wieviel Freiräume er sich erhalten kann. Sein Freund Schlotheim stellt sich zunehmend gegen den Staat, wird als Lehrer entlassen und zur Strafe zur sogenannten ‚Bewährung in der Produktion‘ geschickt. Der hochrangige Funktionär Klawitter wird der neue dritte Freund und beider Vorgesetzter beim Radio. So rückt das Thema von Schillers Bürgschaft, die Freundschaft, inwiefern sie unter Druck bestehen, ob sie Vorrang vor tiefgreifenden ideologischen Differenzen haben kann, ins Zentrum des Romans. Doch sind die politischen Auseinandersetzungen nie aufgesetzt, sondern organisch eingeflochten in die Beschreibung dessen, was man ein ganz normales Leben nennen könnte.

In Gesprächen mit dem besten Freund seines im Krieg gefallenen Vaters wiederum gräbt sich Birnbaum sukzessive in noch tiefere Schichten von Vergangenheit hinein. Er erfährt, wie sein Vater im Dritten Reich widerwillig, aber widerstandslos mitgelaufen war, jedoch am Ende sich verweigert hatte und wegen eines Desertionsversuchs an der Front erschossen worden war. Der Vergleich mit seinem eigenen Opportunismus drängt sich Birnbaum auf. Auch die komplexe Familiengeschichte Annas wird von ihm aufgeklärt, als sie bereits im Sterben liegt. Ihr Sterbensprozess im Wendeherbst hält ihn da- von ab, die Ereignisse mehr als beiläufig zu verfolgen; ihr Tod vergällt ihm jede Freude an der Öffnung seines Landes. So werden viele Wendeereignisse erwähnt, der Mauerfall selbst jedoch ausgespart. Birnbaum beginnt zu schreiben (Schirmer 2017[12]: 301), vordergründig wieder eine Doktorarbeit, vielleicht aber auch bereits seine Lebensgeschichte. Er schildert die Umbrüche und Abwicklungen beim Radiosender, in deren Folge Schlotheim zum Hörspiel-Archivar degradiert wird und er zum Bibliothekar, der missliebige Bücher aussortieren muss. Der Ton wird ungewohnt bitter:

Ich komme nicht zurecht damit, dass auf einmal alles ganz anders gesehen wird. Und dass die Meinungen über Nacht ganz andere geworden sind. Kein Stein steht mehr auf dem anderen, und keine Gewissheit ist geblieben. Und neuerdings vergreift man sich sogar an der Geschichte und deutet sie neu. Mich wundert, dass dich das wundert, versetzte ich, das ist nun mal der tiefere und eigentliche Sinn der Geschichte: dass die Geschichte ständig und immer wieder umgeschrieben wird. (SB: 415)

Weiterhin beschwert sich der Erzähler: Außerdem „ging uns gegen den Strich, dass uns immerzu eingeredet wurde, dass wir nicht richtig gelebt hätten. Wir fanden die philosophische Sentenz ‚Es gibt kein richtiges Leben im falschen‘ eine grobe Verallgemeinerung“ (SB: 441f.).

Dieser Roman unterscheidet sich grundlegend von den vorherigen. Er ist nicht nur viel länger und umfasst einen längeren Zeitraum erzählter bzw. erinnerter Zeit, vom Zweiten Weltkrieg bis 1990, sondern spielt auch erstmals wieder fast ausschließlich in der DDR. Die denkbar knappe Rahmenhandlung ist buchstäblich eine Erzählklammer: Der kurze Einstieg enthält die den Erinnerungsprozess anstoßende Begegnung mit der toten Anna gleich nach einer Frankreichfahrt von 1990, und im Nachtrag wird diese Fahrt beschrieben und das Auftauchen Annas wiederholt. Mehrere Mini-Einschübe über aufgefundene Memorabilien liefern stets nur den Anlass für weiteres Eintauchen in die Vergangenheit. Die sonst für Schirmer typische überschäumende Ironie und sein bübischer Humor sind stark zurückgenommen und dunkler eingefärbt. Auch verzichtet er auf die hier erläuterten komplexen, diskursreflexiven oder ironisch kommentierenden Erzähltechniken. Stattdessen legt er eine auf den Kern des Menschlichen konzentrierte, melancholische, introspektive Analyse eines gelebten Lebens vor, die alle Merkmale eines Erinnerungsromans (und teilweise des Schelmen- oder Entwicklungsromans) sowie den reflexiven Abstand eines altersweisen Rückblicks aufweist.

 

6. Überblick, Vergleich und Schlussbemerkungen

Die größte Gemeinsamkeit der vier Romane besteht darin, dass sie im Kern zugleich Liebesgeschichten sind und ein Topos der ‚Frau als Utopie‘ zu existieren scheint. Immer korrespondiert das Gelingen oder Scheitern der Liebesgeschichte, also ein glückliches Privatleben, mit dem Gelingen gesellschaftlichen Lebens: In Cahlenberg wird die Ausreisewelle von 1988-89 vom Erzähler romantisch-fantastisch verklärt zu einer Rückkehr in die Natur, in deren Mittelpunkt nicht zufällig die verehrte Frau mit dem biblischen Namen Maria steht. Mit dem Scheitern des Staates koinzidieren die gescheiterten Ehen Thierfelders und Ostricharz‘, und die Utopie, die letzterer sich ausmalt, enthält als Neuanfang auch eine fantasierte Beziehung mit Maria.

In Schlehweins Giraffe gibt es drei Beziehungsphasen zwischen Kristina und dem Erzähler: die erste, mit siebenjähriger Ehe von etwa Mitte der 70er-Jahre bis Anfang der 80er – eine Zeit, in die die DDR wirtschaftlich aufgestiegen war und auf einem guten Weg schien, die zweite Ehe von drei Jahren in den 80ern – als Stagnation und Probleme sichtbarer wurden, und eine „wilde Ehe“ im Wendeherbst, wo sie sich wiedertrafen und ihre glücklichste, freieste Zeit erlebten, sich auf Parkbänken liebten und Träume hatten – so wurde diese Zeit auch vom gesellschaftlichen Klima her von Vielen empfunden. Der Rückschlag 1990 erfolgt dann, indem der Erzähler arbeitslos und verlassen wird, doch am Ende (Winter 1991) kehrt Kristina zu ihm zurück, und sie blicken vorsichtig optimistisch in eine völlig offene Zukunft, in die sie die Giraffe (Vergangenheit) jedoch mitnehmen müssen („die werden wir nie wieder los“; SchG: 123).

Der letzte Sommer der Indianer verhandelt den Ost-West-Konflikt in Form eines Hahnenkampfes, bei dem das Ehepaar am Ende zusammenbleibt, der Sohn von einem dritten Mann stammt (einem echten Indianer, der 1973 auf den Weltfestspielen in Ostberlin zu Besuch war), also keinem der beiden Rivalen ‚gehört‘. Auch erhalten weder die Indianer noch der Westcowboy das Land, und der gesellschaftliche Konflikt wird letztlich in einem komödienhaften Happy End versöhnlich aufgelöst.

Die unerfüllte Liebe des Protagonisten in Silberblick, der nie genug um Anna kämpft, sodass er sie nacheinander an beide Freunde verliert, gleicht seinem gleichermaßen unerfüllten und unentschlossenen Lebensweg im System – die nie erreichte (politischkulturelle) Utopie des fernen Frankreich entspricht der unerreichten Beziehung mit der begehrten Frau. Annas Wunsch, einmal das Land ihres Vaters zu sehen, erfüllt sich nicht; sie erkrankt 1989 an Leukämie und stirbt zusammen mit der DDR am 9. November. Das einzige fantastische Element dieses ansonsten realistischen Romans ist die unlogische Theorie, dass Anna plötzlich wiederaufgetaucht sei (es kann sich um eine ihr ähnlich sehende Verwandte aus Rothenburg ob der Tauber handeln). Ihr titelgebender Silberblick wird zur Metapher für eine Sicht aufs Leben:

Manchmal denke ich, wir alle haben einen leichten Silberblick. Wir blicken nie nur geradeaus, sondern immer auch etwas zur Seite, zumindest mit einem Auge, mit dem linken oder rechten, wir blicken, keck oder verträumt oder unersättlich, nach etwas anderem, nach einer anderen Möglichkeit, nach einem anderen Land. (SB: 444)

All dies unterstreicht, dass Schirmer (in bester Tradition der DDR-Literatur) immer wieder die Parallelen und Gegenläufigkeiten von privatem und gesellschaftlichen Leben ausmisst. Es wurde in diesem Artikel aufgezeigt, wie er hierfür im Laufe der Zeit die Handlungsrahmen seiner Romane zunehmend erweitert und tiefer in die Vergangenheit ausgreift sowie die gelebte Erfahrung zunehmend der (nachgeholten, ausgegrabenen) Erinnerung weicht. Jeder Text weist eine spezifische komplexe narrative Struktur auf, und in jedem wird der Schreib- bzw. Erzählvorgang thematisiert (im Falle von Der letzte Sommer der Indianer der filmische Darstellungsmodus). Auf die Frage nach dem „Zusammenhang […] zwischen Erinnern und Schreiben“, antwortete Schirmer: „Für mich persönlich ergibt sich dieser Zusammenhang dadurch, dass ich mir über manche Dinge beim Schreiben erst klar werde. Darüber hinaus kann ein literarischer Text auch eine Vergewisserung für diejenigen sein, die die geschilderte Zeit miterlebt haben, indem sie diese Zeit noch mal reflektiert oder widergespiegelt finden. In diesem Sinn ist der Text ein Medium kollektiver Erinnerung“ (Gansel 2015: 275).

Dabei verfolgt er jedoch nicht die Strategie mancher Texte, „ganz spezifische Gedächtniskonstellationen mit entsprechenden Wertungen für das ‚kollektive Bewusstsein‘ zur Verfügung zu stellen und auf diese Weise zur Stabilisierung von konkreten Vergangenheitsdeutungen und Identitätskonzepten beizutragen“ (Maldonado-Alemán & Gansel 2018: 1). Vielmehr wirken sie „dagegen subversiv und stellen sowohl hegemoniale Erinnerungen als auch überkommene Wirklichkeits- und Vergangenheitsversionen in Frage“ (ebd.). Sie bedienen weder das „Diktaturgedächtnis“ mit seinen Schwarz-Weiß-Linien noch einseitig (höchstens in Teilen) das am Versuch einer besseren Gesellschaft festhaltende „Fortschrittsgedächtnis“, vielleicht am ehesten das „Arrangementgedächtnis“ (die Rede vom richtigen Leben im falschen in Frage stellend) (Sabrow 2009: 18f.). Schirmer positioniert sich da, wo Literatur am besten steht: hinter, zwischen, über allen Linien.

 

Bibliographie

Erll, Astrid; Gymnich, Marion; Nünning, Ansgar (Hrsg.) (2003) Literatur – Erinnerung – Identität. Theoriekonzeptionen und Fallstudien. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier.

Erll, Astrid; Nünning, Ansgar (Hrsg.) (2005) Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft. Theoretische Grundlegung und Anwendungsperspektiven. Berlin & New York: Walter de Gruyter.

Erll, Astrid (2005) Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung. Stuttgart: J. B. Metzler.

Gansel, Carsten; Zimniak, Pawel (Hrsg.) (2010) Das „Prinzip Erinnerung“ in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur nach 1989. Göttingen: V & R unipress.

Gansel, Carsten (2010a) Vorbemerkung. In: Gansel; Zimniak (2010) Prinzip Erinnerung, 11-15.

Gansel, Carsten (2010b) Formen der Erinnerung in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur nach 1989. In: Gansel; Zimniak (2010) Prinzip Erinnerung, 19-35.

Gansel, Carsten (2015) „‚Ich war zu spät dran.‘ Gespräch mit Bernd Schirmer.“ In: Carsten Gansel (Hrsg.) Literatur im Dialog. Gespräche mit Autorinnen und Autoren 1989-2014. Berlin: Verbrecher Verlag, 267-278.

Grub, Frank Thomas (2003) ‚Wende‘ und ‚Einheit‘ im Spiegel der deutschsprachigen Literatur. Ein Handbuch. Berlin & New York: Walter de Gruyter.

Maldonado-Alemán, Manuel; Gansel, Carsten (Hrsg.) (2018) Literarische Inszenierungen von Geschichte. Formen der Erinnerung in der deutschsprachigen Literatur nach 1945 und 1989. Stuttgart & Wiesbaden: J. B. Metzler.

Maldonado-Alemán, Manuel; Gansel, Carsten (2018) Geschichte erinnern. Zur Inszenierung von Vergangenheit in der deutschsprachigen Literatur nach 1945 und 1989 – Vorbemerkungen. In: Maldonado-Alemán; Gansel (2018) Literarische Inszenierungen, 1-8.

Müller, Heiner (2008): Heiner Müller, warum zünden Sie keine Kaufhäuser an? Interview mit Patrik Landolt und Willi Händler. In: Hörnigk, Frank (Hrsg.) Heiner Müller. Werke 11. Gespräche 2. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 371-385.

Sabrow, Martin (2009): Die DDR erinnern. In: Sabrow, Martin (Hrsg.) Erinnerungsorte der DDR. München: Beck, 11-27.

Schirmer, Bernd (1994a) Cahlenberg. Roman. Leipzig: Connewitzer Verlagsbuchhandlung.

Schirmer, Bernd (1994b) Schlehweins Giraffe. Roman. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch Verlag. Erstausgabe (1992): Frankfurt/Main: Eichborn Verlag. Letzte Ausgabe (2000): Berlin: Edition Schwarzdruck.

Schirmer, Bernd (2005) Der letzte Sommer der Indianer. Roman. Berlin: Eulenspiegel V erlag.

Schirmer, Bernd (2017) Silberblick. Roman. Leipzig: Connewitzer Verlagsbuchhandlung.

Wensierski, Peter (2008): Der Wilde Westen der DDR. Der Spiegel 2.7.2008. https://www.spiegel.de/geschichte/rothaeute-im-sozialismus-a-947165.html, eingesehen am 7.11.2020.

 

[1] Frank Thomas Grub schlägt in seinem zweibändigen Überblickswerk ‚Wendeund Einheitim Spiegel der deutschsprachigen Literatur fünf Aspekte von Wendeliteratur vor: 1. Der thematisch-stoffliche Bezug zur ‚Wende‘ [wobei er bemerkt, dass „die Herbstereignisse des Jahres 1989 und die Vereinigung beider deutscher Staaten“ oft „lediglich die Voraussetzung beispielsweise für eine Romanhandlung“ darstellen (Grub 2003: 72); JL]; 2. ‚Wendeliteratur‘ im Sinne von Literatur, die erst nach dem Wegfall von Publikationsbeschränkungen (Zensur, Selbstzensur usw.) erscheinen durfte; 3. im Sinne von Texten, die das Leben in Deutschland vor und nach der ‚Wende‘ aus der Perspektive der Nachwendezeit reflektieren; 4. im Sinne von dokumentarischen Texten, deren Publikation durch das Ende der DDR erst möglich wurde, sowie Forschungsberichte über die DDR und Teilbereiche des Lebens in der DDR; 5. im Sinne von vor 1989 geschriebener Literatur, die die ‚Wende‘, etwa durch die explizite oder implizite Thematisierung von Missständen in der DDR, ‚vorbereitete‘ (Grub 2003: 72- 84). In diesem Aufsatz werden unter „Wendeliteratur im engeren Sinne“ die Varianten 1. und 3. verstanden (wobei Cahlenberg zur Variante 5. passt), aber interessanterweise bietet Grub für die Variante 3 die kürzeste Definition an, nämlich im Wesentlichen die sich häufenden Autobiografien – was darauf hinweist, dass die Zahl von Texten, die tatsächlich die Wendezeit konkret erzählend, etwa in Romanform, beschreiben, geringer ist, als man denken mag. Hier werden mit dem Begriff „Wenderoman (im engeren Sinne)“ genau solche Texte bezeichnet, in Abgrenzung von Protokoll- und Tagebuchliteratur oder Autobiografien.

[2] Nachfolgend mit der Sigle CB abgekürzt.

[3] Dies ist ein Merkmal, das viele Wenderomane im engeren Sinne auszeichnet, etwa Jens Wonnebergers Wiesinger oder Hensels Tanz am Kanal.

[4] So ist beispielsweise der Erzähler nach seiner Entlassung ins verregnete Kopenhagen gefahren, hat sich dort jedoch nur in einer Kneipe betrunken und ist ergebnislos und enttäuscht wieder zurückgekehrt.

[5] Nachfolgend mit der Sigle SchG abgekürzt.

[6] „Reflexive Modi der Rhetorik des kollektiven Gedächtnisses ermöglichen der Leserschaft die Beobachtung von Erinnerungskultur und damit auch ein kritisches Hinterfragen der Selektionsmechanismen, der Produktion, Kontinuierung, Manipulation und politischen Funktionalisierung kollektiver Gedächtnisse.“ (Erll 2005: 188)

[7] Nachfolgend mit der Sigle SI abgekürzt.

[8] In Übereinstimmung mit dem Roman wird hier das Wort „Indianer“ und nicht „amerika- nische Ureinwohner“ verwendet, da der hier aufgerufene Mythos „Cowboys und Indianer“ ja ein historischer ist nicht nachträglich durch heutigen Sprachgebrauch korrigiert werden kann.

[9] „Die Sehnsucht nach der Ferne, sagt Fischer, habe die DDR-Bürger getrieben, ‚nach einem anderen Leben, frei und wild und ungebunden in einem Land, in dem das Leben bis zur Rente eigentlich feststand.‘ Die Indianerszene bot den Ost-Aussteigern im Sozialismus einen kulturellen Freiraum. Wenn man schon nicht in die weite Welt reisen konnte, wollte man sich diese wenigstens zu Hause schaffen.“ (Wensierski 2008)

[10] „Schade drum. Es hätte ein guter Dokumentarfilm werden können. Also kaprizierte ich mich auf das fiktive Genre. Aber einen Spielfilm wollte auch niemand. Es gebe eh schon genug Indianerfilme.“ (SI: 251) Hiermit kommentiert Schirmer wieder seine eigene Lage, denn sein Drehbuch wurde von Film und Fernsehen abgelehnt, sodass er es schließlich zu einem Roman umschrieb.

[11] Auch dies gibt es in der Realität: „Ostdeutschland wird wieder zum Reservat […]. Bei Templin eröffneten sie ein profitables Westernland namens ‚Eldorado‘, mit Stuntmanshows und Schießereien nach festem Zeitplan.“ (Wensierski 2008)

[12] Nachfolgend mit der Sigle SB abgekürzt.

 

Ludwig, Janine: „Von der Erfahrung zur Erinnerung – Wenderomane im Wandel.“

Erstveröffentlichung in: GFL (German as a Foreign Language) No. 1/2021, S. 68-86. http://www.gfl-journal.de/Issue_1_2021.php

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